Maria Theresia: Die Finsternis der Unwissenheit aufklären

Zum 300. Geburtstag von Maria Theresia nimmt sich Didaktik-Expertin Eva Vetter das schulpolitische Reformprojekt der Regentin vor. Schulunterricht war Maria Theresia ein Anliegen, das bald zur Verpflichtung wurde. Davon ausgenommen: ihre eigenen 16 Kinder, die wurden am Hof unterrichtet.

Wenn ein großes Reich umgestaltet wird, wendet sich der Reformeifer immer auch der Bildung zu. Ein neuer Staat braucht neue BürgerInnen (Untertanen in Zeiten des Absolutismus). Für deren Herausbildung sind die Institutionen des Bildungswesens maßgeblich verantwortlich. Es ist also wenig verwunderlich, dass sich Maria Theresias aufklärerisches Reformstreben auch der Schule zuwendet.

Schule als "politicum"

Gerne wird ihr Spruch zitiert: "Das Schulwesen aber ist und bleibet allzeit ein politicum". Hat sie das niedergeschrieben, was wir als Merkmal aller Schulreformen seither kennen, dass nämlich Fragen von Schule und Bildung politisch, d.h. mit politischen Überzeugungen verknüpft sind? Sicher schwingt etwas davon mit, vordergründig ging es aber darum, die Schule als Aufgabe des Staates (und nicht der Kirche) festzuschreiben.

Neben der Verstaatlichung ist die Komplexität ein weiteres Merkmal der Reform: Maria Theresia schuf ein Volksschulwesen, reformierte bzw. gründete Akademien, Hoch- und Fachschulen und reformierte auch noch die Universität. Das Projekt war zwar auf oberster politischer Ebene angesiedelt, bezog aber verschiedene Akteure mit ein, Experten aus dem Ausland ebenso wie Vertreter der Verwaltung und Lehrer. Ein umfassendes Projekt im Dienste eines modernen Staates.

Zur Administration der Bildungsreform schuf Maria Theresia die Studienhofkommission (1760), eine Vorgängerin der späteren Unterrichts- und Bildungsministerien. Für die konzeptionelle Arbeit holte sie sich einen Experten aus dem (verfeindeten) Preußen, Johann Ignaz von Felbiger. Sehr rasch, d.h. noch im Jahr seiner Übersiedlung nach Österreich, schuf dieser die Grundlagen für das Volksschulwesen, die Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-Haupt- und Trivialschulen (1774).

Ein Anliegen, das zur Verpflichtung wurde

Motiviert war dieses Vorhaben von der Einsicht, "daß die Erziehung der Jugend, beyderley Geschlechts, als die wichtigste Grundlage der wahren Glückseligkeit der Nationen ein genaueres Einsehen (...) erfordere." So wichtig war das Anliegen, dass es zur Verpflichtung wurde. Zwar führte die Monarchin nicht wie oft erwähnt die allgemeine Schulpflicht ein, wohl aber die allgemeine Unterrichtspflicht für alle Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren "beyderley Geschlechts, deren Eltern oder Vormünder in Städten eigene Hauslehrer zu unterhalten nicht den Willen, oder nicht das Vermögen haben."

Für das Volksschulwesen war damit der Weg von der Einzelerziehung zur Klassenerziehung bestritten und der staatliche Einfluss gesichert. "Aus was fuer Buechern zu lehren sey" war streng geregelt, das Methodenbuch verordnete die pädagogischen Grundsätze. Schulkommissionen und ein aufblühendes Verlagswesen sorgten für die Verbreitung der einheitlichen Schulbücher. Der Staat finanzierte den Druck und auch die Übersetzung der Schulbücher in die Sprachen der Länder und so erschienen bald Lehrbücher in italienischer, tschechischer, polnischer, ruthenischer, slowenischer, kroatischer, serbischer, kirchenslawischer, ungarischer, rumänischer und hebräischer Sprache.

Schreiben, Lesen, Rechnen, Religionsunterricht – und mehr

Der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen erforderte über Schreiben, Lesen, Rechnen und Religionsunterricht hinausgehende Kenntnisse. Als wenig hilfreich für den Handel mit dem Osmanischen Reich erwiesen sich die traditionellen Sprachkenntnisse der Oberschicht (Latein, Französisch und Italienisch). Auch die Entsendung von sogenannten Sprachknaben nach Konstantinopel brachte wenig Erfolg. So gründete Maria Theresia bereits 1753 die K.K. Orientalische Akademie der morgenländischen Sprachen, die Vorläuferin der heutigen Diplomatischen Akademie, genehmigte höchstpersönlich die ersten acht Kandidaten und wohnte deren Theateraufführungen in türkischer Sprache bei.

Maria Theresia brachte zwischen ihrem 20. und 39. Lebensjahr 16 Kinder zur Welt. Ihnen blieb der Genuss der Schulen verwehrt, denn sie wurden nach den strengen Vorgaben ihrer Eltern von Lehrern am Hof unterrichtet. Neben der religiösen Erziehung spielte der politische Plan, den sich die Mutter ausgedacht hatte, dabei eine wichtige Rolle. Für die Mädchen bedeutete dies Erziehung zum Gehorsam und sollten sie einen zu starken eigenen Kopf haben, so war nach dem Willen der Mutter "bey zeitten selber zu brechen".

Für ihre Untertanen und die nachfolgenden Generationen hat Maria Theresia das Bildungswesen nachhaltig verändert. Viele ihrer Institutionen begleiten uns heute – im Unterschied zu einigen anderen Ländern besteht in Österreich auch noch die Unterrichtspflicht.

Zur Autorin: Univ.-Prof. Mag. Dr. Eva Vetter ist Professorin für Fachdidaktik / Sprachlehr- und -lernforschung an der Universität Wien und Vize-Leiterin des Fachdidaktischen Zentrums der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät. Seit März 2013 ist sie auch die Vize-Leiterin des Zentrums für LehrerInnenbildung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeit, Unterrichtsforschung, Diskursanalyse, Sprachlehr- und -lernforschung, Sprachkontakt und -konfliktforschung, Francophonie.