Habsburger im Netz
| 09. Mai 2011Im vergangenen Jahr ging die virtuelle Ausstellung "Die Welt der Habsburger" online. Mittlerweile zählt das Projekt über 15.000 Klicks pro Monat, ist auch auf Englisch abrufbar und wurde beim Staatspreis für Multimedia und e-Business 2011 Sieger in der Kategorie "Kultur, Lernen, Wissen". Die Website ermöglicht das Eintauchen in die Welt der Habsburger, und das auch abseits der berühmten Figuren der Dynastie. Die Ausstellungsobjekte – Texte, Bilder und Töne – zur politischen Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert sind für eine breite, internationale Zielgruppe aufbereitet.
Ein Klick auf das Porträt von Marie Louise, Herzogin von Parma, und ein Bildausschnitt des Gemäldes samt Kurzinformation zur Person ("verheiratet mit dem französischen Kaiser Napoleon") erscheint. Noch ein Klick: Das gesamte Kunstwerk wird sichtbar und der Mauszeiger verwandelt sich in eine Lupe, durch die auch noch das kleinste Detail des von Jean Baptiste Isabey gemalten Gemäldes betrachtet werden kann. Klick. Zurück zur Kurzinformation. Als nächstes reizt der Link zum Thema "Liebesg'schichten und Heiratssachen" ...
... das ist nur einer der vielen möglichen Wege durch die virtuelle "Welt der Habsburger". Die Ausstellung ist so konzipiert, dass sich die BesucherInnen die Objekte eigenständig erarbeiten bzw. eben "ersurfen". Anders als beim Besuch eines Museums, der an einem Punkt beginnt und nach vorgegebenen Wegen durch mehrere Räume führt, kann in der Webausstellung der Ausgangspunkt für jeden/jede NutzerIn ein anderer sein.
Individuelle Wege
"Beginnen kann die Tour zum Beispiel sowohl bei Kaiserin Sisi oder dem von Josef II eingeführten 'Sparsarg' als auch bei dem Leben von Bergarbeitern im 16. Jahrhundert in Tirol. Von dort klickt man sich weiter und findet so einen individuellen Weg durch die Ausstellung. Interessant ist, dass viele der aufbereiteten Inhalte nicht direkt mit den Habsburgerpersönlichkeiten zu tun haben, sondern auch das Leben von Bauern, ArbeiterInnen und BürgerInnen in diesen Jahrhunderten schildern", erklärt der Historiker Franz X. Eder. Gemeinsam mit dem Vorstand des Instituts für Geschichte, Karl Vocelka, hatte er die wissenschaftliche Leitung des Projekts inne. Ein Team aus rund 15 HistorikerInnen und Medienfachleuten war an der Aufbereitung der Inhalte beteiligt. In Auftrag gegeben und finanziert wurde das Projekt von der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H.
"Die Website wurde für ein sehr heterogenes Publikum konzipiert. Interessant und hilfreich soll sie nicht nur für StudentInnen und AkademikerInnen sein, sondern genauso für SchülerInnen, TouristInnen und – noch breiter gefasst – allgemein an Geschichte interessierte Personen ", beschreibt Eder die Zielgruppe des Projekts.
Die Erzähllinien der "Welt der Habsburger"
Das Besondere des "digitalen Museums" ist die große Menge an Inhalten und Daten, die virtuell präsentiert werden kann: Auf der Website befinden sich über 2.000 Texteinheiten, rund 1.400 Bilder und 200 Tondokumente. Es können außerdem Objekte gezeigt werden, die in der physischen Welt aus konservatorischen Gründen schwer zugänglich sind. Das Material wurde u.a. vom Kunsthistorischen Museum, dem Technischen Museum, dem Wien Museum und dem Österreichischen Staatsarchiv zur Verfügung gestellt. Der Wissenschafter erläutert: "Die virtuelle Ausstellung ist aber nicht mit Online-Enzyklopädien wie beispielsweise Wikipedia oder dem Österreich-Lexikon zu vergleichen. Denn ganz wie bei einer 'klassischen' Ausstellung gibt es auch hier bestimmte Erzähllinien, die verfolgt werden."
Die Ausstellungsnarrative basieren hier auf zwei Strängen: Zum einen sind es "Themen" wie beispielsweise "Herrschafts.Zeiten", "Vom Lesen und vom Schreiben", "Unter Tage", "Der Dreißigjährige Krieg" oder "Genusswelten", die den jeweiligen Inhalt teils über mehrere Jahrhunderte hinweg darstellen. Zum anderen finden die BesucherInnen 15 sogenannte "Aspekte" vor – u.a. "Begegnen und Lieben", "Erinnern und Vergessen" oder "Glauben" und "Verheimlichen". Über solche "leicht zugänglichen Verben" wird den BesucherInnen historisches Wissen auf einem alternativen Weg zugänglich gemacht.
Einsatz im Schulunterricht
Das virtuelle Navigieren und Interagieren ist für den Historiker Eder die Eingangstür zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Informationen. Besonders interessant ist die "Welt der Habsburger" daher auch für den Schulunterricht: "Wir beschäftigen uns aktuell damit, wie man diese Ausstellung in der LehrerInnenausbildung einsetzen könnte. Ich halte gerade ein Fachdidaktikseminar ab, in dessen Rahmen vier LehrerInnen aus unterschiedlichen Schulen in Wien zwanzig Lehramtsstudierende der Geschichte betreuen. Die virtuelle Ausstellung ist hier Ausgangspunkt für die Erarbeitung von Unterrichtsstunden im Fach Geschichte. " (dh)
Ao. Univ.-Prof. Dr. Franz Eder ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gemeinsam mit Ao. Univ.-Prof. Dr. Karl Vocelka, Vorstand des Instituts für Geschichte, war er für die Konzeption und wissenschaftliche Leitung des Projekts zuständig. Mag. Martin Gasteiner, Institut für Geschichte, und Mag. Josef Köstlbauer, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, waren maßgeblich an der Konzeption, Entwicklung und Kommunikation beteiligt. Dr. Franz Sattlecker, Geschäftsführer der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, hatte die Projektleitung inne.
Zur virtuellen Ausstellung "Die Welt der Habsburger"