Quantengravitation in "der Matrix"

In der Quantenwelt ist alles anders. Eines der bisher größten ungelösten Probleme der Physik ist, wie man Quantentheorie und Gravitation unter einen Hut bringt. Harold Steinacker, Physiker an der Universität Wien, zeigt einen Mechanismus, der Gravitation im Rahmen der Matrix-Theorie erklären kann.

Die Quantentheorie hat unser physikalisches Weltbild im 20. Jahrhundert revolutioniert. "Sie ist essentiell für die widerspruchsfreie Beschreibung von Materie und ihren Wechselwirkungen", so Harold Steinacker von der mathematischen Physik. Und da Gravitation durch Materie bestimmt ist, muss auch sie Teil einer umfassenden Quantentheorie sein.

Hier endet allerdings der Konsens unter PhysikerInnen. Zwar gibt es eine Vielzahl an Vorschlägen und Möglichkeiten, aber bislang ist noch keine Quantentheorie der Gravitation allgemein akzeptiert. "Unser heutiges Verständnis von Gravitation basiert auf Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Doch diese lässt sich nicht so einfach 'quantisieren': Alle bisherigen Versuche führten zu unüberwindbaren Schwierigkeiten", erklärt der Physiker und konstatiert: "Die Quantentheorie der Gravitation verlangt nach einer fundamentalen Änderung geometrischer Konzepte."

"Matrix-Theorie" als mögliche Lösung

Eine mögliche Antwort bietet laut Steinacker die String-Theorie, die jedoch – wird sie konventionell verwendet – zu einer unüberschaubaren Vielfalt an Möglichkeiten führt: "Das schränkt ihre Vorhersagekraft stark ein, weshalb ich einen alternativen Zugang gewählt habe."

Hier kommt die Matrix ins Spiel: Im Rahmen eines FWF-Projekts stützt sich Steinacker auf die Theorie, die vor 20 Jahren als Variante oder "Spin-off" der String-Theorie vorgeschlagen wurde. In der Matrix-Theorie sind alle physikalischen Objekte in wenigen Matrizen codiert – insbesondere auch die Raumzeit und deren Geometrie. "Auf diese Weise kann man fundamentale Fragen über die Struktur der Raumzeit oder die Zahl der Dimensionen direkt untersuchen und damit obengenannte Probleme umgehen", erklärt der Physiker die Vorteile. "Wobei man sich keine Szenarien wie im gleichnamigen Film vorstellen darf, denn das Modell erlaubt keine 'Manipulation' – weder von außen noch von innen", schmunzelt er.  

Die Matrix-Theorie führt "ganz natürlich" zu einer Raumzeit mit Quantenstruktur: "Das passt sehr gut zum Bild der Quantengravitation und lässt sich sogar durch Simulationen am Computer untersuchen", betont der Forscher.

Nahe der Einsteinschen Theorie

Allerdings war laut Steinacker bisher unklar, wie Gravitation in der Matrix-Theorie entsteht: "Das bekannte Modell aus der String-Theorie ist hierfür nicht hilfreich." Nach einigen Jahren Forschungsarbeit hat der Physiker nun einen Mechanismus für Gravitation im Rahmen der Matrix-Theorie gefunden, der der Einsteinschen Theorie sehr nah kommt: "Der Mechanismus beruht auf einer besonders symmetrischen Quantenstruktur des Raumes", so Steinacker und ergänzt: "Dabei ergeben sich auch unerwartete Anknüpfungen zu einem anderen aktuellen Ansatz – der sogenannten 'higher spin theory'".


Die mathematische Formulierung der Matrix-Theorie steckt in dieser kurzen Formel. Harold Steinacker hat mit dieser Theorie eine Antwort auf die Frage gefunden, wie sich Quanten und Gravitation zusammenbringen lassen.

Auch wenn noch viele Fragen offen sind, bedeutet dieser neue Zugang eine wichtige Stärkung der Matrix-Theorie als mögliche quantentheoretische Beschreibung von Raumzeit und Materie. "Nun arbeite ich gemeinsam mit meinem Kollegen Marcus Sperling daran, diese Theorie weiterzuentwickeln und mit anderen Ansätzen zu vergleichen", so Steinacker.

Eine Formel, die die Welt erklärt?

Trotz einfacher Formulierung ist die Matrix-Theorie ähnlich komplex wie die String-Theorie. Daher betont der Wissenschafter ihre prinzipielle Überprüfbarkeit: "In Zukunft sollte es möglich sein, theoretische Ideen mit Resultaten der Computersimulation zu überprüfen und eventuell zu adaptieren, um konkrete physikalische Vorhersagen machen zu können." Viele Fragen zur Gravitation, der Kosmologie und der Teilchenphysik, die heute noch offen sind und die Wissenschaft beschäftigen, könnten irgendwann mit Hilfe dieser Theorie beantwortet werden.

Steinacker vergleicht seine Forschungsarbeit mit der Entdeckung eines neuen Kontinents: "Man muss das Land erkunden und die Sprache lernen. Es gibt neue Strukturen im mathematischen Sinn – aber auch Sackgassen und Wüsten. Die Kunst dabei ist, das Wesentliche des Modells zu erfassen, in die bekannte Sprache der Physik zu übersetzen und Irrwege zu vermeiden." (ps)

Das Paper "Emergent gravity on covariant quantum spaces in the IKKT model" (Autor: Harold C. Steinacker) erschien im Dezember 2016 in Journal of High-Energy Physics.