Mikrobiologin Renée Schroeder wird 60

Für Überraschungen ist Renée Schroeder, Leiterin des Departments für Biochemie und Zellbiologie der Universität Wien, immer gut: ob sie nun der ÖAW öffentlichkeitswirksam den Rücken kehrt oder über ihre zukünftige Karriere als Bäuerin plaudert. Am 18. Mai wird die Mikrobiologin 60 Jahre alt.

Auch an ihrem Geburtstag hat Renée Schroeder eine Überraschung für die Gäste ihrer privaten Geburtstagsfeier parat: Obwohl sie erst seit relativ kurzer Zeit Saxophon spielt, will sie erstmals vor Publikum auftreten und neben "Pink Panther" und "Blue Monk" auch ein selbst komponiertes Stück spielen – mit dem Titel "60".

Auch Schroeders Lebenslauf hat einige Überraschungen zu bieten: Geboren am 18. Mai 1953 in Joao Monlevade (Brasilien) – ihr Vater, ein Luxemburger, war Elektrotechniker in der Stahlindustrie –, übersiedelte sie im Alter von 14 Jahren mit ihrer Familie nach Bruck an der Mur (Steiermark). 1972 begann sie ein Biochemie-Studium an der Universität Wien, das sie 1981 mit dem Doktorat abschloss.

Faszinierende RNA

Bereits in ihrer Dissertation entdeckte sie die Faszination der Ribonukleinsäure (RNA), ein dem Träger der Erbinformation DNA ähnliches Molekül (im Gegensatz zur zweisträngigen DNA ist RNA nur einsträngig), das in der Zelle für die Umsetzung von genetischer Information in Proteine verantwortlich ist. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Frankreich und den USA wechselte sie 1986 als Assistentin ans Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien. 1993 habilitierte sich Schroeder mit einer Arbeit über die Wechselwirkung von Antibiotika mit der RNA, 1995 wurde sie außerordentliche Professorin an der Universität Wien und stieß, wie sie sagt, in Folge immer wieder an die "gläserne Decke", die an Universitäten Frauen in ihrer Laufbahn behindert.


Elf Forschungsgruppen arbeiten im Spezialforschungsbereich "RNA regulation of the transcriptome" – Sprecherin ist Renée Schroeder – einem gemeinsamen Ziel entgegen: die RNA-gesteuerten Ereignisse in der Zelle in ihrer Komplexität zu verstehen. Den genetischen Informationsfluss lassen sie dabei in neuem Licht erscheinen. Zum Artikel



"Gläserne Decke" durchbrochen


Erst 2007 gelang es ihr, diese "Decke" zu durchbrechen, als sie unbefristet zur Professorin für RNA-Biochemie am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Wien berufen wurde – und das auch nur, weil sie ein Job-Angebot aus dem Ausland hatte, wie sie damals kritisierte. Aus diesem Grund engagiert sich die Mikrobiologin seit Jahren besonders für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Ihr Engagement in einem Mentoring-Programm für Nachwuchswissenschafterinnen wurde 2001 mit dem von der Firma L'Oreal und der Unesco vergebenen "Special Honor Award für Frauen in der Wissenschaft" gewürdigt.
 
Schon zuvor wurde sie mit dem Theodor-Körner-Stiftungspreis für Wissenschaft und Kunst (1984) und mit dem "Sandoz-Forschungspreis für Biologie" (1992) ausgezeichnet und als gewähltes Mitglied in die European Molecular Biology Organisation (EMBO) aufgenommen. 2003 erhielt sie den renommiertesten österreichischen Forschungsförderpreis, den Wittgenstein-Preis, und wurde als wirkliches Mitglied in die ÖAW aufgenommen – eine Mitgliedschaft, die sie 2012 wieder zurücklegte, weil es der "Gelehrtengesellschaft der ÖAW weder um die Förderung von Exzellenz noch um wissenschaftliche Erkenntnisse geht", wie sie damals meinte. 2005 wurde Schroeder Leiterin des Departments für Biochemie und Zellbiologie an der Universität Wien.

Schroeder war Mitglied der Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers, Vizepräsidentin des Wissenschaftsfonds FWF, ist seit 2010 Mitglied des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, wurde 2006 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und 2011 mit dem Eduard Buchner Preis der Deutschen Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie geehrt. Gesellschaftspolitisch engagierte sich Schroeder u.a. bei der "Initiative Religion ist Privatsache", die sich vor allem für das Prinzip der strikten Trennung von Staat und Kirche einsetzt.

Vermittlung von Wissenschaft an breite Öffentlichkeit

Die Vermittlung von Wissenschaft an eine breite Öffentlichkeit war Schroeder immer wichtig, schon bei der Etablierung des neuen Studienzweigs "Molekulare Biologie" an der Universität Wien hat sie sich für die Einbeziehung der Öffentlichkeitsarbeit als Studienschwerpunkt eingesetzt. Für ihr Engagement für die Verbesserung der Akzeptanz von Wissenschaft in der Gesellschaft wurde sie vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten als "Wissenschafterin des Jahres 2002" ausgezeichnet.


Einen populärwissenschaftlichen Ausflug in ihre "Lieblingswelt" – jene der Moleküle und Atome – machte Schroeder auch mit ihrem Buch "Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens", das als eines der "Wissenschaftsbücher des Jahres 2012" ausgezeichnet wurde.



Mit Henne, Ei und weiteren landwirtschaftlichen Produkten hat sich Schroeder auch am zweiten Bildungsweg beschäftigt, den sie kürzlich eingeschlagen hat: Sie hat die landwirtschaftliche Fachschule in Hollabrunn absolviert, um in Salzburg einen landwirtschaftlich gewidmeten Bauernhof erwerben zu können. Dort will sie sich nach ihrer Pensionierung mit Heilkräutern und Kälbinnenaufzucht beschäftigen. (APA)