Wenn "not everybody's darlings" einen Film machen

Die Forschungsplattform Elfriede Jelinek und das Elfriede Jelinek-Forschungszentrum der Universität Wien feiern den 70. Geburtstag der "Nestbeschmutzerin und Nobelpreisträgerin" mit Vorträgen, Theater und Kino. uni:view besuchte die Veranstaltung "Jelinek und der Film" und sah "Malina".

Wir begleiten eine namenlose Autorin in ihre Wiener Wohnung in der Ungargasse. In Verwirrungszuständen kontaktiert sie ihr männliches Alter Ego Malina. Als sich die Schriftstellerin in den jungen Ivan verliebt, befiehlt ihr Malina, ihn zu töten. Am Ende des Films verschwindet die Frau und ihre Existenz geht in Flammen auf. Ein surreales und schwieriges Filmstück – nichts anderes war zu erwarten, wenn Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek und Werner Schroeter aufeinander treffen.

  

Da ist Ingeborg Bachmanns einziger Roman (...) Da ist Elfriede Jelineks Drehbuch (...) Da ist Werner Schroeter (...) Alle drei nicht gerade 'everybody's darling', ein bisschen egoman, ein bisschen genial, ein bisschen unsympathisch sogar. Aus ihrem Zusammentreffen ist ein Film für die Schauspielerin Isabelle Huppert entstanden, bei deren Präsenz der ehrfürchtige Schauer noch die hinterste Kinoreihe erreicht", so Cineast Georg Seeßlen über "Malina" kurz nach der Filmpremiere. Die ehrfürchtige Schauer überkommt auch 25 Jahre später noch die ZuseherInnen – so am 16. Oktober 2016 bei "Jelinek und der Film", einer Veranstaltung der Jelinek-Forschungsplattform an der Universität Wien, im Filmcasino Wien.


Aus den 60er Jahren in die Gegenwart


Elfriede Jelinek wurde bereits 1989 von Werner Schroeter gebeten, Ingeborg Bachmanns Roman "Malina" als Drehbuch aufzubereiten. Die geänderte und gekürzte Fassung davon wurde 1991 von Werner Schroeter – als einer der teuersten Filme des Jahres 1991 – in Szene gesetzt. Vom Publikum gemischt, nicht immer wohlwollend aufgenommen, feierte die Filmszene den kontroversen Film: "Malina" erhielt mehrere Preise, darunter der Deutsche Filmpreis für den besten Film, vier goldene Filmbänder und der Deutsche Kamerapreis für die beste Kamerafrau Elfi Mikesch.

Jelinek-Expertin Verena Humer im Filmcasino Wien. (Foto: Universität Wien)


"Jelineks Ziel war es, eine werkgetreue Adaption des Romans zu schreiben, die ein Buch der 60er Jahre in die Gegenwart fortschreibt, radikalisiert, sogar brutalisiert und sexualisiert", leitet Verena Humer den Film ein und bezieht sich mit ihren Worten auf Jelinek selbst. Verena Humer ist eine Jelinek-Expertin: Sie studierte Germanistik mit dem Schwerpunkt Cultural Studies und Gender Studies an der Universität Wien. Zwischen 2013-2014 wirkte sie beim FWF-Forschungsprojekt "Elfriede Jelinek: Werk und Wirkung. Annotierte Bibliographie" mit und ist aktuell wissenschaftliche Mitarbeiterin von "Ökonomie und Gender – Künstlerische Reflexionen von Frauen in Österreich 1968 bis heute" am Elfriede Jelinek Forschungszentrum.

Die Forschungsplattform Elfriede Jelinek: Texte - Kontexte - Rezeption, die sich im Juni 2013 in Kooperation mit dem Elfriede Jelinek-Forschungszentrum an der Universität Wien konstituiert hat, ist eine international vernetzte, interdisziplinäre Forschungsstelle zu Elfriede Jelinek, Österreichs einziger Literaturnobelpreisträgerin, und verbindet WissenschaftlerInnen von drei Fakuläten und sieben Instituten der Universität Wien. (Foto: Martin Vukovits)


Jelinek und Bachmann: eine unbequeme Liaison


Schon bevor Elfriede Jelinek damit begann, am Drehbuch für "Malina" zu arbeiten, beschäftigte sie sich intensiv mit dem Werk von Ingeborg Bachmann. "Jelinek geht es – wie Bachmann – darum, die Sprachmacht des Patriarchats aufzubrechen und einen Sprech-Raum für Frauen zu eröffnen", heißt es in Humers Vortrag "Die Frau ist die Andere, der Mann ist die Norm". Weitere wichtige Gemeinsamkeiten zwischen Bachmann und Jelinek sind die Problematisierung der NS-Vergangenheit, die Aufarbeitung traumatischer Kindheitserlebnisse und die Kritik an Heimat und Heeresmacht.

Interdisziplinäre Veranstaltungsreihe "Nestbeschmutzerin und Nobelpreisträgerin"

Der komplexen Beziehung zwischen dem Werk Bachmanns und Jelineks wird auch im Theaterstück "Es gibt mich nur im Spiegelbild" am 22. Oktober im Theatermuseum auf den Grund gegangen. Anna Badora, Emmy Werner und Hermann Beil sprechen über Jelineks Theaterarbeit. Auf dem bunten Programm der interdisziplinären Veranstaltungsreihe stehen darüber hinaus am 18. Oktober das KosmosTheater, u.a. Julya Rabinowich, Eva Rossmann und Robert Schindel diskutieren dort die gesellschaftspolitischen Positionen Jelineks. Am 20. Oktober steht bei einer Veranstaltung im Literaturhaus Wien die literarische Arbeit Jelineks im Vordergrund. (hm)

Interdisziplinäre Veranstaltungsreihe "Elfriede Jelinek - Nestbeschmutzerin und Nobelpreisträgerin"
Jelineks Interventionen
Dienstag, 18. Oktober 2016, 17 Uhr
KosmosTheater, Siebensterngasse 42, 1070 Wien

Die Sprachkünstlerin
Donnerstag, 20. Oktober 2016, 16 Uhr
Literaturhaus Wien, Zieglergasse 26a, 1070 Wien

Jelinek und das Theater
Samstag, 22. Oktober 2016, 16 Uhr
Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien

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