Fußball-EM: "Angst ist der Spielball des Terrors"

Die bevorstehende Fußball-EM in Frankreich wird nicht nur ein sportliches, sondern auch ein sicherheitspolitisches Mega-Event. uni:view sprach mit Bernhard Klob vom Institut für Strafrecht und Kriminologie über Sicherheitsgefahren in Fußballstadien, Terrorängste und "Geisterspiele".

uni:view: Herr Klob, Sie sind Universitätsassistent am Institut für Strafrecht und Kriminologie. Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte und wie passt das Thema Fußball da hinein?
Bernhard Klob: Ich beschäftige mich seit 2008 mit Themen zu privater Sicherheit und Sicherheitsmaßnahmen bei Sportgroßveranstaltungen. Die relevanteste Sportart in diesem Bereich ist eben Fußball.

uni:view: Wie sind Sie dazu gekommen, sich wissenschaftlich mit dem "runden Leder" auseinanderzusetzen? Was fasziniert Sie daran?
Klob: Ausschlaggebend war ein Studienauftrag, den ich mit meiner damaligen Kollegin Ireen Christine Winter im Bereich der österreichischen Fußballbundesliga durchgeführt habe. Das spannende damals war, dass es sehr viele Forschungsarbeiten zu Ursachen von ZuschauerInnengewalt gab, aber kaum etwas zu Reaktionen und Sicherheitsmaßnahmen. Mittlerweile ist auch in diesem Bereich viel geschehen.

uni:view: In Ihrem Buch "Fußball und Sicherheit in Österreich" haben Sie die Sicherheitslage in der österreichischen Bundesliga aus Perspektive von Fans, Vereinen und Polizei analysiert. Wie lautet ihr Resümee kurz zusammengefasst?
Klob: Wir konnten als Ergebnis der Studie viele Empfehlungen an die einzelnen AkteurInnen im Sicherheitsgeschehen herausarbeiten. Diese wurden auch gut aufgenommen und teilweise umgesetzt. Besonders freut es uns, dass der Szenekundige Dienst – also jene BeamtInnen, die die Fußballszene kennen und deren Hauptaufgabe die Prävention und Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen ist – in Österreich nach unserer Studie ausgebaut wurde und nun auch die Anerkennung gefunden hat, die er verdient.

Im Buch "Fußball und Sicherheit in Österreich" aus der Schriftenreihe Kriminalwissenschaften in Theorie und Praxis geben Ireen Christine Winter und Bernhard Klob Aufschluss darüber, wie strategische Sicherheitsmaßnahmen, Einsatzplanung und Reaktionen in der Praxis umgesetzt werden, belegen mögliche Ursachen und Gewalt auslösende Faktoren im Fußball und geben einen Einblick in die Struktur der Fanszene in Österreich.

uni:view: Welche grundlegenden Sicherheitsgefahren gibt es in Bezug auf Fußball-Matches?
Klob: Zunächst gibt es bei großen Ansammlungen von Menschen immer ein Potenzial allgemeiner Gefahren, zum Beispiel kann ein Brand ausbrechen etc., was wiederum zu Panik führen kann. Schlechtes Crowd-Management – darunter versteht man die Planung der Menschenströme bei Großveranstaltungen – und eine schlechte Planung alleine können schon großes Gefahrenpotenzial beinhalten, wie man beispielsweise bei der Loveparade 2010 in Duisburg gesehen hat.
 
Bei Fußballspielen im Speziellen kommt immer wieder die Gewaltbereitschaft bestimmter Fangruppierungen hinzu, ein Phänomen, das es bei vielen anderen Sportgroßveranstaltungen nicht gibt. Hier spielen auch Faktoren wie übermäßiger Alkoholkonsum eine Rolle, was beispielsweise bei einer Olympiade weniger zu beobachten ist.

uni:view: Die Fußball-EM in Frankreich wird nach den Terroranschlägen von Paris und Brüssel schon im Vorfeld von einer hitzigen Sicherheitsdebatte überschattet. Wie beurteilen Sie die reelle Gefahrensituation für das bevorstehende Großereignis?
Klob: Neben den beiden vorher beschriebenen Sicherheitsaspekten so eines Ereignisses, nämlich den allgemeinen Gefahren bei großen Menschenmengen und dem Fußball-spezifischen Gewaltpotenzial, kommt in der heutigen Lage Europas sicher noch der Aspekt potenzieller Terroranschläge, die primär nichts mit der Veranstaltung zu tun haben, hinzu. Das ist bei der Planung und Durchführung sicher mit zu beachten. Wie real die Gefahr eines Terroranschlags ist, kann ich schwer sagen. Ich bin mir aber sicher, dass die zuständigen staatlichen Behörden eine gute Einschätzung leisten und die entsprechenden Maßnahmen setzen.

uni:view: Der französische Sportminister Patrick Kanner wird im Vorfeld der EM nicht müde, immer wieder darauf hingewiesen, dass kein Sportereignis dieser Größenordnung in Frankreich jemals so stark geschützt worden sei. Reicht das, um die Fußball-Fans zu beruhigen? Wo sind die Grenzen dieses Schutzes?
Klob: Ob das reicht, um den einzelnen Fan zu beruhigen, kann ich nicht sagen. Ich bin mir aber wie gesagt sicher, dass die Veranstalter und die französischen Behörden alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um die Sicherheit während der EM zu gewährleisten. Dementsprechend werden sie Vorkehrungen treffen und realistische Bedrohungsszenarien bei ihrer Planung und bei der Einsatzführung berücksichtigen.

In Europa haben wir außerdem in diesem Bereich eine gute Kooperation der Behörden und ich bin überzeugt, dass auch bei dieser Veranstaltung wieder Polizeikräfte aus anderen Ländern mit Rat und Tat zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Dass mit Sicherheit gar nichts passiert, kann aber nie garantiert werden. Wichtig ist, dass man für den Fall eines kritischen Ereignisses vorbereitet und auch dann noch handlungsfähig ist und den Schaden begrenzen kann.

uni:view: Angenommen es kommt tatsächlich zu einem Terroranschlag im Rahmen der EM. Wie sollte die FIFA Ihrer Meinung nach in diesem Fall reagieren? Sollte das Publikum wirklich aus den Stadien verbannt werden, wie es bereits diskutiert worden ist?
Klob: Ich denke nicht, dass "Geisterspiele" der richtige Weg sind. Angst ist der Spielball des Terrors und den sollten wir nicht annehmen. Wenn er uns zugespielt wird, dann geht er einfach ins Out. Je weniger Energie und Aufmerksamkeit wir in so ein Ereignis stecken, desto besser.

uni:view: In Frankreich gilt nach den Anschlägen noch immer der Ausnahmezustand. Welche praktischen Konsequenzen hat das für die Einsatzkräfte und die BesucherInnen der EM?
Klob: Solche Regelungen ermöglichen immer einen größeren Handlungsspielraum für die Behörden. Ich gehe davon aus, dass dies zum Erhalt der Sicherheit eingesetzt wird und auch dazu beiträgt.

uni:view: Werden Sie die Fußball-EM auch selbst verfolgen? Welches Team werden Sie anfeuern?
Klob: Ich werde mir sicher das eine oder andere Spiel ansehen. Natürlich Österreich!

uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (ms)

Univ.-Ass. Mag. Bernhard Klob forscht und lehrt am Institut für Strafrecht und Kriminologie.