Georg Grabherr ist "Wissenschafter des Jahres"

Der Botaniker und Ökologe Georg Grabherr ist Österreichs "Wissenschafter des Jahres 2012". Die Auszeichnung wurde dem ehemaligen Vorstand des Departments für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie der Universität Wien am 7. Jänner überreicht.

"Mir ist die Natur wichtig, aber primär geht es mir um die Pflanzen, und ich habe das Glück gehabt, die Faszination der Pflanzenwelt kennenzulernen – das möchte ich vermitteln und schützen", sagt Georg Grabherr, Wissenschafter des Jahres 2012. Die Ehrung wird vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten verliehen und würdigt vor allem das Bemühen von ForscherInnen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Image der österreichischen Forschung zu heben.

Naturschutz in den Köpfen der Menschen verankern

Der Botaniker und Ökologe hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Forschungsarbeiten über Pflanzengesellschaften und Vegetationsökologie in Österreich, speziell im alpinen Raum, durchgeführt. Als inzwischen in den Ruhestand getretener Vorstand des Departments für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an der Universität Wien hat er international bedeutende Projekte initiiert. Dazu zählt etwa die weltweite Klimastudie GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments), in der Hochgebirgspflanzen als Indikatoren für die Auswirkungen des Klimawandels beobachtet werden.


Alpenblumen in Hochlagen sind besonders durch Klimaerwärmung und zunehmende Sommertrockenheit gefährdet. Dies gilt für Pflanzen der Gipfelregion der Sierra Nevada, wie die Arenaria tetraquetra ssp. amabilis. (Foto: Harald Pauli, GLORIA)



Dafür, dass er "Naturschutz in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert und eine Generation von Studierenden in die Berufswelt entlassen hat, die ein umfassendes ökologisches Verständnis" haben, wurde ihm im Vorjahr vom Naturschutzbund der "Österreichische Naturschutzpreis" verliehen.

Publikationen in "Nature" und "Science"


Auch mit "Blümchenzählen", wie Grabherr mit Augenzwinkern seine Tätigkeit beschreibt, kann man in den Forschungsolymp aufsteigen und regelmäßig in den wichtigsten Wissenschaftszeitschriften wie "Nature" oder "Science" publizieren. Doch der in seiner Erscheinung dem Klischee eines Botanikers und Ökologen entsprechende Grabherr forscht alles andere als "im Elfenbeinturm". Vielmehr vermittelt er seine Liebe zur Natur und sein Wissen in vielfältiger Weise einer breiten Öffentlichkeit.


Georg Grabherr wurde 1946 in Bregenz geboren und wuchs in Hörbranz auf. Der Sohn eines Schusters besuchte die Lehrerbildungsanstalt und nutzte sein früh erwachtes Interesse für die Natur, um beim "Botanisieren" in Wald und Flur dem Nachmittagsstudium im Internat "zu entgehen". Doch Grabherr wollte nicht Lehrer werden und begann deshalb 1967 an der Universität Innsbruck ein Studium der Biologie, das er 1975 mit der Promotion summa cum laude abschloss. Nach dem Doktorat erhielt er eine Assistentenstelle am Institut für Botanik der Universität Innsbruck, wo er sich schnell einem seiner Lieblingsthemen, der alpinen Vegetation, widmete. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Wales in Bangor (Großbritannien) habilitierte er sich 1983 in Innsbruck. 1986 wurde er als Professor für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie an die Universität Wien berufen und konnte damit den Naturschutz auf akademischem Boden etablieren. 2011 musste er krankheitsbedingt aus dieser Funktion frühzeitig ausscheiden. Mehr über Georg Grabherr



International gefragter Experte

Mit Studien über die Natürlichkeit der österreichischen Wälder, die Pflanzengesellschaften und die Biodiversität Österreichs sowie dem ersten vollständigen Gebirgsinventar schutzwürdiger Biotope wurde Grabherr zum international gefragten Experten. Bereits 1994 gelang ihm gemeinsam mit seinen damaligen Studenten Harald Pauli und Michael Gottfried erstmals der – in "Nature" publizierte – Nachweis für das erwärmungsbedingte Höhersteigen der alpinen Vegetation. Diese Auswirkungen des Klimawandels werden seit Jahren in der von Grabherr initiierten Forschungsinitiative GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments) an mittlerweile mehr als 100 über den Globus verteilten Observationspunkten beobachtet – und von ihm scherzhaft als "Blümchenzählen" bezeichnet.

Grabherr ist auch stellvertretender Direktor des Instituts für Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in zahlreichen internationalen Gremien vertreten und hat die EU u.a. bei der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie beraten.

In Gesellschaft und Politik hineinwirken

Der Ökologe beobachtet und studiert aber nicht nur die Natur, er beschreibt sie auch auf populäre Art, etwa in seinem im Vorjahr erschienenen Prachtband über seinen Garten in Niederösterreich ("Ein Garten für das 21. Jahrhundert"), und kämpft für ihren Schutz – konkret etwa um die Erhaltung des nur in Mitteleuropa vorkommenden Bodensee-Vergissmeinnicht.


Mitte der 1980er-Jahre habe es am Bodensee nur noch einen "kläglichen Rest" von Grabherrs Lieblingspflanze, dem Bodensee-Vergissmeinnicht, gegeben, erinnert er sich. Durch seine Bemühungen wurden Naturschutzgebiete eingerichtet, die Zahl der Pflanzen sei darauf hin regelrecht "explodiert", freut sich der Biologie über seinen "gegen viele Widerstände erzielten schönsten Schutzerfolg". (Foto: Wikimedia)



Bei seinen naturschützerischen Bemühungen kommen Grabherr Funktionen wie der Vorsitz im Vorarlberger Naturschutzrat oder im österreichischen Nationalkomitee des UNESCO-Programms "Man and Biosphere" zugute. Stolz ist er dabei, es geschafft zu haben, "jedes Jahr mit der vollständigen Vorarlberger Landesregierung einen Nachmittag eine Exkursion in die Natur zu machen". Dabei wähle er mit Bedacht "nicht Problemfälle, sondern Gutfälle – denn wir müssen positiv polen". Grabherr glaubt, dass ein solcher Besuch im Wald oder im Moor "allen Regierungen gut täte – eine halbe Stunde Moorpredigt genügt, um klarzustellen: Die Natur ist vielfältig, sie ist fantastisch und wir haben Verantwortung."

Und noch etwas macht Grabherr stolz: Sein Department an der Universität Wien habe mehr als 300 DiplomandInnen und DissertantInnen "produziert". Durch diese AbsolventInnen sei es zu einer "Professionalisierung im Naturschutz" gekommen. "Das ist ein schöner Erfolg, dass unsere 'Brut' etwas zu sagen hat im Land."

Einladung nach Washington

Die Auszeichnung ist auch mit einer Einladung des Office of Science and Technology (OST) zu einem Vortrag an der österreichischen Botschaft in Washington verbunden. Bisher wurden von der Universität Wien u.a. der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (2010), der inzwischen verstorbene Literaturwissenschafter Wendelin Schmidt-Dengler (2007), der Philosoph Konrad Paul Liessmann (2006) und die Mikrobiologin Renée Schroeder (2002) zum "Wissenschafter des Jahres" gewählt. (APA)