Forschung in der Schule

Wie kann das Lernen von Chemie für SchülerInnen attraktiv gemacht werden? Und wie gelingt es, dass sie eigenen Fragen nachgehen? Chemiedidaktikerin Anja Lembens von der Universität Wien unterstützt LehrerInnen im FP7-EU-Projekt "TEMI" mit Werkzeugen des Forschenden Lernens.

Anja Lembens krempelt nicht nur den naturwissenschaftlichen Schulunterricht gründlich um, sondern beschreitet auch in der Lehr- und Lernforschung Neuland. Im FP7-EU-Projekt "Teaching Enquiry with Mysteries Incorporated" (TEMI) entwickelt sie am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien Methoden und Herangehensweisen des Forschenden Lernens, die sie in bundesweit angelegten Fortbildungen an LehrerInnen weitergibt.

Die Professorin für Didaktik der Chemie und Leiterin des Österreichischen Kompetenzzentrums für Didaktik der Chemie arbeitet dazu eng mit mehreren europäischen Universitäten und Bildungseinrichtungen zusammen.

Die Österreichischen Kompetenzzentren für Didaktik (Austrian Educational Competence Centres, AECC) forschen, entwickeln und beraten zum Unterrichten und Lernen in naturwissenschaftlichen Fächern. Sie engagieren sich in der Aus- und Fortbildung von LehrerInnen. Daneben haben sie die Aufgabe, Fachdidaktiken österreichweit miteinander zu verknüpfen und fachdidaktische Forschung in Österreich voran zu treiben. Seit 2005 beherbergt die Universität Wien die AECC für Biologie, Chemie und Physik.

Ein neuer Unterricht durch Forschendes Lernen

Die innovativen Lehr- und Lernkonzepte, die im Projekt entwickelt werden, sollen SchülerInnen selbst zum Forschen anregen. Mit Unterstützung der LehrerInnen lernen sie, wie man naturwissenschaftliche Untersuchungen Schritt für Schritt durchführt, um Erklärungen für Naturphänomene zu finden.

Um das Interesse der SchülerInnen für die Naturwissenschaften zu wecken, arbeiten Anja Lembens und ihr Team mit sogenannten "Mysteries" als spannende Einstiege: "Ein 'Mystery' kann ein überraschendes Experiment genauso wie etwas zunächst nicht Erklärbares aus der Natur sein. Die Mysteries lassen die SchülerInnen staunen und erzeugen ein Gefühl von 'Das will ich wissen!'", erklärt die Chemiedidaktikerin den Grundgedanken des Projekts. Lembens leitet das österreichische Teilprojekt von TEMI, an dem insgesamt 13 Institutionen aus elf Ländern beteiligt sind.

Ein mysteriöser pH-Effekt
Eines der "Mystery"-Experimente trägt den Titel "Der (un-)zuverlässige Indikator": Die SchülerInnen bekommen die Aufgabe, wässrige Lösungen haushaltsüblicher Substanzen (etwa Lebensmittel, Pflegeprodukte und Reinigungsmittel) auf ihren pH-Wert zu testen. Als pH-Indikatoren stehen ein Universalindikator sowie Rotkrautsaft zur Verfügung. Während bei den meisten Substanzen vergleichbare Werte erzielt werden, führt der Test bei bestimmten Deodorants zu widersprüchlichen Ergebnissen.

Neue Zugänge für SchülerInnen und LehrerInnen

Zum jeweiligen "Mystery" bekommen die SchülerInnen eine Aufgabenstellung und sollen nun Versuche planen, die geeignet sind, die Frage zu beantworten und ihre Hypothese zu untermauern. "Nach dieser gemeinsamen Planungsphase gehen sie ans Werk und erproben je nach Wissensstand und Alter unterschiedliche Methoden und Zugänge, um diesem oder ähnlichen Mysteries auf die Spur zu kommen", erklärt Lembens.

Doch bevor die SchülerInnen mit dem Forschen loslegen können, sind die LehrerInnen gefragt: Zentral für das Gelingen des Forschenden Lernens sind eine fundierte Planung der Lerngelegenheiten und eine kompetente Lernbegleitung durch die LehrerInnen. In Fortbildungen lernen sie das Forschende Lernen kennen und erproben die Mysteries, um sie später im Unterricht einsetzen zu können.

Österreichweit haben Lembens und ihre KollegInnen in Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen Kärnten, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien bislang 110 LehrerInnen der Sekundarstufe I erfolgreich weitergebildet. Sie entwickelten außerdem Arbeitsmaterialien und Mysteries und auf der Webseite von TEMI und des AECCs Chemie online zugänglich gemacht.

Unterricht anders denken

Mit seinem Zugang gibt das Projekt "TEMI" den Anstoß für die Weiterentwicklung des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts. "Traditioneller Frontalunterricht bietet SchülerInnen oft wenig Gelegenheit, aktiv und eigenverantwortlich Wissen und Können aufzubauen und anzuwenden", so die Chemiedidaktikerin.

Forschendes Lernen, das SchülerInnen zum kritischen Denken anregt, sei hingegen nachhaltiger: "Es geht hier nicht um das Auswendiglernen von Fakten und Daten, sondern die SchülerInnen eignen sich Fähigkeiten an, um eigenständig Fragen zu formulieren und Herangehensweisen zur Beantwortung dieser Fragen zu entwickeln."

"TEMI" stellt LehrerInnen forschungsgeleitete Unterrichtsmethoden vor. Im Bild: TeilnehmerInnen einer Fortbildung arbeiten am Mystery "Der (un-)zuverlässige Indikator". (Foto: TEMI)

Alten Gewohnheiten neue entgegenstellen

Obwohl dieser Zugang große Lernpotenziale in sich birgt, ist bei LehrerInnen oftmals noch Überzeugungsarbeit zu leisten, wie Lembens festgestellt hat: "Heutige LehrerInnen haben meist noch einen traditionellen Schulunterricht erlebt. Es ist für sie nicht leicht, sich neuen didaktischen Konzepten gegenüber zu öffnen und zu erkennen, wie diese Konzepte im Regelunterricht implementiert werden können."

Doch das Österreichische Kompetenzzentrum für Didaktik der Chemie an der Universität Wien ist dafür gut gewappnet. Mit seiner Forschung und langjährigen Erfahrung in der Aus- und Fortbildung von Lehramtsstudierenden und LehrerInnen trägt es dazu bei, den Schulunterricht nachhaltig zu verändern. (jr)

Univ.-Prof. Dr. Anja Lembens ist stellvertretende Leiterin der Plattform Didaktik der Naturwissenschaften (AECCs) und Leiterin des AECCs Chemie. Sie leitet das österreichische Teilprojekt im FP7-EU-Programm "Teaching Enquiry with Mysteries Incorporated" (TEMI), Grant Agreement Nr. 321403, mit einer Gesamtfördersumme von 3,5 Millionen Euro, Laufzeit Februar 2013 bis Juli 2016.