Eugen Philippovich – ein Leben für Wissenschaft und Arbeiterschutz

Rektor der Universität Wien, Ökonom und Sozialpolitiker: Eugen Philippovich setzte sich zu Lebzeiten für den Arbeiterschutz ein – und verzweifelte manches Mal an Österreich. Zum 100. Todestag blickt Gerhard Strejcek vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht auf das Leben Philippovichs zurück.

In Döbling verbindet die Philippovichgasse das ehemalige Welthandels-Hochschulgebäude neben dem Währinger Park mit der Billrothstraße. Doch wer war der Namensgeber der 1926 so vom Wiener Gemeinderat benannten Gasse?

Es handelt sich um Eugen Philippovich Freiherr von Philippsberg, der mit dem damals modernen Spitzbart an Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann und Sigmund Freud erinnert. Philippovich wurde im März 1858 in eine Postmeister- und Offiziersfamilie geboren, seine familiären Wurzeln reichten bis nach Kroatien (Gospić) und Bosnien. Der Ökonom und Sozialpolitiker Eugen von Philippovich war zweimal Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und 1908 Rektor der Universität Wien. Ab 1909 saß er wegen seiner Verdienste als Abgeordneter im Herrenhaus des Reichsrates. 

Der Weg in die Wissenschaft

Philippovich, der 1881 zum Dr. jur. promovierte und sich 1885 in Wien mit einer Arbeit über die Bank von England habilitiert hatte, lehrte acht Jahre in Freiburg im Breisgau. Zunächst war er vier Jahre lang Extraordinarius für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften, dann ordentlicher Professor in diesen Fächern. Er nahm eine vermittelnde Stellung zwischen der Wiener Schule und der Historischen Schule ein und erlangte so über die österreichisch-ungarischen Grenzen hinaus Bekanntheit. Darüber hinaus engagierte er sich für Sozialpolitik (Fabier-Gesellschaft) und etablierte 1896 die neue "Socialpolitische Partei", für die er auch in den niederösterreichischen Landtag einzog.

Für den Arbeiterschutz

Nachdem er schon als Student in London und Berlin auf Studienreisen gewesen war, nahm er 1900 an einem Kongress für Arbeiterschutz in Paris teil. Philippovich war schließlich Mitbegründer der Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, auch diesbezüglich war er im Geiste mit Kafka verwandt. Durch eine empirische Erhebung der damals katastrophalen Wohnverhältnisse der Arbeiter in Wien, die u.a. in Verschlägen auf der Simmeringer Heide oder in Massenquartieren ohne Bad hausten, setzte Philippovich weitere sozialpolitische Akzente. Obwohl er sein Mandat wieder verlor, konnte er als Rektor 1905/06 weitere zwei Jahre (über eine Virilstimme, die den Rektoren der Wiener Universität im Landtag zustand) dem gesetzgebenden Organ angehören, ehe drei Jahre später die Berufung in das Herrenaus erfolgte.

Der damaligen Zeit entsprechend erhoffte sich Philippovich vom Kolonialismus Impulse für die gesellschaftliche Integration und den wirtschaftlichen Aufschwung, was ihm sogar offizielle Verhandlungsmandate des Deutschen Reichs einbrachte, das sich kurzfristig als Kolonialmacht in Südwest- und Ostafrika etabliert hatte, aber nach dem Vertrag von Versailles 1919 diese Pläne endgültig begraben musste.

Der Ruf der Universität Wien


Das fast ein Jahrzehnt dauernde akademische Wirken Philippovichs in Deutschland hinterließ Spuren, wie auch die Verbreitung seiner volkswirtschaftlichen Studien zeigt. Als Philippovich 1893 einen Ruf als Professor für politische Ökonomie an die Wiener Universität annahm, war Max Weber sein Nachfolger in Freiburg auf dem sozialwissenschaftlichen Lehrstuhl. In Wien bildete Philippovich neben anderen Josef von Schumpeter akademisch aus, mit Josef Redlich und Eugen Böhm-Bawerk verkehrte er freundschaftlich. Die wissenschaftlichen Verdienste für die vom Kaiser verliehene, lebenslange Ehrenstellung hatte sich Eugen Philippovich Freiherr von Philippsberg als praxisgeneigter Ratgeber und kompetenter Ökonom verdient.

Feilschen und volkswirtschaftliche Expertise

Philippovich diente wiederholt als volkswirtschaftlicher Experte für Ausgleichsfragen, die seit 1867 regelmäßig (d.h. alle zehn Jahre und zwar jene, die mit einem Siebener endeten) zu Verhandlungen und einer Vereinbarung führten, die über die finanzielle Lastenverteilung in der Doppelmonarchie nötig waren. Somit war das Feilschen um Beiträge und Abgaben mit dem Ringen um den Finanzausgleich im Bundesstaat vergleichbar.

Auch das Thema "Zolltrennung und Zolleinheit", das eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich zum Gegenstand hatte, beschäftigte Philippovich. Seiner Meinung nach sollten die deutschen Stärken der effizienten Massenfertigung und hochwertigen technischen Industrie mit den österreichischen Assets im Bereich der Manufaktur und kreativen Künste genutzt werden, womit er sich als origineller Denker erwies.

Familienvater, Volkswirt, Kunstsammler und Autor


Neben anderen Werken verfasste der Vater einer Tochter (Lilly) einen dreibändigen Grundriss der politischen Ökonomie (1897) und galt als einer der führenden Volkswirte neben Menger, Böhm-Bawerk, Mises, Hayek und Schumpeter. Gemeinsam mit seinem Kollegen Edmund Bernatzik, Staatsrechtsprofessor an der Wiener Universität und einem der Lehrer Kelsens, gab Philippovich die "Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Studien" heraus, in denen der junge Hans Kelsen im Jahr 1905 seine erste Arbeit über Dantes Staatslehre veröffentlichen durfte – der Beginn einer einzigartigen, publizistischen Laufbahn. Wie Bernatzik, der sich für die Secession engagierte, war auch Philippovich Kunstexperte und -sammler.

"An Österreich verzweifeln"

Gegen Ende seines nur sechs Jahrzehnte währenden Lebens litt Philippovich zunehmend an der Korruption und der unaufrichtigen Politik. Im Februar tat er gegenüber Josef Redlich kund, dass er "an Österreich verzweifle" und bedauere mit seinen bald 56 Jahren nicht mehr einen Ruf nach Berlin annehmen zu können.

Philippovich starb am 4. Juni 1917, sein bescheidenes Grab befindet sich am Döblinger Friedhof in der Hartäckerstraße 57 unweit von seinen Nachfolgern Kamitz, Redlich und Walter. Das Begräbnis fand am Mittwoch, den 6. Juni 1917, um 17 Uhr statt, die Anteilnahme politischer und persönlicher FreundInnen war groß. Die Volkswirtschaftsprofessoren Karl Milford und Erwin Weissel widmeten ihm biographische Studien. Philippovich ist als beliebter und weit über die intellektuellen Grenzen seiner Zeit hinaus denkender Sozial- und Rechtswissenschafter in die Geschichte eingegangen.

Über den Autor:
Gerhard Strejcek forscht und lehrt am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht. Er ist u.a. Herausgeber der Studie "Wirtschaft, Welthandel und Recht", NAP – New Academic Press 2017, die sich mit der Eröffnung des neuen Gebäudes der Exportakademie im März 1917, der Entwicklung der Hochschule für Welthandel (ab 1919) und der WU (ab 1975) sowie der Nutzung dieses Gebäudes durch die Universität Wien (Translationswissenschaften/Archäologie, Papyrologie etc.) befasst.