Zum Umgang mit Prüfungsangst

Aufregung vor Prüfungen? Normal. Leistungs- und Leidensdruck durch Prüfungsangst? Ein Problem. uni:view sprach mit einem Studierenden über seine Erfahrungen und befragte die Psychologin Barbara Schober, was Prüfungsangst ist und wie man sich ihr stellen kann.

Daniel befindet sich kurz vor dem Abschluss seines Studiums. Es steht nur noch eine einzelne Lateinprüfung zwischen dem Studenten und seiner Abschlussarbeit. Doch diese Hürde konnte der 28-jährige bislang nicht überwinden. Der Grund: Prüfungsangst. "Vor ein paar Jahren bin ich schon einmal zur Lateinprüfung angetreten und durchgefallen. Allerdings hatte ich damals, ehrlich gesagt, auch vorher nicht viel gelernt. Ein paar Semester später habe ich es gut vorbereitet noch einmal probiert – und hatte während der Prüfung einen totalen Blackout. Ich saß drei Stunden im Raum, habe nichts geschrieben und schließlich den leeren Zettel abgegeben", erzählt der Student.

Wie kommt es zu solchen Blackouts in Prüfungssituationen? "Studien zeigen, dass stark prüfungsängstliche Personen – auch bei vergleichbarem Vorwissen und ähnlicher Intelligenz – schlechtere Leistungen erzielen als Personen mit wenig Prüfungsangst. Das wird vor allem bei schwierigeren Aufgaben sichtbar, hier braucht es volle Konzentration. Denkt man dann aber zu viel über sich selbst nach und an seine Defizite und mögliche Folgen, kann es zu einer Art Blockade im aufgabenbezogenen Denken führen: Man merkt, man kommt nicht voran und kann dann gar kein Wissen mehr wiedergeben", erklärt Psychologin Barbara Schober vom Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft an der Universität Wien.

Barbara Schober ist seit Oktober 2011 Professorin für Psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Universität Wien. Seit Oktober 2016 ist sie außerdem Dekanin der Fakultät für Psychologie. Die Bildungspsychologin forscht u.a. zu Motivationsförderung in der Schule, Selbstregulation, Entwicklung und Evaluation bildungspsychologischer Interventionsmaßnahmen und geschlechtsspezifischen Bildungsverläufen. (Foto: Barbara Mair/Universität Wien)

Wie erkenne ich Prüfungsangst?

Anspannung und Aufregung vor Prüfungen sind völlig normal und können sogar leistungsfördernd wirken. "Problematisch wird es, wenn die Angst vor dem Versagen zu groß wird und sich ein Kreislauf entwickelt, der als nicht mehr kontrollierbar erlebt wird", erläutert Barbara Schober und beschreibt diesen wie folgt: "Das Lernen fällt immer schwerer, man denkt immer mehr ans mögliche Versagen und die inhaltliche Vorbereitung leidet. Die Leistungen sind dann auch öfter wirklich schlecht und daraus resultierend verstärkt sich wiederum die Angst, solche Situationen grundsätzlich nicht (mehr) schaffen zu können."

Das führt dazu, dass Prüfungen vermieden werden und die Angst weiter anwächst. So schob auch Daniel seinen dritten Prüfungsanlauf immer weiter auf, wodurch der innere Druck schließlich so hoch wurde, dass er im Sommer in eine depressive Phase rutschte.

Tipps bei Prüfungsangst

Prüfungsangst hat individuelle Ursachen, weshalb auch bei ihrer Bewältigung verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Barbara Schober verrät fünf mögliche Ansatzpunkte, die Prüfungsangst in den Griff zu bekommen:

1. Die richtige Prüfungsvorbereitung: Nicht nur "viel" lernen, sondern eben "richtig", sich Lernpläne machen und auch wirklich einhalten. Die Frage ist dabei auch, was wird verlangt, was weiß ich schon, was kann ich noch nicht, wie kann ich es lernen und wann…? Das macht auch Erfolge bewusst.



2. Entspannungsmethoden und Verringerung der Angstgefühle: Yoga, Autogenes Training sind hier mögliche Ansätze – wichtig ist, im Moment der Panik dagegen angehen zu können.

3. Lernen bewusst positiv zu denken: Sätze aufschreiben und sich vorsagen, die die negativen Gedanken reduzieren. Beispielsweise kann man den Satz "Ich kann das, ich schaffe das, ich habe das geübt" als "Gegen-Mantram" setzen zu "Ich schaffe das alles eh nicht".

4. Realistische Ziele setzen: Sich nicht überfordern, so dass man Erfolge auch erleben kann.

5. Den "Dingen die Schwere nehmen": Sich bewusst mal anders anschauen, was eine/n am möglichen Versagen so bedroht und es hinterfragen. "Perfektionismus reduzieren" ist hier sicher auch ein Thema.

Bei starker Prüfungsangst kann auch das Aufsuchen professioneller Hilfe helfen. So wie bei Daniel. Er ging schließlich zur Psychologischen Studierendenberatung im 8. Bezirk in Wien.

Die Psychologische StudentenInnenberatung ist eine Einrichtung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Unterstützung von Studierenden und StudieninteressentInnen mit Hilfe psychologischer und psychotherapeutischer Methoden. Die Angebote sind kostenlos und beinhalten u.a. Psychologische Beratungen, Studienwahlberatungen, Coachings und Supervisionen. Beratungsstellen gibt es in Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg. (Foto: Screenshot studierendenberatung.at)

Der Prüfungsangst stellen

"Ich wusste zwar, dass es so etwas gibt, aber ich hatte keine Ahnung, wie es abläuft", sagt Daniel über den Service der Psychologischen Studierendenberatung und berichtet von seinen Erfahrungen: "Nach einem Erstgespräch konnte ich glücklicherweise gleich in eine Gruppentherapie einsteigen, da eine neue 'Prüfungsangsttruppe' startete. Wir waren fünf bis sechs Leute, die alle auf unterschiedliche Art Probleme mit Prüfungsangst hatten." Zusätzlich gab es für den Studierenden noch eine wöchentliche Gesprächstherapie, um individuellen Hintergründen seiner Ängste nachzugehen. Denn Prüfungsangst ist ein Gemisch aus realer und neurotischer Angst, d.h. sie steht auch im Zusammenhang mit bereits früher entstandenen Ängsten, Selbstwertproblemen und unbewältigten Konflikten.

Terminhinweis: Anfang Februar beginnt bei der Psychologischen Studierendenberatung Wien das erste Prüfungsangstgruppentreffen 2017.
Eine Teilnahme ist nach einer ausführlichen individuellen Abklärung möglich. Kontakt

"Ich bin froh, den Schritt gemacht zu haben"

Daniel hofft, die fehlende Lateinprüfung bald hinter sich zu haben und resümiert: "Mir hat die psychologische Hilfe geholfen. Aber der Schritt muss aus einem selbst herauskommen. Es funktioniert nicht, wenn dir fünf Leute sagen, dass du dir Hilfe suchen sollst. Bei mir hat es auch ein paar Monate lang gedauert, bis ich soweit war. Aber ich bin froh, den Schritt gemacht zu haben." (mw)