Wer lehrt, hat auch einmal studiert: Donata Romizi

Donata Romizi vom Institut für Philosophie ist eine der PreisträgerInnen des UNIVIE Teaching Award 2017, den sie für ihr außergewöhnliches Engagement in einer ihrer Lehrveranstaltungen erhielt. Mit uni:view sprach die engagierte Wissenschafterin über ihre eigene Studienzeit.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag an der Universität (Philosophie) erlebt?
Donata Romizi: Mein erster Tag an der Universität Bologna war von einem großen Leistungsdruck geprägt: Ich war eine von rund 18 Personen, die durch eine mehrstufige Aufnahmeprüfung aus Hunderten ausgewählt worden war, um das "Collegio Superiore" der Universität Bologna zu besuchen. Dieses war/ist eine Art Akademie für hochbegabte Studierende, die parallel zum Studium besucht wird. Die Universität zahlt eine Unterkunft und alle Kosten für das Studium, im Gegenzug muss man aber viel mehr leisten als Studierende im "normalen" Studium (wir hatten sogar nach dem Abendessen noch Kurse) und der Druck war enorm. Vom ersten Tag habe ich die Ansprachen des Rektors und des Direktors des Collegio in Erinnerung, die unter uns "Auserwählten" einen richtigen Psychoterror auslösten, aber gleichzeitig ein Gefühl der Solidarität aufgrund dieses geteilten, feierlichen und aufregenden Schicksals erzeugten – auch wenn wir uns noch nicht kannten. Daraus entstanden dann einige sehr wichtige Freundschaften.  

Das Foto entstand 2002 und zeigt Donata Romizi (rechts) mit einer Freundin, die sie während ihres Erasmussemesters in Mainz kennengelernt hatte. Es entstand während eines gemeinsamen Besuches bei Romizis Oma in Ligurien (Italien). (Foto: privat)

uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Romizi: Ich habe noch nie im Leben ein Motto gehabt!
 
uni:view: Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Studienzeit?
Romizi: Die Möglichkeit, mich stundenlang ohne Unterbrechung auf das Lesen und Denken zu konzentrieren. Die Freundschaften, die von folgender Atmosphäre geprägt waren: Gemeinsam etwas schaffen, stundenlang in der Nacht diskutieren, Selbsterkenntnis durch echte Gespräche gewinnen, Trost bei Schwierigkeiten geben und bekommen, spontan zusammen das Abendessen kochen, Stress im verplanten Alltag und zugleich immer wieder Momente der verrückten Improvisation und anarchischen Lebensfreude.

2003 schloss Donata Romizi ihr Philosophiestudium an der Universität Bologna ab. "Auf dem Foto befinde ich mich im Innenhof des Gebäudes des Instituts für Philosophie und feiere meinen Abschluss mit zwei Freunden, die ebenfalls gerade abgeschlossen haben. Es ist in Italien Tradition, dass man dabei einen Lorbeerkranz bekommt, den Freunde und Familie besorgen", so die Philosophin. (Foto: privat)

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Romizi: Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit – auch und gerade was die Berufschancen betrifft. Ich merke bei vielen Studierenden eine sehr vorsichtige Einstellung: Ein besorgtes Abtasten, um genau herauszufinden, was man von ihnen erwartet, und eine Tendenz, sich anzupassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Eine pragmatische Einstellung: Es gilt zu erledigen, was man zu erledigen hat, um zu einem Abschluss und hoffentlich zu einem Job zu kommen. Fleiß und Stressresistenz sollen schnell zum Ziel führen. Unterhaltsame Lehre ist als Entspannungsmoment willkommen. Allerdings sind Leidenschaft und wissenschaftlicher Ehrgeiz eine Rarität. Ich kann die Gründe für diese Lage ahnen, aber ich finde es trotzdem schade – es ist irgendwie ein Verzicht auf Lebendigkeit. Mein Tipp wäre also: Finden Sie heraus, was Sie wirklich begeistert und wofür Sie ein Talent haben, seien Sie ehrgeizig, wurschteln Sie sich nicht durch! (red)

Donata Romizi studierte von 1998 bis 2003 Philosophie an der Universität Bologna in Italien, wo sie außerdem Stipendiatin und Studierende beim "Collegio Superiore" (school of excellence) derselben Universität war. Nach dem Studium absolvierte sie die "Scuola Superiore per l'Insegnamento nella Secondaria" (SSIS), eine zweijährige Weiterbildung, um die Lehrbefugnis für den Schulunterricht der Fächer Philosophie und Geschichte zu bekommen. Anschließend arbeitete sie als Gymnasiallehrerin für Philosophie und Geschichte an verschiedenen Schulen in Norditalien (Bologna, Parma, Fidenza). 2006 kam sie nach Wien, um das interdisziplinäre Doktoratsprogramm "Naturwissenschaften im historischen Kontext" zu besuchen; ab 2009 war sie Assistentin am Institut für Philosophie. 2013 promovierte sie, 2010 bis 2013 absolvierte sie zudem die Ausbildung zur Philosophischen Praxis. Anschließend arbeitete sie ebenfalls als Philosophie-Praktikerin und initiierte den Universitätslehrgang "Philosophische Praxis" an der Universität Wien, den sie aktuell koordiniert (unter der wissenschaftlichen Leitung von Konrad P. Liessmann). Seit 2015 ist sie außerdem Senior Lecturer am Institut für Philosophie.