Buchtipp des Monats von Alina Brad
| 08. Juli 2019Die Auswirkungen des Palmölbooms sind verheerend: extrem großer CO2-Ausstoß, Pestizideinsatz, Verlust der Biodiversität, Trockenlegung von Torfmoorböden etc. Die Politikwissenschafterin Alina Brad hat in ihrem jüngsten Buch die politische Ökonomie des Palmölanbaus unter die Lupe genommen.
uni:view: Können Sie kurz die Auswirkungen des Palmölbooms auf Indonesiens Wirtschaft und Gesellschaft skizzieren?
Alina Brad: Nicht umsonst wird Palmöl in Indonesien auch als 'grünes Gold' bezeichnet: Mit der immer weiter steigenden Nachfrage am Weltmarkt wurde der Export von Palmöl zu einer wichtigen Einkommensquelle der indonesischen Wirtschaft. Indonesien produziert 53 Prozent des weltweit verfügbaren Palmöls. Daher wird Palmöl auch politisch gefördert. Diese Interessenkonstellation führt wiederum dazu, dass die Produktion von Palmöl trotz wachsender öffentlicher Aufmerksamkeit für die ökologischen Zerstörungen nicht eingeschränkt wird.
Gleichzeitig wurde im Zuge des Palmölbooms immer mehr Land in Plantageflächen umgewandelt. Es entstand ein regelrechtes 'Plantagenproletariat'. Viele der dort ansässigen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern brachte es in die Abhängigkeit großer, am Weltmarkt orientierter Palmölkonzerne. Für manche war dies zwar durchaus mit Einkommensmöglichkeiten und einer Verbesserung des Lebensstandards verbunden. Sollte aber die Nachfrage nach Palmöl auf dem Weltmarkt zurückgehen, würde ihnen dann die Existenzgrundlage fehlen.
uni:view: Wie kam es zu diesem unglaublichen Boom?
Brad: Genau das ist die zentrale Fragestellung meines Buches. Palmöl wurde in Indonesien bereits in den 1960er Jahren staatlich gefördert und es kam zu einer beträchtlichen Ausweitung der Produktion. Der massive Boom setzte allerdings erst Ende der 1990er Jahren ein. Er fällt zusammen mit dem Ende der Suharto-Diktatur und dem darauffolgenden Demokratisierungs- und Dezentralisierungsprozess, im Zuge dessen den so genannten Außeninseln mehr politische Autonomie zugestanden wurde.
Eines meiner zentralen Forschungsergebnisse ist, dass nicht allein die zunehmende Nachfrage auf dem Weltmarkt zum Palmölboom führte. Auch die räumliche Neuordnung der Verwaltungsebenen im Dezentralisierungsprozess war ein ganz entscheidender Faktor. Denn durch diese Neuordnung erhielten regionale Verwaltungsebenen mehr Entscheidungsmacht, etwa bei der Vergabe von Konzessionen für Ölpalmplantagen. Das wiederum löste eine Konkurrenz unter den Regionen um Investitionen aus. In Verbindung mit einer von Weltbank und IWF forcierten Politik der Öffnung Indonesiens für Auslandsinvestitionen befeuerte dies eine bis dahin undenkbare Ausweitung von Ölpalmplantagen über ganz Indonesien. Waren es 1967 noch 106.000 Hektar Landflächen mit Ölpalmen bedeckt, sind es mittlerweile ca. zwölf Millionen Hektar – Tendenz steigend.
uni:view: Stichwort Monokulturen und Abholzung: Was sind die oft verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt?
Brad: Zum einen ist die Produktion von Palmöl sehr CO2-intensiv, weshalb Indonesien auch zu den größten CO2-Emittenten weltweit gehört. Um Plantagen für Ölpalmen anzulegen, werden oftmals so genannte Torfmoorböden trockengelegt, wobei das darin in großen Mengen gespeicherte CO2 freigesetzt wird. In anderen Fällen kommt es zu Entwaldung und somit einem Verlust von so genannten Senken, d.h. Wäldern, die CO2 absorbieren. Hinzu kommt, dass durch die langen Transportwege von Palmöl zu den Verbraucherländern zusätzliche CO2-Emissionen entstehen.
Mit der Entwaldung ist auch ein massiver Verlust von Biodiversität verbunden, vor allem dann, wenn es sich um tropischen Regenwald handelt. Darüber hinaus verursacht die oftmals eingesetzte Brandrodung durch die Rauchentwicklung gesundheitliche Schäden bei der Bevölkerung. Nicht zuletzt führen die Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden zu sinkender Bodenqualität.
uni:view: Wie schätzen Sie die Zukunft von Palmölboom in Indonesien ein?
Brad: Wie gesagt stehen mächtige wirtschaftliche und politische Interessen hinter dem Palmölsektor in Indonesien. Zwar gibt es auch Widerstand von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, derzeit kann aus meiner Sicht aber nur ein Einbruch der Nachfrage nach Palmöl auf dem Weltmarkt das auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen basierende Entwicklungsmodell infrage stellen. Denn die Versuche, eine nachhaltige Produktion von Palmöl durch Zertifizierung einzuführen, erweisen sich bei näherem Hinsehen meistens als 'Greenwashing', wie wir in einer Studie nachgewiesen haben.
Deshalb sehe ich den Ansatzpunkt für Alternativen eher in den Importländern, wo Palmöl überwiegend konsumiert wird. Dabei geht es weniger um individuelles Konsumverhalten als um Veränderungen im Bereich der Produktion. In einem unserer aktuellen Forschungsschwerpunkte untersuchen wir vor diesem Hintergrund, welche Möglichkeiten der Substituierung von Palmöl durch andere pflanzliche Öle wie Raps- oder Sonnenblumenöl bestehen und wie dies in Österreich und der EU politisch gefördert werden könnte.
Das Gewinnspiel ist bereits verlost. Doch die gute Nachricht: In der Universitätsbibliothek stehen die Bücher interessierten LeserInnen zur Verfügung:
1 x "Der Palmölboom in Indonesien: Zur Politischen Ökonomie einer umkämpften Ressource" von Alina Brad
1 x "Vom Ende der Welt. Chronik eines angekündigten Untergangs" von Naomi Orekes und Erik M. Conway
uni:view: Welches Buch empfehlen Sie unseren LeserInnen?
Brad: "Vom Ende der Welt. Chronik eines angekündigten Untergangs" von Naomi Orekes und Erik M. Conway.
uni:view: Einige Gedanken, die Ihnen spontan zu diesem Buch einfallen?
Brad: Es handelt von utopischen Zukunftsphantasien im Zeichen des Klimawandels. Das Buch ist in Form einer fiktiven Chronik verfasst, beruhend auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Rückblickend aus dem Jahr 2393 betrachtet ein Historiker die Ereignisse, die 300 Jahre zuvor in Folge der Erderwärmung zum Ende der westlichen Zivilisation geführt haben. Obwohl das Buch mit apokalyptischer Endzeitstimmung spielt, hat die Menschheit überlebt, allerdings sind Australien und Afrika entvölkert. Eine andere politische Ordnung mit China als einzig verbliebener Weltmacht hat sich etabliert, weil allein China mit unterschiedlichen Maßnahmen wie dem Umstieg auf erneuerbare Energien eine grundlegende sozial-ökologische Transformation vollzog.
Sarkastisch und provokativ stellen die beiden Wissenschaftshistoriker dar, wie ein 'Marktfundamentalismus' und ein 'Kohlenstoffverbrennungskomplex' die Klimakrise verstärkt haben. Pointiert kritisieren sie einen primitiven Positivismus, den Klimaleugnerinnen und -leugner heranziehen, um den Klimawandel als unbewiesen hinzustellen und so verhindern, dass rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden.
uni:view: Sie haben den letzten Satz gelesen, schlagen das Buch zu. Was bleibt?
Brad: Das Buch regt zum Nachdenken an und thematisiert die komplexen sozio-ökonomischen und kulturellen Verflechtungen, die mit dem Klimawandel zugrunde liegen. Die Ironie ist, dass Maßnahmen, die heute weitgehend aus ideologischen Gründen als Staatseingriffe abgelehnt werden, wie z.B. CO2-Steuern, strenge Emissionsvorschriften etc., in der Zukunft weitgehende Eingriffe wie Verbote von emissionsintensiven Produktions- und Konsumweisen notwendig machen. (td)
Alina Brad ist seit Oktober 2018 Senior Scientist am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Hier forscht und publiziert sie am Fachbereich Internationale Politik u.a. zu der Region Südostasien. Ihre Schwerpunkte sind Politische Ökologie, Politics of Scale, Internationale Umwelt- und Ressourcenpolitik sowie sozial-ökologische Transformation.