documenta 13: Zeilinger zeigt Quantenphysik-Experimente
| 11. Juni 2012Die documenta 13, die seit dem 9. Juni 2012 für 100 Tage in Kassel zu sehen ist, lockt BesucherInnen mit einem besonderen Highlight: Die internationale Kunstausstellung zeigt fünf echte, angreifbare Laborexperimente von Anton Zeilinger, die Grundprinzipien der Quantenphysik verdeutlichen.
Die documenta – die weltweit bedeutendste Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst – hat sich gedankliche Vielfalt auf die Fahnen geschrieben. Einen ganzen Raum im Hauptgebäude Fridericianum widmet sie physikalischen Experimenten. Verantwortlich für die ungewöhnlichen "Exponate" ist niemand anderes als Anton Zeilinger von der Arbeitsgruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation an der Fakultät für Physik. Gemeinsam mit seinem Team hat er insgesamt fünf Experimente vorbereitet, die wesentliche Grundprinzipien der Quantenphysik vermitteln sollen.
Vom Labor ins Tageslicht
"Das wird sogar ein Wissenschafter pfiffig finden", glaubt Zeilinger, Professor an der Universität Wien und Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), "weil es nicht leicht ist, das vom Labor ins Tageslicht zu bringen." Vor allem aber würde ein vorbeistreunender Forscher nichts auszusetzen finden, was die wissenschaftliche Güte der "Ausstellungsstücke" betrifft: "Wir zeigen keine Kunstwerke", betont der documenta-Teilnehmer, "das ist eine wissenschaftliche Präsentation, die allen Kriterien der Forschung standhält." Das Gerücht, er werde Teleportation nach Kassel bringen, zerstreut Zeilinger allerdings sofort. "Das wäre ein finanzieller Aufwand von einer halben Million Euro" – und wäre technisch unmöglich.
Dass Zeilinger mit seinen spannenden Experimenten als Physiker auf einer Kunstschau für Aufsehen sorgen wird, ist der Hartnäckigkeit der documenta-Kuratorinnen und der künstlerischen Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev zu verdanken. Diese hätten sich dem berühmten Wissenschafter zufolge nicht abwimmeln lassen und seien sogar an den Traunsee gereist, um mit ihm einen ganzen Tag lang "glasklar über verschiedene philosophische Fragestellungen zu diskutieren". Danach war der Wissenschafter überzeugt, ließ sich in den wissenschaftlichen Beraterstab holen und letztlich sogar zu einer eigenen Präsentation hinreißen.
Quantenphysik vermitteln
Ziel der ausgestellten Experimente ist es, den BesucherInnen einige grundlegende Prinzipien – Interferenz, Fundamentale Zufälligkeit, Nichtlokalität – der Quantenphysik anschaulich begreifbar zu machen. "Wir stellen die unabhängige Wirklichkeit infrage, aber das hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern das sind ganz klare wissenschaftliche Aussagen – wenn wir das rüberbringen können, dann wäre schon viel erzielt", erklärt Zeilinger. Um die Experimente wirklich zu verstehen, müsste man sich allerdings etwas Zeit nehmen. Mit Ausnahme von zwei Sommerwochen sind während der ganzen Ausstellungsdauer zwei Zeilinger-Studenten vor Ort und stehen für Fragen zur Verfügung, einige der Experimente kann man auch angreifen und verändern.
Parallelen und Differenzen
Die Parallelen zwischen Kunst und Wissenschaft werden Zeilingers Arbeiten ebenso illustrieren, wie die Unterschiede. "Die Offenheit für das Neue wird in beiden Fällen belohnt, auch manche Fragstellungen sind ähnlich – wobei ich das Gefühl habe, dass die Fragestellungen der Physik radikaler sind", meint der Quantenphysiker. Der entscheidende Unterschied: "Wissenschaft muss mit der Realität zu tun haben." Sonst wird sie nicht nur uninteressant, wie das bei abgehobenen Kunstwerken der Fall wäre – "es wird dann einfach falsch", so der bekannte Forscher. Kunst kann er trotz oder gerade wegen ihrer Unschärfen allerdings durchaus genießen. Er besucht gern Ausstellungen, kennt einige Künstler persönlich, wird auch als Besucher "einige Male" nach Kassel fahren. Als Teilnehmer aber "bleibe ich streng im Bereich der Wissenschaft", betont Zeilinger.
Finanzierung durch Kooperation
Finanziert wurde der Beitrag des Wiener Quantenphysikers in Kooperation mit der ÖAW, dem Forschungsförderungsfonds FWF und der Universität Wien. Im Anschluss an die Präsentation in Kassel sollen die fünf Experimente die "Keimzelle eines Besuchslabors" an der Universität Wien werden. Wo dieser Ausstellungsraum letztlich eingerichtet wird, steht bislang noch nicht fest. Zunächst werden die Exponate in ein Gebäude der Fakultät für Physik in der Sensengasse transferiert. (APA/red)