Auf den Spuren der göttlichen Birne

Neukaledonien ist ein Paradies für BotanikerInnen und Naturbegeisterte: Mit 3.200 Pflanzenarten zählt die Inselgruppe im südlichen Pazifik zu den artenreichsten Orten der Welt. Die Gattung "Diospyros" – auch als Ebenholzbäume oder Dattelpflaumen bekannt – ist mit 31 Arten auf der Inselgruppe vertreten. Wie es in Neukaledonien zur Entstehung einer derartigen Vielfalt kommen konnte, untersucht die Botanikerin Mary Rosabella Samuel im FWF-Projekt "Evolution and Biodiversity of New Caledonian Diospyros".

Wörtlich übersetzt bedeutet Diospyros "die göttliche Birne". Als Mitglied der Familie der Ebenholzgewächse kommt sie vor allem im pantropischen Raum vor. In Europa kennen wir die Pflanzen und besonders die Früchte einer bestimmten Art – des Kakibaums (Diospyros kaki) – vorwiegend aus botanischen Gärten oder dem letzten Spanien- bzw. Italien-Urlaub. Von den weltweit insgesamt 500 vorkommenden Arten sind 31 in Neukaledonien zu Hause.

Von unverdauten Samen, …

Die Diospyros zählt zu den größten Gattungen unter den Bedecktsamern. "Im Gegensatz zu den Nacktsamern schließen diese Pflanzen ihre Samenanlagen in ein Fruchtblatt ein. Deshalb sind es meist Vögel, die die Samen über ihren Verdauungstrakt 'transportieren' und somit verbreiten", erklärt Mary Rosabella Samuel vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung.

Zusammen mit der PhD-Studentin Barbara Turner und einem internationalen Team aus WissenschafterInnen will sie klären, warum die Diospyros in Neukaledonien eine so große Artenvielfalt hervorbringen konnten. "Denn von den 31 neukaledonischen Diospyros-Arten sind – bis auf die D. fasciculosa – alle endemisch! Das heißt, sie sind nur hier zu finden", betont Samuel.

… dem uralten Gondwana …

Die ForscherInnen unterscheiden zwischen paleo-endemischen und neo-endemischen Pflanzen: Erstere sind die so genannten "Alteinwanderer", die sich bereits vor 85 Mio. Jahren – als Neukaledonien noch mit Australien auf dem Urkontinent Gondwana vereint war – angesiedelt haben.

"Als die Kontinente auseinanderzudriften begannen, waren es auch hier wieder vor allem die Vögel, welche die Pflanzensamen – über längere Inselstraßen hinweg – nach Neukaledonien brachten", erzählt Barbara Turner. Während die Fachwelt noch darüber streitet, inwieweit sich die neo-endemischen neukaledonischen Diospyros-Arten wirklich als einzelne Arten untereinander abgrenzen, gehen Samuel und Turner der Frage mit der sogenannten AFLP-Methode (Amplified Fragment Length Polymorphism) auf den Grund.

… und entwässerten Blättern

"Da wir bei dieser Methode die DNA der Pflanzen untersuchen, benötigen wir frisches Probenmaterial", erklärt Turner, die im Februar für sechs Wochen zur Probennahme nach Neukaledonien fliegt. Beim Sammeln und Beobachten der Pflanzen – deren Bestäubung, Blütezeit, etc. müssen ganzjährig aufgezeichnet werden – greift das ForscherInnenteam auf studentische Hilfe aus Neukaledonien zurück.

"Wir geben die Blätter der Pflanzen – von jeder Art benötigen wir fünf verschiedene Proben – sofort in Säckchen mit Silicagel (Kieselgel), damit sie schnell entwässert werden und die DNA nicht zerbricht", erklärt die junge Wissenschafterin weiter. Silicagel ist ein Trocknungsmaterial, das wir – abgepackt in kleinen weißen Säckchen – mitunter als Beilage in neu gekauften Handtaschen oder Schuhen finden.

Kerngenome im Fokus

Anschließend zermahlen die ForscherInnen die trockenen Blätter zu einem feinen Pulver und untersuchen ihre DNA. "Dabei vergleichen wir die geschnittenen DNA-Fragmente miteinander: Einerseits, um zu sehen, worin sich die Arten unterscheiden, und um andererseits deren Entstehung zu rekonstruieren", fährt die Projektleiterin Samuel fort. Der Fokus liegt vor allem auf den Kerngenomen, da diese sowohl auf die mütterliche als auch auf die väterliche Linie schließen lassen.

Komplizierte Verwandtschaften

"Da es zwischen den Basen-Paaren der neukaledonischen Diospyros-Arten – wir haben bereits 8.000 davon untersucht – kaum Unterschiede gibt, handelt es sich entweder um sehr enge Verwandte oder um sehr junge Arten, die noch nicht die Zeit hatten, eine unterschiedliche DNA zu entwickeln", erklärt Samuel. Ob die verschiedenen Arten über Kreuzungen, aufgrund räumlicher Trennung oder durch Verdopplung der Chromosomensätze entstanden sind, soll im Laufe des Projekts geklärt werden.

"Wenn wir die Entstehungsgeschichte der Arten rekonstruieren und klare Grenzen zwischen den Spezies definieren können, haben wir unser wichtigstes Projektziel erreicht", betont die aus Sri Lanka stammende Botanikerin. Um die Frage zu klären, ob die verschiedenen Arten in Neukaledonien alle von einer Spezies abstammen, oder ob ihre Vorfahren auf anderen Kontinenten zu Hause sind, ist eine internationale Zusammenarbeit geplant: "Wir haben bereits Material aus Thailand sowie aus Sri Lanka und warten noch auf welches aus Südamerika."

Wenn das Forschungsteam rund um Mary Rosabella Samuel beweisen kann, dass es sich bei den neukaledonischen Diospyros um eigene Arten handelt, könnten diese besser geschützt werden: "Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität auf der südpazifischen Inselgruppe", so Samuel und Turner. (ps)

Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Mag. Dr. Mary Rosabella Samuel vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung leitet das FWF-Projekt "Evolution and Biodiversity of New Caledonian Diospyros", das von 6. September 2010 bis 5. September 2013 läuft. ProjektmitarbeiterInnen sind Mag. Barbara Turner vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung, Dr. Sutee Duangjai von Faculty of Forestry der Kasetsart University in Thailand, Dr. Jerome Munzinger vom Institut de recherche pour le développement in Neukaledonien, Dr. Bruno Wallnöfer vom Naturhistorischen Museum Wien und Prof. Mark W. Chase von den Royal Botanic Gardens, Kew.