Mein Element: Technetium

Technetium kommt auf der Erde nicht natürlich vor, sondern nur als Produkt des radioaktiven Zerfalls. Warum das Element hilft, einen Blick in das Innere von Sternen zu werfen, es in der Medizin eine Rolle spielt, aber auch nicht ganz ungefährlich ist, erzählt der Astrophysiker Josef Hron.

Was mich an Technetium besonders fasziniert …
Technetium (Tc) ist der direkte Beweis für die (astronomisch) vor kurzem stattgefundene Erzeugung von Elementen im Sterninneren und dafür, dass diese Elemente auch an die Oberfläche kommen. Nukleosynthese und Mischung sind fundamentale Mechanismen in der Entwicklung von Sternen. Außerdem ist es spannend, dass Technetium auf der Erde nicht natürlich vorkommt, sondern nur als Produkt des radioaktiven Zerfalls. Und es ist das wichtigste Element bei bildgebenden nuklearmedizinischen Untersuchungen.

In meiner Forschung arbeite ich mit Technetium, ...
... weil es uns ermöglicht, das Entwicklungsstadium eines Sterns eindeutig zu bestimmen. Wir können anhand von Technetium feststellen, wie gut die Durchmischung im Stern funktioniert. Dadurch spielt es  bei der Erforschung Roter Riesen, den Spätstadien der Entwicklung sonnenähnlicher Sterne, eine wichtige Rolle. Wenn wir es in den Atmosphären Roter Riesen nachweisen können, bedeutet das zum einen, dass im Sterninneren vor astronomisch kurzer Zeit (weniger als hunderttausend Jahre) Elemente schwerer als Eisen erzeugt wurden (Nukleosynthese). Zum anderen, dass der Stern bis in tiefe Schichten durchgemischt wurde. Sowohl die Nukleosynthese als auch die Mischung sind sehr komplexe Vorgänge, und astronomische Beobachtungsdaten liefern zentrale Informationen für diese Vorgänge. 

Wussten Sie, dass …
… Technetium in den 1990er Jahren in Hummern aus der Irischen See nachgewiesen wurde? Dies ist Folge der damals starken radioaktiven Belastung der See durch die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Großbritannien. 

Die wichtigsten Kenndaten von Technetium: Ordnungszahl: 43; Symbol: Tc; Gruppe: Mangangruppe; Masse (gerundet): 97,9072 u; Vorkommen: entsteht durch natürliche radioaktive Zerfallsprozesse.

Mein Element in 3 Worten:
Strahlend, "frisch", außerirdisch.

Technetium; "Held" oder "Bösewicht"? 
Sowohl als auch: Als "Held" erlaubt Technetium uns, einen Blick in das Innere von Sternen zu werfen und kommt in der Medizin als Tracer zur Anwendung, da es sich an viele Bioaktive Moleküle anlagert. Es kann aber auch ein "Bösewicht" sein: Technetium ist radioaktiv und damit mit Vorsicht zu behandeln.

Mit wem "kann" Technetium gut, mit wem gar nicht?
Technetium "versteht" sich mit vielen bioaktiven Molekülen und ist daher der geeignetste Tracer für nuklearmedizinische Untersuchungen.  


Das Bild zeigt eines der Teleskope des "Very Large Telescope" der Europäischen Südsternwarte ESO. Das graue Gehäuse rechts beherbergt jenes Spektrometer mit dem nach Technetium in Sternen gesucht wurde. (© ESO)

Ein "Moment of Fame" meines Elements:
1952 wurde Technetium von P. W. Merril am Mount Wilson Observatorium erstmals in Sternen nachgewiesen – damit war der Beweis für die Erzeugung schwerer Elemente vor astronomisch kurzer Zeit erbracht.

Eine Welt ohne Technetium wäre …
… auch eine Welt ohne viele andere wichtige Elemente, die schwerer als Eisen sind (z. B. Kupfer, Arsen, Quecksilber, Blei), denn diese entstehen auf die gleiche Weise wie Technetium. Und damit eine Welt ohne Bronzezeit, Krimis mit vergifteten Opfern, Thermometern, rauchenden Colts – eine Welt mit einem Loch in der Mitte des Periodensystems. 

Josef Hron (li.) sucht gemeinsam mit Thomas Lebzelter (re.) am Institut für Astrophysik nach Möglichkeiten, die Häufigkeiten verschiedener  Elemente zuverlässig zu bestimmen. Die Daten dazu bekommen sie von astronomischen Observatorien wie der Europäischen Südsternwarte. Dabei haben sie mit Technetium "Bekanntschaft gemacht": Es ist das wichtigste Element zur Unterscheidung der verschiedenen Entwicklungsstadien von Sternen. (© Josef Hron/Tomas Lebzelter)

Der Dezember steht im uni:view Magazin ganz im Zeichen der Elemente: Im Dossier "Mein Element" präsentieren Wissenschafter*innen den ganzen Dezember lang Überraschendes und Wissenswertes zu Elementen, mit denen sie in Forschung und Lehre arbeiten.