Wer lehrt, hat auch einmal studiert (Teil 15)

Pflegewissenschafterin Hanna Mayer ist eine der PreisträgerInnen des UNIVIE Teaching Award 2016, der am 9. Juni verliehen wird. In uni:view erzählt sie von ihrem Studium, das sie berufsbegleitend absolvierte.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität (Studium Erziehungswissenschaften) erlebt?
Hanna Mayer: Ich habe nach der Matura zuerst die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und war bereits einige Jahre berufstätig (u.a. als Lehrende in der Gesundheits- und Krankenpflege), bevor ich mich zu Studium entschloss. Ich glaube, dadurch hat dieser "erste Tag" an der Uni etwas an Bedeutung verloren. Genaue Erinnerungen habe ich leider keine mehr. Ich weiß aber, dass mich immer eine gewisse Ehrfurcht gepackt hat, wenn ich das Hauptgebäude der Uni Wien betreten habe; und auch ein gewisser Stolz, dass nun auch ich hier studiere und irgendwie dazugehöre. Und wenn ich ehrlich bin: Dieses Gefühl habe ich heute auch noch immer. Sei es, wenn ich durch das Gebäude gehe, vor den Studierenden in einem Hörsaal stehe oder bei einer Sponsion als Promotorin agieren kann.

Hanna Mayer 1988 im Rudolfinerhaus zum Abschluss ihrer Ausbildung zur Krankenschwester. "Ich habe damals die Abschlussrede gehalten (in der Festtracht der Rudolfinerinnen). Bald danach habe ich mein Studium an der Universität Wien parallel zu meiner beruflichen Tätigkeit als Krankenpflegelehrerin begonnen. Das Foto ist für mich eine Art Symbol für meine Wurzeln, für meinen Status als berufsbegleitend Studierende", so Hanna Mayer. (Foto: Privat)

uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Mayer: Wie so viele, die erst spät zu studieren beginnen und dies neben ihrer Berufstätigkeit tun, war ich immer hin und hier gerissen zwischen dem Wunsch möglichst viel zu lernen, mich in Inhalte vertiefen zu können, Zeit zu haben zu reflektieren, zu diskutieren, neue Perspektiven zu entwickeln und der oft harten Realität, die davon getragen war, das Unmögliche möglich zu machen. Nämlich ein Diener zweier Herrn zu sein (meinem Beruf und meinem Studium), irgendwie Zeit freizuschaufeln und teilweise Kompromisse zwischen dem, was man eigentlich wollte, und dem, was möglich war, zu schließen. Das hieß auch manchmal eine Lehrveranstaltung, die mich sehr interessiert hätte, aus organisatorischen Gründen nicht besuchen zu können, oder mich eben nicht so sehr in manche Inhalte vertiefen zu können, wie ich es gewollt hätte. Wenn ich das versuche in ein Motto zusammenfassen, dann hieße das am ehesten "Die Balance halten". Aber auch "Alles geht, wenn man will", denn es ist auch möglich, neben dem Beruf erfolgreich zu studieren, auch wenn man dabei manchmal Abstriche machen muss.

uni:view: Was vermissen Sie am meisten an ihrer Studienzeit?
Mayer: Ich vermisse den Luxus einfach "studieren" zu können, also die Auseinandersetzung mit Inhalten, ohne direkten Verwertungszwang, einfach aus Interesse oder Lust an einem Thema. Und auch die Vielfalt der Themen, mit denen man in einem Studium konfrontiert wird und die Möglichkeit, sich mit Dingen auseinander zu setzten, die bislang gar nicht so im Fokus des Interesses gelegen sind – also einfach Neues kennen zu lernen. Und den Luxus, dies alles förmlich auf dem Präsentierteller angeboten zu bekommen – das gibt es in anderen Kontexten (vor allem in der Arbeitswelt) einfach nicht mehr.

uni:view: Welche Tipps geben Sie ihren Studierenden mit auf den Weg?
Mayer: Auch wenn Ratschläge und Tipps manchmal "schulmeisterlich" klingen mögen, ich versuche es: Studieren zu können und zu dürfen war nicht immer selbstverständlich und das sollten wir nicht vergessen. Also, liebe Studierenden, nutzt die Zeit des Studiums, sie ist ein Geschenk (auch wenn man das oft erst aus der Retrospektive so richtig begreift). Und genießt sie auch. Genießt es Zeit und Möglichkeit zu haben zu lernen, zu diskutieren, sich mit neuen Inhalten und Perspektiven auseinander zu setzen, Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu hinterfragen, zu begreifen, also zu studieren! Gerade für die Studierenden der Pflegewissenschaft, die in einem Berufsfeld stehen, das von direkten Handlungsdruck geprägt ist, ist dies eine einmalige Möglichkeit in eine ganz andere Welt hinein zu tauchen und Themen, Fragen und auch Problemstellungen, die in der Praxis oft nach schnellen Lösungen verlangen, anders zu betrachten, zu hinterfragen, analysieren, zu reflektieren. Nehmt Euch diese Zeit, gönnt Euch diesen Luxus! Und wenn ich als ehemalig berufsbegleitende Studentin, die hier eindeutig den Fehler begangen hat, dies zugunsten eines schnellen Studienfortschritts zu vernachlässigen, noch einen Tipp geben darf: Nehmt Euch auch Zeit für Euch selbst während dieses Lebensabschnitts und macht ihn in jeder Hinsicht zu etwas ganz besonderen! (red)

Hanna Mayer hat nach der Matura die Ausbildung zur Krankenschwester am Rudolfinerhaus absolviert, anschließend als Krankenschwester und später als Lehrerin für Gesundheits-und Krankenpflege gearbeitet. Ihr Studium der Pädagogik und Sonder- und Heilpädagogik hat sie berufsbegleitend an der Universität Wien absolviert (1995 Diplom, 2001 Promotion). Nach 13 Jahren freiberuflicher Tätigkeit als Pflegewissenschafterin hatte sie drei Jahre lang eine Vertragsprofessur für Pflegewissenschaft inne und wurde 2010 zur ordentlichen Universitätsprofessorin für Pflegewissenschaft an der Universität Wien berufen. Seit 2007 leitet sie das Institut für Pflegewissenschaft, seit 2012 ist sie Vizedekanin für Lehre an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Preisverleihung UNIVIE Teaching Award 2016
Donnerstag, 9. Juni 2016, ab 17 Uhr
Kleiner Festsaal, Universität Wien Hauptgebäude
Universitätsring 1, 1010 Wien
Programm