Ende und Neuanfang 1945
| 27. April 2015Verschiedene gesellschaftliche, kulturelle und politische Aspekte des Jahres 1945 in Österreich beleuchtet die Ausstellung "1945. Zurück in die Zukunft" vom 28. April bis 10. Mai in der Österreichischen Nationalbibliothek. Kurator der Ausstellung ist der Zeithistoriker Oliver Rathkolb von der Universität Wien.
Eine "Rückwendung auf die Vergangenheit" zeichne das kulturelle Leitbild des Landes auf der Suche nach neuer Identität aus, sagt Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek. "Mir war wichtig zu zeigen, dass 1945 der Beginn einer janusköpfigen Entwicklung war", führt der Kurator der Schau, Zeithistoriker Oliver Rathkolb, aus. "Einerseits gab es die Befreiung vom Nationalsozialismus, andererseits war es der Beginn der alliierten Präsenz."
Die unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen zwischen Hungersnot und Wiederaufbau, Ringen um Bewältigung der Vergangenheit und Weichenstellung für die politische Zukunft hat Rathkolb in 17 Themen fokussiert, die mit reduzierten gestalterischen Mitteln aufbereitet sind: Tafeln mit Texten und Fotos, Vitrinen mit Dokumenten sowie zwei Medienstationen, auf denen etwa (teilweise erst viel später auf Tonband aufgenommenen) Figl-Reden nachzuhören sind.
Die Erklärung der ersten provisorischen Regierung Österreichs vom 27. April 1945 habe er bewusst ausgespart, sagte Rathkolb, da deren Original verloren gegangen sei. Zu den Originaldokumenten, die zum Teil erstmals ausgestellt werden, zählt aber ein Entwurf Renners (Rathkolb: "Eine elastische politische Figur"), der so beginnt: "Mit aller Entschiedenheit abzulehnen ist der Gedanke, es handle sich einfach um Restauration", also eine Rückkehr auf den Zustand von 1933 bzw. 1938. Dennoch ist das Anknüpfen an tradierte Österreich-Bilder in Kultur und Tourismus in der kleinen Ausstellung, die anschließend in adaptiertem Zustand in Linz gezeigt wird, überdeutlich.
Rückkehr der ins Exil Getriebenen bewusst erschwert
Politisch sei 1945 ein "antifaschistischer Grundkonsens" spürbar, der ab 1946 rasch abhandenkomme, hob Rathkolb hervor. So sei etwa durch das neue Staatsbürgerschaftsgesetz die Rückkehr der ins Exil Getriebenen bewusst erschwert worden. Zu den berührendsten Dokumenten zählt eine hektografierte Liste mit Namen jener 2.000 jüdischen BürgerInnen, die als U-Boote versteckt in Wien überlebt hatten. Auf ihr stehen auch die Dichterin Elfriede Gerstl und ihre Mutter Renee, von der auch ein handschriftlich auf Französisch verfasster Bittbrief um ein Lebensmittelpaket der französischen Kommandatur ausgestellt ist: Die 45-Jährige wog nur noch 36 Kilo.
Gestalterisch sei die Ausstellung nicht als "Vorgriff auf das Haus der Geschichte" zu verstehen, sagte Rathkolb auf Nachfrage, doch die ersten Diskussionen in der von ihm geleiteten Arbeitsgruppe zeigten, dass eine kulturhistorische Auseinandersetzung mit jener Zeit wohl insgesamt neue Erkenntnisse brächten, die in eine Gesamtdarstellung des 19. und 20. Jahrhunderts miteinfließen sollten. Es könnte sich daher durchaus ergeben, "dass wir im Haus der Geschichte beim Jahr 1945 ganz anders ansetzen werden als hier." (APA)
"1945. Zurück in die Zukunft - 70 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg"
Ausstellung im Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek
28. April bis 10. Mai, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr,
Josefsplatz 1, 1010 Wien,
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