Im universitären Wald
Petra Schiefer (uni:view) | 15. Juli 201130 Grad und keine Lust auf ein überfülltes Freibad? Dann rauf aufs Rad – oder in die Straßenbahnlinie 71 – und ab in den Botanischen Garten. Über 1.500 Bäume und Sträucher sorgen dort für eine angenehme Kühle und unter einem der geschichtsträchtigen Gehölze findet sich sicher das ideale Plätzchen für eine entspannte Lesepause. Am Ende kann man sich sogar einiges an Pflanzenwissen mit nach Hause nehmen. Denn es sind vor allem botanisch und gartenbaulich interessante Baumarten, die auf den acht Hektar Grünfläche der Universität Wien kultiviert werden und gleichzeitig ein wertvolles Refugium für zahlreiche Tierarten darstellen.
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Ein Wegweiser des Botanischen Gartens ist der sich überkreuzende Wipfel einer Tanne, die bereits von weitem gut sichtbar ist und den BesucherInnen die Richtung zum Eingang zeigt.
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Ein kleiner Urwald mitten in Wien: Ein Teil des Botanischen Gartens, die ehemalige geographische Gruppe, ist für BesucherInnen gesperrt und wird nur extensiv gepflegt – nur so bleibt sein verwilderter Charakter mit viel Totholz erhalten. Zwischen den vielzähligen "exotischen" Bäumen finden sich auch vereinzelt einheimische Bäume.
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Die zahlreichen Tiere – wie hier das Eichhörnchen auf dem Rispigen Blasenbaum (Koelreuteria paniculata) links – fühlen sich im innerstädtischen Biotop am Rennweg sichtlich wohl. Gerade "tote" Bäume bieten – in Städten selten zu findende – Brut- und Heimstätten für verschiedenste Tiergruppen und erzählen außerdem zahlreiche Geschichten über die Vergangenheit des über 250 Jahre alten Gartens.
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Wer ist älter? Die Platane oder der Ginkgo? Über das genaue Alter streiten sich die Geister – gewiss ist nur, dass beide über 200 Lenze zählen und wichtige zeithistorische Zeugen sind. Die beiden eindrucksvollen Bäume stehen direkt vor bzw. neben dem Gebäude, in dem das Fakultätszentrum für Biodiversität mit verschiedenen Departments beheimatet ist und stammen noch aus jener Zeit, als Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin Direktor des Botanischen Gartens war.
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Die Birke einmal anders: Mit dieser besonderen Rinde fällt die Schwarz-Birke (Betula nigra) den BesucherInnen sofort ins Auge. Die Fasern der Borke des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia papyrifera) wurden früher in China und Japan zur Papierherstellung genutzt.
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Diese Rotbuche (Fagus sylvatica) scheint älter als sie ist: Ihre mächtige Gestalt ist auf einen Trick zurückzuführen, den die GärtnerInnen bereits in den Landschaftsparks des 18. Jh. gerne angewendet haben. Um in kurzer Zeit einen scheinbar alten großen Baum mit ausladenden Kronen zu erhalten, pflanzten sie drei oder mehr Jungbäume in eine Pflanzgrube. Diese verwuchsen miteinander und bildeten schließlich eine große Baumgestalt.
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Die Südbuche oder Scheinbuche (Nothofagus) ist das südliche ökologische Gegenstück zu den Buchen (Fagus) der Nordhalbkugel. Eine Art wächst auch im Botanischen Garten: Nothofagus antarctica. Wer mehr Arten der Gattung ohne große Reise sehen möchte, kann im Garten von Wakehurst Place (bei London) durch kleine Wäldchen mit rund zehn verschiedenen Nothofagus-Arten spazieren. Ansonsten ist die Südbuche auf der Südhalbkugel – von Chile über Peru bis nach Neuseeland – beheimatet.
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Alter vor Jugend? Junge, nicht winterharte Bäume – wie links im Bild der Kampferbaum (Cinnamomum camphora) und rechts ein Diospyros aus der Familie der Ebenholzgewächse (Ebenaceae) – sind im Botanischen Garten nicht weniger wertvoll: Letzterer ist wichtiger Bestandteil eines aktuellen FWF-Projekts, in dem Projektleiterin Mary Rosabella Samuel die Verwandtschaften des stark durch Übernutzung und Schlägerungen unter Druck geratenen Edelholzes untersucht (lesen Sie dazu auch: "Auf den Spuren der göttlichen Birne" unter "Weiterführende Links" am Textende).
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2010 wurden die Wildobstbäume – wie die Schneebirne – zu den "Bäumen des Jahres" in Österreich auserkoren: Zwei Schneebirnen wachsen in Gruppe acht im Botanischen Garten. Die Art wurde von Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin beschrieben. Weil sie von den heimischen Bauern wegen ihrer weißen Blätter als Schneebirne bezeichnet wurde, nannte er sie "Pyrus nivalis". Obwohl ihre Früchte für den Menschen nicht direkt genießbar sind, handelt es sich um eine wichtige, alte Wildobstart. Aufgrund ihres sehr dichten Kronenaufbaus bietet die Schneebirne einen wertvollen Brutplatz und Lebensraum für Vögel und Insekten. Schöne Bäume dieser Art findet man auch am Bisamberg.
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Die Schwarzpappel (Populus nigra ssp. nigra) steht exemplarisch für das Artensterben. Die vor allem in den Auwäldern beheimatete Baumart ist gleichzeitig mit diesen natürlichen Wäldern aus dem Landschaftsbild verschwunden. Von den wenigen verbliebenen in den Donau- oder Marchauen hat sich ein Großteil mit anderen eingeschleppten Pappelarten vermischt (hybridisiert) oder ist von diesen verdrängt worden. Die reine Schwarzpappel ist so stark dezimiert worden, was einen großen Verlust für das Ökosystem "Auwald" und das österreichische Waldsystem im Allgemeinen bedeutet.
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Ein Blick auf die Mammutbäume des Botanischen Gartens (Im Bild der Riesenmammutbaum Sequoiadendron): Die Bäume sind ein Beispiel für den Konflikt zwischen Naturwäldern und Holznutzung. Vor allem das Holz des amerikanischen Küstenmammutbaums (Sequoia sempervirens) – der auf einem über 750 km langen Küstenstreifen im Westen der USA wächst – ist aufgrund seiner Termitenresistenz sehr wertvoll für die Holzindustrie. Weil die Wälder stark bedroht waren, stehen heute einige Flächen unter Schutz. Der Großteil wird nach wie vor von der Holzindustrie genutzt. Den Namen "Sequoia" hat die Gattung von Stephan Ladislaus Endlicher, Philologe, Botaniker und ehemaliger Direktor des Botanischen Gartens. Er wollte damit wahrscheinlich den Cherokee-Indianer Sequoyah ehren, der zusammen mit seiner Tochter Ah-yoka die Schrift, bestehend aus 86 Zeichen, für die Cherokee-Indianer erfunden hat.
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Ein kleiner Küstenmammutbaum, links im Bild, war das Geschenk einer Wienerin an den Garten. Obwohl er starke Fröste nicht gewohnt ist und eigentlich feuchte, nebelige Pazifikluft den pannonischen Sommern vorzieht, fühlt er sich hier erstaunlich wohl: Innerhalb von vier Jahren ist er bereits um das Doppelte gewachsen. Der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron), gleich daneben, zeigt hingegen ganz offen sein Problem: Er ist von einem Blatt- und Sprosspilz befallen. Der vermutete Pilz – bisher in Europa nicht nachgewiesen – frisst sich regelrecht von der Basis nach oben in die Spitze durch und wird derzeit untersucht. Er könnte die Mammutbäume schon bald aus dem Garten verschwinden lassen.
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Der jüngste gepflanzte Baum im Botanischen Garten ist eine Berg-Ulme (Ulmus glabra). Im Garten standen in der Vergangenheit viele große alte Ulmen. Das "Ulmsterben" Anfang und Mitte des 20.Jh. hat jedoch dafür gesorgt, dass der Baum aus dem Wiener Stadtbild fast vollständig verschwunden ist und es fast keine alten Ulmen mehr gibt. Ein Pilz befällt die Leitungsbahnen des Baumes, worauf dieser mit Abschottung reagiert und das weitere Vordringen des Pilzes – und die Wasserversorgung – stoppt. Der Baum verdurstet. Bei dem neu gepflanzten Baum handelt es sich um einen resistenten Klon der Berg-Ulme. Zwar gibt es im Garten noch spontan keimende und wachsende Ulmen-Hybriden, die aber – nachdem sie Früchte getragen und sich vermehrt haben – im zarten Alter von 20 bis 40 Jahren sterben. Obwohl die Ulme ursprünglich im Wiener Wald beheimatet war, wächst sie nur mehr an wenigen Standorten.
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Die Banane des Nordens (Asimina triloba) gehört zu den Anonengewächsen, eigentlich subtropische-tropisch verbreitete Pflanzen, doch hierbei handelt es sich um eine winterharte nordamerikanische Art. Der Sassafras albinum (re. im Bild) wächst in Nordamerika in der Nähe von Bächen und hat dort als "Unkraut" eher keinen sonderlich guten Ruf. Vor allem seine vielen Wurzelausläufer nach Schlägerung sind forstwirtschaftlich oft problematisch. Die weißen Einwanderer haben es den Ureinwohnern Nordamerikas nachgemacht und das nach Lorbeer duftendes Holz z.B. zum Grillen verwendet. Die zahlreichen pharmazeutischen und kosmetischen Produkte, die aus der Pflanze gewonnen werden, sind in der EU nicht zugelassen, da ihre Inhaltsstoffe als krebserregend (Leberkrebs) identifiziert wurden.
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Es gibt nur mehr wenige große alte Exemplare der Weymouth-Kiefern (Pinus strobus). Sie waren vor allem in den Appalachen, den Gebirgen an der Ostküste bis zu den großen Seen Nordamerikas zu finden. Heute ist die Weymouth-Kiefer eine forstwirtschaftlich bedeutende, weit verbreitet Art. Ihr haltbares, gut zu bearbeitendes Holz wurde den natürlichen Altbeständen jedoch früh zum Verhängnis: Bereits die weißen Einwanderer haben die Kiefern stark genutzt und ihre Stämme u.a. als Mastbäume für ihre Segelschiffe verwendet. Ganze Städte wurden mit dem Holz dieser Kiefernart im Osten und mittleren Westen der USA errichtet.
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Die unscheinbare Sachalin-Fichte (Picea glehnii, im Bild oben) fällt erst auf den zweiten Blick auf. Eigentlich erst dann, wenn man sich in "Riechweite" befindet. Denn ihre kurzen Nadeln (unten) verströmen einen fruchtigen Zitronenduft. Sie ist auf Sachalin (eine russische Insel im Pazifik) und in Japan beheimatet und ein Gehölz der subalpinen und alpinen Hochlagen. Wie auch die Zirbe (Pinus cembra), die u.a. in Österreich beheimatet ist und Baum des Jahres 2011 ist. Letztere ist im Alpinum des Botanischen Gartens zu finden.
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Die seltene Elsbeere (Sorbus torminalis) ist der Baum des Jahres 2011 Deutschlands. Im Botanischen Garten finden sich einige österreichische Kleinarten und Natur-Hybriden der Gattung Sorbus –, wie diese Donau-Mehlbeere Sorbus danubialis (li. und re. im Bild), die nur in den Hainburger Bergen und im Mölltal in Kärnten vorkommt. Die Natur-Hybriden sind über viele Jahre und Generationen stabil (spalten nicht auf), da sie sich über Samen – aber ungeschlechtlich – fortpflanzen. Es kommt zur Samenbildung ohne sexuellen Prozess (Apomixis).
Neuste Art im Botanischen Garten ist die Serpentin-Mehlbeere (S. austriaca ssp. serpentini, ohne Bild), von der einige Wurzelrisslinge aus dem Burgenland mitgebracht wurden und die für die gerade neu entstehende Lehrgruppe "Trockenrasen über Serpentin" kultiviert werden. Diese Kleinart ist taxonomisch noch unklar. Die Pflanzungen an verschiedenen Standorten im Botanischen Garten können künftig als Grundlage für Untersuchungen einen Beitrag zur Klärung des Status dieser Sippe und ihrer Ökologie beitragen.
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Nach der spannenden und lehrreichen Führung durch den Botanischen Garten der Universität Wien bieten die alten Bäume ein willkommenes, schattiges Plätzchen zum Pausieren: Ein heißer bzw. kühler Tipp für pannonische Sommertage.
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Vom Lieblingsbaum von Frank Schumacher (im Bild), der die Redakteurin von "uni:view" durch den Botanischen Garten geführt hat, gibt es leider kein Bild: Der Baum ist im letzten Jahr durch Morschung im Stamm zusammengebrochen. Es ist der Kaukasische Kreuzdorn (Rhamnus emeretinus). Seine hellgrünen über 20 cm großen Blätter wirkten schon fast tropisch und der nur sechs Meter hohe Baum streckte seine Äste über elf Meter in die Fläche und produzierte so einen ganz besonderen lichten weiten Schatten. Diese Pflanze war ein Traum von einem Kletterbaum. Aus dem Stammfuß des über hundertjährigen Exemplars kommen nun neue Triebe. "Wir halten diesem besonderen Baum, wahrscheinlich vom originalen Standort stammend, die Treue, damit in einigen Jahrzehnten wieder Studierende und BesucherInnen staunen können", so Schumacher. (Text und Fotos: Petra Schiefer)
Dipl.-Ing. Frank Schumacher von der Core Facility Botanischer Garten, der die Redakteurin von "uni:view" durch den Garten begleitete, ist unter anderem für die Gartenführung "Die Gehölzsammlung im Botanischen Garten" verantwortlich.
Gartenführungen:
Mai und September: jeden Mittwoch
Juni-August: jeden zweiten und dritten Mittwoch im Monat
Treffpunkt jeweils 16.30 Uhr beim Gartenportier nächst dem Garteneingang Mechelgasse/Praetoriusgasse
1030 Wien
Weitere Informationen
Eintritt frei!
- Dossier "Jahr der Wälder"
- Botanischer Garten der Universität Wien
- Gartenführungen im Botanischen Garten im Archiv (ehem. "dieUniversität-online")
- Dossier "Botanischer Garten"
- Artikel "Auf den Spuren der göttlichen Birne"
- Artikel "Bäume des Jahres 2010 sind Wildobstbäume" auf der Webseite des Lebensministeriums