"Max Perutz veränderte mein Leben"
| 24. September 2014Zwei Tage im Zeichen der neueste Erkenntnisse von Strukturbiologie über Bioinformatik bis hin zur RNA-Biologie: Frühere Wegbebleiter und geistige Erben des Nobelpreisträgers Max F. Perutz trafen sich anlässlich seines 100. Geburtstags an der Universität Wien.
Anlässlich des 100. Geburtstags des Nobelpreisträgers Max F. Perutz veranstalteten die nach ihm benannten Max F. Perutz Laboratories (MFPL) – ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien – Ende September das Symposium "Crossing Frontiers in Life Sciences" in den Festsälen der Universität Wien.
Der Kongress wurde von Wolfgang Schütz, Rektor der Medizinischen Universität Wien, Karl Schwaha, Vizerektor der Universität Wien, und Graham Warren, wissenschaftlicher Direktor der MFPL, feierlich eröffnet. 23 hochkarätige WissenschafterInnen präsentierten über zwei Tage lang ihre neuesten Erkenntnisse und Methoden aus den Bereichen Strukturbiologie, zelluläre Signalübertragung, Bioinformatik, Chromosomendynamik und RNA-Biologie. Unter ihnen auch Wegbegleiter von Max Perutz, die dazu beitrugen ihn als Mensch, Wissenschafter und Leitfigur zu würdigen.
Gründervater der modernen Molekularbiologie
Der in Wien geborene Chemiker Max F. Perutz gilt als Gründervater der modernen Molekularbiologie. Er schlug in den 1950er Jahren an dem von ihm aufgebauten Forschungsinstitut in Cambridge die Brücke zwischen Biologie und Physik und trug mithilfe physikalischer Methoden zur Aufklärung der Struktur des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin bei. Dies erlaubte zum ersten Mal Einblick in dessen Funktionsweise: Perutz konnte stereochemisch – also über den dreidimensionalen Aufbau – erklären, wie Hämoglobin Sauerstoff zur Lunge transportiert und wie das bei der Atmung entstehende Kohlenstoffdioxid aus der Lunge abtransportiert wird.
Für diese wegbereitenden Erkenntnisse erhielt er im Jahr 1962 den Nobelpreis. In Anerkennung der Leistungen Max F. Perutz' wurde das 2005 gegründete gemeinsame molekularbiologische Forschungsinstitut der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien nach ihm benannt: die Max F. Perutz Laboratories (MFPL).
Wegbegleiter erzählen
Den Auftakt des Symposiums bildete der Vortrag von Michael Rossmann, der Anfang der 1960er-Jahre als Postdoc mit Perutz in Cambridge gearbeitet hatte. Rossmann entwickelte die ersten Computerprogramme zur Auswertung der von Perutz bereit gestellten röntgenkristallographischen Daten zur Strukturvorhersage von Proteinen. Rossmann erläuterte seinen wissenschaftlichen Werdegang und untermauerte mit sehr persönlichen Worten, wie Perutz seine Karriere geprägt hatte. "Er veränderte mein Leben und spielte eine ungemein wichtige Rolle in meiner Ausbildung. Max brachte mir viel über die Naturwissenschaften bei, zum Beispiel während der einstündigen Zugfahrt von Cambridge nach London zu unseren Kollaborateuren an der Royal Institution, ohne dass ich es damals merkte."
Rossmann sieht die Bedeutung der Aufklärung der Molekularstruktur von Hämoglobin im Jahr 1959 durch Perutz und seinen Kollegen John Kendrew vor allem darin, dass es zum ersten Mal möglich, Darwins Evolutionstheorie nicht nur auf taxonomischer, sondern auch auf molekularer Ebene zu bestätigen.
Tom Steitz, dem 2009 der Nobelpreis für seine Studien zur Struktur und Funktion des Ribosoms zugesprochen wurde, würdigte Perutz als großen Inspirator. Besonders für ihn selbst, denn die von Perutz gehaltenen Dunham Lectures 1963 in Harvard faszinierte ihn so, dass er beschloss Proteinkristallograph zu werden.
Richard Henderson, der mit Perutz bis zu dessen Tod am Laboratory of Molecular Biology (LMB) in Cambridge gearbeitet hatte, erklärte, dass man dort auch heute noch versucht die Ideale von Perutz zu leben. Eines davon war Perutz' Überzeugung, dass jedes Institut eine gute Kantine braucht, als Ort an dem sich WissenschafterInnen treffen und über ihre Ideen diskutieren können. "Man geht also mit seiner brillanten Idee in die Kantine und innerhalb von einer halbe Stunde wird sie von den Kollegen auseinandergenommen. Das kann einem oft jahrelange Arbeit ersparen", sagt Richard Henderson.
Standort Wien als "Life-Science-Hub"
Weitere Größen, die ihre Wertschätzung für Max F. Perutz auf dem Symposium zum Ausdruck brachten, waren der britische Botaniker und Professor an der University of Cambridge, David Baulcombe, und MFPL-Alumna Emanuelle Charpentier. Die Mikrobiologin hatte einen Tag zuvor den prestigereichen "Dr. Paul Janssen Award for Biomedical Research" in New York überreicht bekommen und erläuterte dem interessierten Fachpublikum das von ihr entwickelte System zur gezielten Genmanipulation.
"Das Symposium hat einen großartigen Anlass zum wissenschaftlichen Austausch geboten, und untermauert den Standort Wien als Life-Science-Hub", freut sich Graham Warren über die sehr erfolgreiche Konferenz. (red)