Post aus dem Reich der Mitte (Tag 16-17)
Gastbeitrag | 02. September 2013Nächste Station der China-Exkursion ist die Bergregion Minshan: Beeindruckende Bilder von kristallklaren Seen, Sinterterrassen und Wasserfällen dominieren den Beitrag der Geographiestudierenden, die mit interessanten Details zur Entstehungsgeschichte dieser Naturschätze aufhorchen lassen.

Tag 16. Nach Besichtigung der Erdbebenregionen erreichen wir die Bergregion Minshan. Wir stärken uns am Frühstücksbuffet und fahren um 7 Uhr in Richtung Huanglong Scenic Area. Auf dem Weg dorthin erleben wir eine beeindruckende – von tibetischen Einflüssen geprägte – Berglandschaft. Auf einem Pass – und ca. 4.000 Metern Seehöhe – diskutieren wir die von früheren alpinen Gletschern beeinflusste Karstlandschaft. Der höchste Peak in dieser Bergregion ist der Xueboading mit 5.588 Metern – der erste schneebedeckte Berg unserer Exkursion.

Angekommen in der "AAAAA - Destination Huanglong" (das ist die beste Bewertung für eine chinesische Touristenregion) erfahren wir, dass die Wege außerhalb des angelegten Touristenpfades für uns nicht zugänglich sind. Wir halten uns also an den zehn Kilometer langen Holzpfad – in China bedeutet Wandern Stufensteigen. Huanglong ist als Weltnaturerbe deklariert, befindet sich auf 3.550 Metern Seehöhe und ist besonders berühmt für die farbenfrohen Kaskaden und Wasserfälle, die sich etwa 6.840 Quadratmeter über das gesamte Gebiet erstrecken. Angekommen am ersten Aussichtspunkt, haben wir eine wunderbare Sicht über die gesamte Region. Wir unterhalten uns über die Entstehung von Blockgletschern, die in diesem Gebiet häufig vorkommen. Der Name Huanglong steht für "Gelber Drache" und leitet sich von der schuppenartig angelegten Form der Kalkformationen, sogenannten Sinterterrassen, ab.

Unser nächster Halt sind die wunderschönen Sinterterrassen. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und wir werden mit strahlendem Sonnenschein verwöhnt. Wir blicken auf den Bergrücken von Huanglong, der aus metamorphem Gestein besteht. Die hellgrauen Bereiche sind ein Indiz für aktuelle geomorphologische Aktivität. Das Gebiet ist tektonisch beansprucht, was durch das Fallen der Schichtungen und der steilen Hänge und der Ablagerungen erkennbar ist. Huanglong ist zu 88,9 Prozent mit Vegetation bedeckt. 65 Prozent des gesamten Gebietes sind Wald, der sich bis auf eine Seehöhe von 3.800 Meter erstreckt.

Viele von uns freuen sich darauf, endlich ihren persönlichen Höhenrekord zu überbieten. Andere fürchten sich eher vor der Höhenkrankheit. Schon im Vorfeld wurde diskutiert, ob es nicht besser wäre, die mittägliche Nudelsuppe durch Sauerstoffflaschen zu ersetzen. Sauerstoffrationen werden entlang des Wanderweges in kleinen Hütten kostenlos bereitgestellt. Unsere chinesischen Kollegen haben zwei Flaschen dabei, perfekt als Requisit für unser Gruppenfoto "Oxygeeeeeen"!

Die Grundvoraussetzung für Sinterterrassen ist kalkhaltiges Gestein im Untergrund, das von Grundwasser durchflossen wird. Erreicht das kalkreiche Wasser die Oberfläche, verändern sich Druck, Temperatur und Sauerstoffgehalt, wodurch es zur Ausfällung des Kalks kommt. Vor tausenden von Jahren bildete sich am höchsten Punkt die erste Terrasse. Diese wurde nach und nach mit immer mehr Wasser versorgt, bis sie überschwemmt wurde – die nächste Terrasse weiter unten wurde also durch die höher gelegene gespeist usw. An manchen Stellen erscheinen die Terrassen rot bis braun, was durch die Oxidation in eisenhaltigen Mineralien hervorgerufen wird. Ist der Eisengehalt niedrig, erscheint der Untergrund eher weiß, wodurch das Wassers intensiv blau wirkt. Die verschiedenen Blautöne werden durch den Tiefenunterschied der Becken beeinflusst (Lichtbrechung im Wasser). An manchen Stellen ist Algenwuchs für die Farbgebung verantwortlich.

Auf dem Weg ins Tal queren wir weitere Terrassen und Wasserfälle. Uns fällt an einigen Stellen der Becken Vegetation auf. Manche Bäume sind mehrere Zentimeter dick mit Kalkablagerungen bedeckt. Es ist eine Frage der Zeit, bis diese Bäume nicht mehr genug Nährstoffe erhalten und absterben. Das ist auch eine Erklärung für die Baumstümpfe im Wasser. Mittlerweile haben wir uns in kleine Gruppen aufgeteilt und fotografieren und diskutieren fleißig. Teilweise erkennen wir künstlich angelegte Wasserquellen oder den Versuch mit Steinen, den Weg des Wassers in eine bestimmte Richtung zu lenken. Obwohl das Gebiet so natürlich erscheint, steht es dennoch unter menschlichem Einfluss, was uns auch der (sehr gut angelegte) Holzpfad auf dem gesamten Weg zeigt.

Nach unserer mittäglichen Instant-Nudelsuppe beschließen wir, die ursprünglich geplante Hochgebirgswanderung am Nachmittag nachzuholen. Am Rückweg halten wir wieder am Pass, der ersten Station des Tages, und ein Großteil der Gruppe lässt den warmen Bus hinter sich, um auf etwa 4.200 Meter hochzusteigen. Oben angekommen, dröhnt einigen von uns zwar ein bisschen der Kopf, das hält uns aber nicht davon ab, die geomorphologischen Strukturen unserer wunderbaren Aussicht zu diskutieren. Wir erkennen einige ältere Hangrutschungen und einen Fluss (vermutlich der Quellfluss des Fujiang Rivers), welcher sich momentan in einem geomorphologisch inaktiven Stadium befindet. Das Gestein in dem Gebirge besteht hauptsächlich aus Kalkstein und Schiefer. Wir freuen uns über einen tollen Tag in der Natur und einer ersten Kostprobe vom Yak!

Tag 17. Etwa 100 Kilometer entfernt von Huanglong liegt Jiuzhaigou, das bis in die 1970er Jahre ausschließlich von den Amdo-Tibetern bewohnt war. Die damaligen neun tibetischen Dörfer gaben dem Nationalpark seinen Namen "Neun Dörfer Tal". Seit 1992 zählt der Nationalpark mit einer Gesamtfläche von 70 Hektar (und zusätzlichen 60 Hektar, die als Pufferzone ausgewiesen sind) zum UNESCO Weltnaturerbe. Hier leben u.a. rund 30 Pandas in Freiheit. Das Tal hat eine nach Süden ausgerichtete Y-Form und besitzt durch seine Schönheit und Vielfalt an Seen, Quellen und Wasserfällen eine enorme Anziehungskraft auf TouristInnen aus aller Welt – vor allem aber aus China. Gemeinsam mit einigen TouristInnen beschreiten wir den Weg, der sich wieder aus einer Kombination von Busfahren und Treppensteigen zusammensetzt. Unser erster Halt ist der Long Lake am Südöstlichen Ende des Parks im Zechawa Tal, ca. 40 Kilometer vom Parkeingang entfernt. Der See hat eine Fläche von 930.000 Quadratmeter und ist der größte See in diesem Areal.

Das Wasser des Long Lake ist so klar, dass wir ohne Probleme auf den Grund sehen können. Das ist ein Zeichen dafür, dass der See durch unterirdische Quellen und nicht durch geröllführende Flüsse und Gebirgsbäche gespeist wird. Am Grund des Sees sind keine Sedimentablagerungen zu erkennen, weshalb die Entstehung des Sees im Vorfeld eines Gletschers ausgeschlossen wird. Dennoch ist die ursprüngliche Landschaftsform von vorzeitlichen Gletschern geprägt, was an der Form des U-Tals zu erkennen ist. An den im Wasser liegenden Baumstämmen sehen wir, dass hier früher Forstwirtschaft betrieben wurde. Im Bild ist es zwar nicht erkennbar, doch die meisten von den im Wasser liegenden Bäumen wurden eindeutig gefällt. Mit der Zeit wurden sie vermutlich durch gravitative Massenbewegungen ins Wasser transportiert.

Die zweite Station führt uns zum Upper Seasonal Lake, der wie der Name schon sagt, nur saisonal Wasser führt. Als erstes Indiz dafür fallen uns die Fahrzeugspuren auf, die quer durch den See führen. Dieser See wird hauptsächlich unterirdisch vom Long Lake gespeist, was uns das klare Wasser zeigt. Die kleinen Erhebungen und die Insel im Wasser deuten darauf hin, dass der Gletscher bis hier vorgedrungen ist. Während die alten Uferlinien ein Indiz für im Meterbereich fluktuierende Wasserstände sind, zeigt der Beginn der Vegetation am Hang die maximale Seespiegelhöhe an. Dieser See wird durch einen - von links ins Tal reichendem - Murkegel aufgestaut.

Nach unserem Mittagessen bekommen wir bei unserer Fahrt mit dem Shuttlebus zum Virgin Forest einen tollen Eindruck vom natürlichen Waldbestand. Im Wald ist es dann deutlich kühler und somit eine Erholungsoase für die NationalparkbesucherInnen. Der Niederschlag liegt bei 761 Millimeter pro Jahr und die Bäume sind teilweise bis zu 200 Jahre alt.

Der nächste Halt ist der Arrow Bamboo Lake. In diesem Tal gibt es aufgrund des Flusses einen größeren Sedimenttransport. Besonders eindrucksvoll am Arrow Bamboo Lake sind Baumstämme im Wasser, die durch fehlenden Sauerstoff konserviert wurden und dort bereits seit 2.000 Jahren liegen könnten. Teilweise sind die im Wasser liegenden Bäume mit einer Kalkkruste umgeben. Aus diesem Grund können Baumstämme in durch gravitative Massenbewegungen gebildeten Seen auch zur Bestimmung des Mindestalters von den jeweiligen Massen herangezogen werden.

Nach weiterem Treppensteigen talwärts gelangen wir zum Arrow Bamboo Lake Waterfall. Wir erkennen jetzt, dass die Anordnung der Teiche ähnlich wie bei den Sinterterrassen ist. Die hier vorhandenen Terrassen werden jedoch nicht mehr neu gebildet, sondern sind Relikte früherer Bedingungen. Beim Wasserfall sind aufgrund des hohen Kalkgehalts andere Vegetationsspezies vorherrschend als auf den angrenzenden Hängen. Aufgrund der größeren Oberfläche der Wassertropfen, gefriert der Wasserfall im Winter schneller als der See. (Text und Fotos: Huanglong, Jiuzhaigou, Alena Rabitz und Carmen Subota) Fortsetzung folgt ...