Die grüne Insel ruft (Tag 18 & 19)
Gastbeitrag: Moritz Bernglau, Wilhelm Blocher, Daniela Hager, Alexandra Teufel | 26. Februar 2015Nach dem Schafscheren geht es über die "Gentle Annie Road" ins neuseeländische Hinterland. Am nächsten Tag fahren die Geographie-Studierenden der Universität Wien Richtung Gisborne, eine Region, in der die Schafzucht und Forstwirtschaft eine wichtige Rolle spielen.
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18. Februar: Nach einer – gemeinsam mit den Maoris in ihrem Versammlungshaus Whitikaupeka – verbrachten Nacht, geht es nach dem Frühstück zu einer Führung in die örtliche Schafscherstation. Trotz der zum Teil folkloristischen Verklärung des Schafscherens wird deutlich, dass der Vorgang des Scherens mit den Nebenarbeiten, wie Sortieren und Pressen der Wolle, körperliche Schwerstarbeit ist. Die Tätigkeit wird fast ausschließlich von Maoris durchgeführt, wobei sich schon "Dynastien" gebildet haben.
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Die Fahrt führt über die sogenannte "Gentle Annie Road", einer Scenic Route von Taihape Richtung Napier. Den ersten Halt dieses Tages machen wir dort, wo die extensive Viehwirtschaft, vor allem Schafhaltung, zur intensiven, bewässerungsabhängigen Milchwirtschaft übergeht. Durch die relative Abgeschiedenheit stellt dieses Gebiet ein typisches Stück neuseeländischen Hinterlandes dar – das "New Zealand Backcountry".
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Der nächste Stopp ist am Standort eines ehemaligen "Landings" in einem rund fünf Jahre alten Aufforstungsgebiet. Da in Neuseeland die Holzernte als Kahlschlag und sofortiger Wiederaufforstung erfolgt, benötigen die Waldeigentümer drei bis vier Jahre bis die nachwachsenden Setzlinge den Boden wieder ausreichend stabilisieren können. Bei Starkregenereignissen während dieses "Window of Opportunity" können erhebliche und flächenhafte Schäden durch gravitative Massenbewegungen entstehen.
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Nachdem wir die südlichen Ruahine Range und die nördlichen Kaweka Range verlassen haben wird die Landschaft wieder flacher und ist zum Gebirge leicht geneigt. Das Gebiet besteht wieder aus marinen Tonen, überlagert von vulkanischen Aschen. Auf diesen Ablagerungen können sich agrarwirtschaftlich hochwertige Böden entwickeln. Auch deshalb wird die Viehwirtschaft durch Obst- und Weinbau abgelöst.
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Im HBRC (Hawke's Bay Regional Council) halten Stephen Swabey, Mike Adye, Graeme Hansen und Brendan Powell Vorträge zur geologischen Entwicklung des Gebietes, den Auswirkungen des Erdbebens vom 3. Februar 1931 und den Versuchen einer Speicherung von Wasser als Grundwasser: Diese Form der Speicherung wäre wesentlich kostengünstiger als die Errichtung eines Speicherdamms. Die Hebung durch das Erdbeben bewirkt eine zunehmende Aufschotterung der Flüsse durch Napier. Der HBRC versucht dies durch kommerziellen Abbau der Flussschotter einerseits und durch Aufpflügen des Flussbodens andererseits zu bekämpfen. Letzteres soll dazu führen, dass die natürliche Bachbettpflasterung aufgerissen wird, und auch kleinere Fluten das sich verfestigende Material transportieren können. Zuletzt wurde noch der in Ausschreibung befindliche Ruataniwha Damm vorgestellt, der durch das Tukituki Einzugsgebiet gespeist werden soll. Es wurde in der Planungsphase versucht, auf alle Problemstellungen – wie tektonische Verwerfungen, Aktivierung von bekannten Massenbewegungen, zu erwartende Sedimentmengen aber auch das Einvernehmen mit dem lokalen Iwi der Maori – einzugehen.
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Letzter Halt des Tages ist am Bluff Hill Lookout – ein Aussichtpunkt über der Stadt. Hier wird die Bedeutung des Hafens sowohl als Containerumschlagplatz als auch für den Tourismus deutlich sichtbar. Vorwiegend werden von hier aus jedoch Holzstämme aus den Aufforstungsarealen verschifft. Von hier aus sind auch die durch das Erdbeben gehobenen und heute intensiv genutzten Gebiete zu sehen. In der Entfernung sehen wir die stark erodierten Küsten.
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19. Februar: Der Weg Richtung Gisborne führt uns am Flughafen von Napier vorbei. Dieser wurde auf jenem Gebiet gebaut, dass sich beim Erdbeben von 1931 gehoben hatte und bei dem Napier komplett zerstört wurde. Nach einem der wenigen holzverarbeitenden Betriebe Neuseelands, die allerdings nur für den Binnenbedarf produzieren, halten wir an einem Strandabschnitt, bei dem ein durch die Hebung kaum mehr aktiver Strandwall zu sehen ist. Bemerkenswert ist die intensive Landwirtschaft in dieser Region: Eine Lage fruchtbarer Tephra des Mt. Ruapehu erlaubt, trotz der darunter liegenden fluvialen Schotter, Ackerbau.
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Der Lake Tutira ist durch einen Bergsturz entstanden, bei dem vor rund 6.000 Jahren ein Fluss aufgestaut wurde. Es wird allerdings nach wie vor intensiv diskutiert, ob dies nur ein Bergsturz war, oder vielleicht zwei sukzessive Bergstürze stattgefunden haben. Wie auf der linken Bildseite am Horizont sehr gut zu erkennen ist, wurde dieser Teil der Nordinsel nicht nur gehoben, sondern dabei auch leicht geneigt. Die Bergsturzmasse füllte das Tal so hoch an, dass sich der gestaute Fluss über einen niedrigen Bergrücken sein neues Bett suchte.
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Der Anstieg zu einem, den See umschließenden, Plateaus führt uns durch zum Teil 1,5 Meter hohes Gras, da diese Teile der Hänge nicht mehr als Schafweide benutzt werden. Bei einem Zwischenhalt an einer aktuellen Rutschung gehen wir auf der Scherfläche entlang (s. Bild). Diese besteht hier aus reinem Ton mit Muscheleinschlüssen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich um marine Ablagerungen im ehemaligen Schelfbereich handelt, die durch Hebung an ihre jetzige Lage kamen. Das Rutschungsmaterial besteht aus Tephra, das im intakten Bereich keine Bildung von Schichten zeigt, d.h. es handelt sich wahrscheinlich um eine Ablagerung eines einzelnen vulkanischen Ereignisses. Die Rutschung selbst erfolgte im oberen Teil als Gleiten, weiter unten, bedingt durch die starke Wassersättigung, als Fließen.
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Ein einschneidendes Ereignis in dieser Region war der Zyklon Bola im Jahr 1988, dessen Spuren noch heute zu finden sind. Durch Rutschungen haben Farmer bis zu 60 Prozent ihrer Nutzflächen verloren. Die mehr als 19.000 Rutschungen auf einem Gebiet von nur ca. 50 Quadratkilometer sind nicht nur an den umliegenden Hängen zu sehen, sondern konnten auch als überdurchschnittlicher Sedimenteintrag im Lake Tutira nachgewiesen werden. Ursache für diese katastrophalen Massenbewegungen ist die Landnutzungsänderung, bei der durch massive Abholzung Weideflächen für die Schafzucht geschaffen wurden. Bei der flächenhaften Betrachtung dieses Ereignisses wurde auch erstmals der Versuch einer Sedimentbilanzierung unternommen, d.h. man untersuchte, wieviel Sediment durch gravitative Massenbewegungen mobilisiert, wieviel am Hangfuß abgelagert und wieviel letztendlich über Flüsse ausgetragen wurde.
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Wir befinden uns an einem Aussichtpunkt südlich von Gisborne: Von hier aus ist nicht nur die Lage der Stadt in der Poverty Bay, sondern – auf den Hügeln im Vordergrund – auch die in der neuseeländischen Forstwirtschaft übliche Methode des Kahlschlags mit sofortiger Wiederaufforstung sichtbar. Diese Methode ist zwar ökonomisch gesehen sinnvoll, kann aber bei Starkregenereignissen zu überdurchschnittlich hohen Erosionsraten führen. Dies trifft besonders dann zu, wenn der Starkniederschlag in der fünf- bis siebenjährigen Periode zwischen Kahlschlag und Neuanpflanzung fällt.
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Kurz vor unserem Tagesziel Gisborne halten an einem Strandabschnitt bei Blucks Pit. Der Strand besteht hier aus Kiesen und Sand der dunklen Grauwacke. Man findet entlang der Küste viele Nehrungen und Lagunen, d.h. wir sind an einer typischen Ausgleichsküste. Durch die starke vorherrschende Meeresströmung kommt es zu einer sehr starken Verteilung der Sande mit hoher Erosion und Akkumulation.
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Auf der Landseite des Strandwalls werden jene Schotter abgebaut, die die Flüsse aus den umliegenden Tälern transportieren und am Strand verteilen. Der Abbau erfolgt an zwei Stellen an diesem Strandbereich. Die Schotter werden sortiert und lokal für Baumaterialien, wie z.B. für den Haus- und Straßenbau verwendet, teilweise aber auch für die Gartengestaltung genutzt.
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