"Inszenierte Forschung" im Schauspielhaus
Redaktion (uni:view) | 25. September 2014Ilker Ataç vom Institut für Politikwissenschaft und Gin Müller vom Institut für Theaterwissenschaft gestalteten am 13. September 2014 einen Abend im Wiener Schauspielhaus. "Gaygusuz gegen Österreich" brachte historische und aktuelle Auseinandersetzungen um Rechte von MigrantInnen in den Theatersaal.

In Österreich waren ArbeitsmigrantInnen und ihre Angehörigen noch bis Ende der 1980er Jahre in ihren grundsätzlichen Rechten eingeschränkt. Die Notstandshilfe wurde Ende der 1990er Jahre, das passive Wahlrecht sogar erst 2006, verwirklicht. Ein Charakteristikum der österreichischen Politik war, dass die Rechte mit Verspätung eingeführt wurden und höhere Gerichte eine Rolle bei der Umsetzung spielten. Sei es der Verfassungsgerichtshof auf nationaler Ebene oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf europäischer Ebene. "Fünfzig Jahre Geschichte der Arbeitsmigration nach Österreich – mit der Veranstaltung 'Gaygusuz gegen Österreich' möchten wir zeigen, welche Bedeutung Rechtsanwälte, migrantische Aktivisten, Beratungszentren und NGOs für die Durchsetzung dieser Rechte hatten", erklärt Ilker Ataç.

Zahlreiche Gäste kamen am Samstag, den 13. September, ins Schauspielhaus, um die szenische Erzählung "Gaygusuz gegen Österreich. Oder von der Nützlichkeit der 'Gast'-arbeiter_innen" zu sehen. Die Veranstaltung fand in Koproduktion mit dem VIDC, dem Wiener Institut für Internationalen Dialog, und der "Wien Woche" statt.

Die Geschichte von Cevat Gaygusuz, der als "Gastarbeiter" für die Gewährung der Notstandshilfe bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zog, inspirierte die Veranstaltung. Helmut Blum aus Linz erzählte von dem Instanzenzug, bei dem er Herrn Gaygusuz als Rechtsanwalt vertrat. 1996 entschied der EMGR zugunsten von Gaygusuz, 1999 wurde das Recht auf Notstandshilfe auch für ausländische StaatsbürgerInnen umgesetzt.

Mümtaz Karakurt und Vladimir Polak, von "migrare" aus Linz, führten in den 1990er Jahren einen beispielhaften Gerichtsprozess, um das passive Wahlrecht auf Betriebsratsebene zu erlangen. Nach einem zwölf Jahre langen Prozess bis zum UNO Menschenrechtsausschuss wurde eine Gesetzesänderung erreicht und 2006 die Mitbestimmungsrechte für MigrantInnen in Österreich ausgeweitet.

Die interaktive Gestaltung löste die klassische Trennung zwischen ZuseherInnen und ProtagonistInnen auf. Das Publikum konnte der Geschichte der Landarbeiterin Codruța Ostafi, die im Oktober 2013 gemeinsam mit 50 KollegInnen die Auszahlung ihrer Überstunden in Tirol forderte, nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne verfolgen und Fragen an die Erzählerin Katharina Kronhuber stellen.

Ein Video, bestehend aus einer Collage von Presseberichten, Fotos sowie Plakaten, begleitete die Veranstaltung. llker Ataç und Katharina Kronhuber recherchierten dafür in öffentlichen und privaten Archiven und führten Interviews mit ProtagonistInnen. Die BesucherInnen waren begeistert: Seriöse Forschung und Bühnenarbeit in einer zugänglichen Inszenierung. (Text und Fotos: Katharina Kronhuber und WIENWOCHE/ Drago Palavra)