Erstes abhörsicheres Quanten-Videotelefonat zwischen Wien und Peking
| 29. September 2017ÖAW-Präsident Anton Zeilinger und sein Amtskollege Chunli Bai führten gemeinsam mit Rektor Heinz W. Engl die erste, durch Quantenphysik verschlüsselte Videokonferenz über zwei Kontinente.
Von Quantenkryptografie bis Quanteninternet: Die Erforschung der Welt der Quanten verspricht für die Zukunft eine Vielzahl neuer technologischer Möglichkeiten. Welche Fortschritte die Grundlagenforschung auf dem Weg zu deren Realisierung inzwischen erreichen konnte, machte nun eine Weltpremiere deutlich: Der Präsident der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Chunli Bai, und sein Amtskollege Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sowie Rektor Heinz W. Engl führten am 29. September 2017 das erste mithilfe von Quantentechnologie verschlüsselte Videotelefonat zwischen Wien und Peking.
Durch die Quantenverschlüsselung war die Abhörsicherheit des Gesprächs mindestens eine Millionen Mal höher als bei konventionellen Methoden der Verschlüsselung. Bei dem internationalen "Quantentelefonat" konnten nicht nur die Inhalte des Gesprächs abhörsicher übertragen werden. Es gelang auch, im Zuge der ersten interkontinentalen Quantenkommunikationsverbindung weitere Daten, in Form von Bildern des Physikers Erwin Schrödinger und des chinesischen Philosophen Micius, verschlüsselt und nicht hackbar zwischen Wien und Peking auszutauschen.
Orbitale Quantenverschlüsselung im ersten Praxistest
Möglich gemacht hat das erste interkontinentale "Quantentelefonat" der Welt eine internationale Kooperation von ForscherInnen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der ÖAW und der Universität Wien rund um die Quantenphysiker Jian Wei-Pan und Anton Zeilinger. Das Forschungsprojekt mit dem Namen QUESS (Quantum Experiments at Space Scale), das 2013 von Zeilinger und seinem ehemaligen Doktoranden Pan aus der Taufe gehoben wurde und vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gefördert wird, nutzt einen 2016 ins All beförderten chinesischen Satelliten für quantenphysikalische Experimente zwischen Erde und Weltraum.
"Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen", zitiert Rektor Heinz W. Engl Max Planck, der als Begründer der Quantenphysik gilt. "Ein Telefonat verdeutlicht heute, welche Innovationskraft von Grundlagenforschung ausgeht – im konkreten Fall aus der langjährigen Kooperation im Bereich der Quantenphysik zwischen der Universität Wien und der ÖAW."
"Der erfolgreiche Austausch von quantenverschlüsselter Information zwischen zwei Kontinenten verdeutlicht das enorme Potential dieser durch die Grundlagenforschung ermöglichten Technologie", betont auch Quantenphysiker und ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. Er ist überzeugt:
"Ein weltweites und sicheres Quanteninternet rückt damit einen entscheidenden Schritt näher."
Mit dem erfolgreichen Ablauf der Videokonferenz konnten die beteiligten WissenschafterInnen nun zum ersten Mal das große praktische Potential dieser orbitalen Quantentechnologie für den zukünftigen Aufbau von globalen Kommunikationsverbindungen demonstrieren, deren entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Verbindungen ist, dass sie aufgrund der speziellen Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik nicht gehackt werden können.
Quantenverschlüsselung zwischen Weltall, Wien und Peking
Für die Erzeugung des Quantenschlüssels, der beim Videotelefonat der beiden Akademiepräsidenten verwendet wurde, setzten die ForscherInnen von ÖAW und Chinesischer Akademie der Wissenschaften den 2016 vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan gestarteten Satelliten "Micius" ein. Aus seiner Umlaufbahn schickt er Lichtteilchen, sogenannte Photonen, zu Bodenstationen in China und Europa.
Im Vorfeld des Videotelefonats erzeugte "Micius" nun zunächst Lichtteilchen mit einer zufälligen Schwingungsrichtung, der sogenannten Polarisation. Diese einzelnen Photonen mit ihren verschiedenen Polarisationen wurden dann als Folge von Nullen und Einsen an die Grazer Bodenstation übermittelt. Dort wurden die Polarisationszustände gemessen und mit der vom Satelliten gesendeten Abfolge stichprobenartig verglichen.
Quantenschlüssel ist nicht zu knacken
Der Clou dabei: "Versucht jemand, die zwischen dem Satelliten und der Bodenstation ausgetauschten Photonen abzufangen und die Polarisation zu messen, dann verändert er durch die Messung den quantenphysikalischen Zustand der Teilchen – und fliegt sofort auf", erklärt Johannes Handsteiner vom Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW. Durch die Abweichung der Messdaten von Sender und Empfänger kann somit jeder Lauschangriff unmittelbar festgestellt werden. Weichen die Messdaten hingegen nicht voneinander ab, haben Sender und Empfänger einen ersten Quantenschlüssel.
Nachdem der zwischen Graz und "Micius" erzeugte Schlüssel beim Satelliten hinterlegt wurde, führten die chinesischen WissenschafterInnen mit ihrer Bodenstation denselben Ablauf durch, sodass der Satellit schließlich über zwei Quantenschlüssel verfügte. Diese wurden im Orbit kombiniert und das Ergebnis der Kombination wieder an die Bodenstationen in Österreich und China übermittelt. Damit konnten beide Bodenstationen nun einen gemeinsamen Code generieren, der zur eindeutigen Chiffrierung und Dechiffrierung von Information – und somit zur abhörsicheren Verschlüsselung des "Quantentelefonats" – eingesetzt werden konnte.
Mittels dieses gemeinsamen Codes konnte das Videotelefonat selbst über normale Internetverbindungen geführt werden. Denn dank des Quantenschlüssels konnten nur die Anwesenden in Wien und Peking mithören. (APA/red)