Wer lehrt, hat auch einmal studiert (Teil 5)

Nicht nur für unsere Studierenden, auch für die Lehrenden startet wieder das neue Semester. "uni:view" hat nachgefragt, welche Erfahrungen und Tipps sie aus ihrer eigenen Studienzeit mitgenommen haben. Den Anfang macht die Molekularbiologin Verena Jantsch.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium der Biochemie) erlebt?
Verena Jantsch: An meinem ersten Tag bin ich in das Chemische Institut in der Währingerstraße spaziert, dort sprach mich dann gleich ein Kommilitone an, der mir von da an alles gezeigt hat (er kannte alles wie seine Westentasche). Eine stärkere Erinnerung allerdings habe ich vielmehr an das erste Treffen bei unserem Studienvorstand gleich zu Semesterbeginn. Er versammelte alle Erstsemestrigen in einem Raum, um uns über das Studium und das anschließende Berufsleben aufzuklären.

Er hat sehr viel Zeit darauf verwendet, über das "Leben einer Biochemikerin" zu referieren. Falls wir einen klassisch weiblichen Lebensentwurf hätten, sollten wir unsere Entscheidung für das Studium gut überdenken – Familie und Karriere wären seiner Meinung nach nicht vereinbar. Kinder sicher nicht, wie er betonte, zumindest nur unter Schwierigkeiten; überhaupt klang das Ganze ziemlich grau, hart und entbehrungsreich. Damals hat mich das aber nicht genug beeindruckt, um mich von diesem Studium abzuhalten — heute ist mir allerdings klar, dass es schlicht unmöglich wäre, so zu Studienanfängerinnen zu sprechen. Es ist also vielleicht doch ein kleines Stück weitergegangen in den letzten 30 Jahren!



Auch als 22-jährige Studentin saß Verena Jantsch bereits vor dem Mikroskop. Auf dem Bild sehen wir sie bei der Arbeit mit dem genetischen Modellsystem C. elegans; damals studierte sie die muskelspezifische Genexpression. (Foto: privat)



uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Verena Jantsch:
Ein richtiges Motto hatte ich eigentlich nicht. Ich glaube, ich hatte immer das Glück, auf die richtigen Menschen und Vorbilder zu treffen.

uni:view: Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Studienzeit?
Verena Jantsch:
Vermissen suggeriert irgendwie, dass mir in meinem Leben jetzt etwas abgeht, was ich definitiv so nicht sagen könnte. Im Gegenteil, ich habe noch immer das Privileg, in der Forschung arbeiten zu können. Die Perspektive, dass ich noch nicht weiß, woran ich in zwei Jahren arbeiten werde, finde ich nach wie vor extrem spannend. Im Unterschied zu damals habe ich natürlich wesentlich mehr Verantwortungen … ja am ehesten vermisse ich das "Leben wie ein junger Hund".

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Verena Jantsch:
Dranbleiben, wenn sie etwas interessiert, aber trotzdem nicht "aufs Leben vergessen". Sich einfach etwas zutrauen; selbst aus Fehlern kann etwas gelernt werden. Bereit sein, sich die Welt anzusehen; Mobilität hilft im akademischen Berufsleben und im Leben überhaupt. Irren ist erlaubt. (mw)


Verena Jantsch studierte von 1984 bis 1993 Biochemie an der Universität Wien. Ihre praktische Arbeit für ihren Master und PhD führte sie an der Carnegie Institution of Washington in Baltimore, USA, durch, wo sie Elemente, die muskelspezifische Genregulation unterstützen, studierte. 1993 graduierte sie an der Universität Wien. Unterstützt durch Förderung vom WWTF und eines Elise Richter Stipendiums (FWF) baute sie 2006 ihre Arbeitsgruppe in der Abteilung für Chromosomenbiologie (Uni Wien) auf. 2008 habilitierte sie sich in Genetik und Zellbiologie. 2011 wurde sie assoziierte Professorin am Zentrum für Molekulare Biologie (Max F. Perutz Labs). 2012 erhielt sie eine Berta Karlik Professur der Universität Wien. Sie hat zwei erwachsene Söhne.