Corona: "Eine verhaltensbiologisch spannende Zeit"

Gesperrter Spielplatz

"Sobald wir nach der Corona-Krise wieder dürfen, rennen wir alle wieder raus, und kehren zu unserem alten Leben zurück", so die Verhaltensforscherin Elisabeth Oberzaucher von der Uni Wien. Die Gefahr, dass sich die Menschen in Österreich an die Freiheits-Einschränkungen gewöhnen, sei minimal.

"Die Menschen hängen schon sehr stark an ihrer Freiheit und jammern in den Sozialen Medien auch durchaus darüber, wie die ganzen Einschränkungen sich auf ihr Leben auswirken", erklärt Elisabeth Oberzaucher, die am Department für Evolutionäre Anthropologie sowie am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien forscht. Dementsprechend sei die Gefahr sehr gering, dass die österreichische Bevölkerung ein unnötiges Ausdehnen von Freiheitseinschränkungen akzeptieren würde.

"Es passiert durchaus mit der Zustimmung der Einzelnen, dass die persönlichen Rechte stark eingeschnitten werden", meint sie. Die Leute hätten Verständnis dafür, wenngleich niemand so wirklich glücklich damit ist. Auch nicht alle Politiker*innen, die jene Einschränkungen aussprechen und durchsetzen müssen: "Mir fiel insbesondere die große Emotionalität in den Reden des Vizekanzlers Werner Kogler auf, als er sich wohl gezwungen sah, diese strengen Regeln auszusprechen", erklärt Oberzaucher. Man habe "in diesem spannenden Moment" gemerkt, dass jener Schritt seinen Grundwerten widersprach. "Er war offensichtlich verzweifelt, dass die Menschen nicht in Eigenverantwortung in der Lage sind, das richtige Verhalten zu zeigen", so die Wissenschafterin.

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Selbst gewählte Unfreiheit

"Wir erleben eine selbst gewählte Unfreiheit, dementsprechend ist die Situation überhaupt nicht vergleichbar mit klassischen Diktaturen-Szenarios", so Oberzaucher. Die Entscheidungen werden von demokratisch gewählten Regierungen getroffen und vom Großteil der Bevölkerung mitgetragen.

Aus verhaltensbiologischer Sicht sei dies eine spannende Zeit, und es gäbe Forschungsprojekte, die sich damit auseinandersetzen, wie Menschen auf die aktuelle Unsicherheit und auf Beschränkungen des täglichen Verhaltens reagieren. Dass die Menschen ihr Verhalten nachhaltig verändern, sei unwahrscheinlich. "In jüngster Zeit melden sich zwar immer wieder sogenannte Zukunftsforscher zu Wort, aber das sind Menschen, die bloß Spekulationen über die Zukunft ablegen, mit Forschung und Wissenschaft hat dies nichts zu tun", so die Verhaltensforscherin. Auf Spekulationen über nachhaltige Verhaltensänderungen in eine bestimmte Richtung würde sie sich "auf keinen Fall" einlassen.

Im Kleinen werden die Menschen zwar vertrauter mit Dingen wie Homeoffice und Videokonferenzen, also Verhaltensweisen, die klimafreundlicher sind als jeden Tag in die Arbeit zu pendeln und Dienstreisen. "Ich fürchte aber, dass die nötigen Mittel fehlen werden, um die Klimakrise zu bewältigen, weil jetzt alle Staaten Schulden machen müssen, um ihre Wirtschaft zu schützen", erklärt sie. (APA/red)

Elisabeth Oberzaucher

Elisabeth Oberzaucher lehrt und forscht am Department für Evolutionäre Anthropologie und am Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien. (© Sabine Oberzaucher)