Die grüne Insel ruft (Tag 20 & 21)
Gastbeitrag von Karolin Döringer und Alexander Hollaus | 27. Februar 2015Auch die schönste Reise ist irgendwann zu Ende. Bevor es wieder zurück nach Wien geht, besuchen die Studierenden die Poverty-Bay sowie die Kiwis im "Rainbow Springs"- Park. An ihrem vorletzten Tag in Neuseeland haben sich die GeographInnen aber noch einen Abstecher zum "Hot Water Beach" verdient.
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20. Februar: Heute begleitet uns Mike Marden vom Landcare Research in Gisborne. Auf einem Aussichtspunkt erklärt er uns die Geschichte der Stadt: Im Jahr 1769 landete Captain Cook mit seinem Boot in der Bucht von Gisborne – der Poverty-Bay. Die ersten europäischen SiedlerInnen ließen sich zwischen 1840-1860 nieder und betrieben Landwirtschaft. Um das Land nutzbarer zu machen, wurde der Wald von der Küste weg immer weiter ins Landesinnere gerodet. Mitte des 20. Jh. erkannte die neuseeländische Regierung jedoch die Probleme, die mit einer extensiven Abholzung einhergingen: Rutschungen, Gullys, Erdfließen und erhöhte Erosionsraten, die Auswirkungen auf die Hänge, Flüsse und Buchten hatten. Aufgrund dessen wurde in den 60er Jahren ein Wiederaufforstungsprogramm angesetzt und auf flächenhafte Forstwirtschaft umgestellt. Das hatte jedoch Folgen für den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote stieg an und "Geisterdörfer" blieben zurück. Dies betraf v.a. Maoris, die rund 50 Prozent der Bevölkerung in diesem Gebiet ausmachen.
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Der Ausblick auf Gisborne und der Poverty-Bay: Gisborne hat rund 30.000 EinwohnerInnen, die gesamte Region 60.000. Im Hafen von Gisborne werden ausschließlich Holzstämme Richtung Asien (meist Japan, China, Korea) exportiert. Der Export der Rohstoffe stellt für die Region einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Täglich erreichen rund 300 Lastwagen mit Holzstämmen aus den umliegenden Wäldern den Hafen und werden umgeschlagen. Aufgrund der geringen Wassertiefe werden die Schiffe jedoch nur halb gefüllt. Sie fahren dann nach Napier, wo sie maximal beladen werden, um dann nach Asien weiter zu fahren.
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Um die Nachfrage nach Holz von Forstbetrieben zu decken, werden in der Region viele Aufzuchtstationen für Bäume (Plant Nursery) betrieben. Spontan bietet sich für uns die Gelegenheit, einen Betrieb näher anzusehen, in dem vier Festangestellte und je nach Jahreszeit und Arbeitsaufkommen 10 bis 15 temporäre ArbeiterInnen beschäftigt sind. Auf dem Areal könnten rund 18 Millionen Bäume alle neun Monaten aufgezogen werden – derzeit sind es aufgrund der geringen Nachfrage jedoch nur etwa fünf Millionen. In weiterer Folge werden die Setzlinge mittels einer Box zu ihrem Bestimmungsort – meist per Hubschrauber – geliefert und dort eingepflanzt.
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Durch die massive Entwaldung Ende des 19. Jh. und aufgrund des weichen Ausgangsgesteins ("Mudstone" bzw. verfestigter Tonschlamm) erhöhte sich durch eine anfängliche Rinnenerosion, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem riesigen Gully ausgeweitet hat, die Abtragungsrate. Dadurch wurde das Gelände enorm zerschnitten. Das Foto zeigt eine ausgeprägte Gully-Erosion im Waipaoa-Catchment. Man bezeichnet dieses System als "Gully-Landslide-Complex". Ende der 1930er Jahre hatte die Gully Erosion in diesem Gebiet bereits ein Ausmaß von zwölf Hektar. Vor 15 Jahren hatte sich die Fläche auf 27 Hektar mehr als verdoppelt. Bepflanzungsversuche mit Bäumen zur Befestigung blieben erfolglos, da sich die Gullys bereits zu sehr ins Gelände eingeschnitten hatten und daher die Bäume beim nächsten Sturmereignis unterspült wurden und verloren gingen. Somit ist die Fläche nicht mehr nutzbar für Menschen. Es kann aufgrund der Größenordnung auch nicht mehr in diesen Prozess eingegriffen werden.
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Ein Blick auf ein entwaldetes Gebiet, in dem neben Rutschungen und Gullys vor allem Erdfließen als wesentlicher Prozess den Materialabtrag bestimmt. Der Zeitraum zwischen der Abholzung der Bäume bis zur Wiederbepflanzung und der Entwicklung stabilisierender Wurzeln der Bäume ist von besonderer Bedeutung für die Erosion. Dieses "Window of erodability" bietet Wasser, besonders bei Sturmereignissen, die Möglichkeit ohne große Hindernisse den Boden abzutragen und das Land in letzter Konsequenz nutzlos zu machen. Auch für die darunterliegenden Flussabschnitte haben die immensen Sedimentanlieferungen massive Konsequenzen, u.a. haben sich einzelne Abschnitte um mehr als 20 Meter über die gesamte Talbreite aufgeschottert.
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Nach zweieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir wieder die vulkanische Zone (Taupo-Volcanic-Zone) am Meer in der Bay of Plenty. Es handelt sich um eine aktive Zone, die eine Verlängerung des Mount Ruapehu, den wir bereits vor einigen Tagen besucht und erklommen haben, darstellt. Bei diesem kurzen Aufenthalt erkennen wir in weiter Ferne mehrere Vulkankegel, wobei ein Kegel als "White Island" bezeichnet wird. Dieser weit in der Bay of Plenty vorgelagerte Vulkan ist zurzeit besonders aktiv und deshalb auch bei TouristInnen sehr beliebt.
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1987 ereignete sich in der Umgebung von Edgecumbe in der Region Bay of Plenty ein schweres Erdbeben, wobei ein Höhenversatz von zwei bis drei Meter auf 70 Kilometer entstanden ist. Auf dem Bild ist die Bruchlinie noch deutlich zu sehen, auch wenn der Versatz bereits von Vegetation und Erosion überprägt wurde. Zur damaligen Zeit wurde die Stadt Edgecumbe fast vollständig zerstört und die Verkehrswege und die Versorgungsleitungen wurden unterbrochen. Auch eine Eisenbahn wurde aus den Gleisen geworfen. Das Gebiet ist durch die Verwerfungszone weiterhin potenziell erdbebengefährdet.
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21. Februar: Am letzten Tag vor unserer Heimreise starten wir eine Tour durch den "Rainbow Springs"- Park in Rotorua. Hier besuchen wir eine Kiwi-Aufzucht-Station, in der zur Zeit 16 Kiwis aufgezogen werden. Der Kiwi ist ein einheimischer, flugunfähiger Vogel, der nur nachts aktiv ist und deswegen selten gesehen wird. Der North Island Brown Kiwi kann bis zu 2,6 kg schwer werden und erreicht ein Alter von 50 bis 60 Jahren. Kiwis sind nicht nur aufgrund ihrer besonders schweren Knochen, sondern auch aufgrund ihrer Nasenlöcher, welche sie am Ende ihres langen Schnabels tragen, außergewöhnlich. Eine weitere Besonderheit von Kiwis ist, dass ihre Eier groß und sehr schwer für ihre Größe sind: Sie machen 20 Prozent ihres eigenen Körpergewichts aus. Wir erfahren außerdem, dass heute noch etwa 70.000 Kiwis leben, wobei sich die Anzahl der Tiere durch die Einfuhr von Säugetieren aus anderen Ländern nach wie vor drastisch verringert.
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Der Park "Rainbow Springs" beschränkt sich nicht nur auf die Aufzucht von Kiwis, sondern beherbergt noch weitere heimische und exotische Tierarten. Darunter befinden sich 16 verschiedene ansässige Vogelarten, mehrere Fischarten – wie Regen-, Bach-, und Tigerforellen – sowie zahlreiche Reptilien. Die neun Hektar große Parkanlage gibt auch einen Einblick in die indigene Vegetation, zu welcher der Silberfarn, Manuka, Rimu, Kauri und viele mehr zählen. Wir erhalten einen Überblick über Neuseelands Flora und Fauna und können nun die vielen bisher gesehenen Dinge besser einordnen.
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Rotorua ist neben Auckland und Queenstown eine der drei beliebtesten Touristenzentren Neuseelands. Outdooraktivitäten, Thermalquellen und Schwefelbäder zählen zu den Hauptattraktionen. In dieser Region ist die Maori-Kultur besonders touristisch aufbereitet, z.B. in Form von Tanz-Aufführungen oder Führungen durch Maori-Siedlungen. In und rund um Rotorua haben die Maori die Geothermie schon früh genutzt – z.B. zum Kochen – und sich hier angesiedelt. Heute machen sie noch 20 Prozent der ansässigen Bevölkerung aus.
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Die hier vorkommende Geothermie lässt sich durch die Tatsache erklären, dass sich Rotorua innerhalb der Taupo Volcanic Zone auf einer aktiven Verwerfungszone befindet. Dort, wo heute der Rotorua-See vorzufinden ist, befand sich eine große Magmakammer. Diese entleerte sich durch einen großen Ausbruch in vermutlich mehreren Vulkanen rund um den heutigen Rotorua-See, woraufhin die Decke der Kammer eingebrochen ist und sich in weiterer Folge mit Wasser gefüllt hat. Dieser See ist aufgrund seiner Entstehung nur etwa 20 bis 30 Meter tief und wird besonders intensiv für Wassersporttätigkeiten genutzt.
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Am Nachmittag machen wir einen Abstecher zum "Hot Water Beach" auf der Coromandel Peninsula. Seinen Namen verdankt dieser kurze Strandabschnitt dem Umstand, dass sich an dieser Stelle heiße Quellen im Sand befinden. Erwärmt wird das Wasser unter der Erdoberfläche dadurch, dass die Erdkruste hier besonders dünn ist und so die Wärme aus dem Erdinneren die darüber liegenden Schichten mit dem enthaltenen Grundwasser erhitzt. Jahrelang war dies ein Geheimtipp. Heute ist auch diese Stelle touristisch erschlossen – wie das Bild zeigt. Vor dem Einsetzen der Flut gibt es ein kurzes Zeitfenster, in dem man sich eigene heiße Pools am Strand schaufeln kann.
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Nach einer 30-minütigen Wanderung gelangen wir zur sogenannten "Cathedral Cove" in der Nähe von Hahei. Diese formte sich in Folge von einem oder mehrerer Vulkanausbrüche, die Glutlawinen (Pyroklastische Ströme) auslösten. Das Material, das sich hier ablagerte, stammte direkt aus dem Inneren des Vulkans, das nach dem Ausbruch an den Flanken hinunterfloss. Nach der Ablagerung erodierte das Meer das Material, weshalb u.a. dieser Durchbruch entstand. Zu erkennen sind diese alten Ascheablagerungen an ihrer hellen Farbe, der feinen Matrix sowie den unsortierten, kiesgroßen Einschlüssen. ENDE
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