Von Vulkanen, Brockengespenstern und kalten Nächten

Costa Rica heißt übersetzt "die reiche Küste": Auf der Suche eines Seewegs nach Indien entdeckte Christoph Kolumbus das Land und dessen reiche Goldschätze. Heute ist die Bevölkerung Costa Ricas großteils europäischer Abstammung. Aufgrund der von den europäischen Eroberern eingeschleppten Krankheiten sind heutzutage nur mehr ein Prozent der Ticos (wie sich die EinwohnerInnen des Landes selbst nennen) Indigene. Mehr über das Land aus der Perspektive von Studierenden der Meteorologie und Geophysik erfahren Sie in folgendem Reisebericht aus Costa Rica.

Der Name des Landes hat seine Gültigkeit behalten: Vielfältige Vegetation erstreckt sich über das ganze Land – von den 350.000 Pflanzenarten weltweit kann man mehr als die Hälfte in der Neotropis (Tropen der Neuen Welt) finden. Neben heimischen Pflanzen wurden auch Nutzpflanzen importiert und kultiviert, die dann zum Hauptwirtschaftsgut wurden. Neben Kaffee, der ursprünglich aus Arabien und Äthiopien stammt, ist Costa Rica vor allem für den Bananenexport weltweit bekannt. Aus einer Bananenrepublik im klassischen Sinn hat sich im Laufe der Zeit ein Land entwickelt, das großen Wert auf Naturschutz und das Anlegen von Nationalparks legt.

Costa Rica Tag 1


Unsere Reiseroute führte uns am ersten Tag der Exkursion von der Hauptstadt San José (1.100 m) über das karibisch beeinflusste Cartago-Gebiet (1.400 m) auf den noch 2.000 Meter höher gelegenen Vulkan Irazú in der Cordillera Central. Anschließend ging die Fahrt weiter über den Cerro de la Muerte (Cordillera Talamanca) zu unserer Unterkunft  La Georgina (3.300 m).

Vulkan Irazú (9° 58' N, 83° 51' W )

Der mit seinen 3.432 m höchste Vulkan der Cordillera Vulcanica ist in Costa Rica auch als "Colossos" bekannt. Diesen Beinamen erhielt der Irazù aufgrund seiner katastrophalen Auswirkungen in der Vergangenheit (wie zuletzt beim Ausbruch 1963-1965). In der Trockenzeit hat man bei klarem Wetter die Möglichkeit, die zwei Weltmeere Pazifik und Atlantik vom Kraterrand aus zu erblicken.

Auch eine Gruppe von 20 MeteorologInnen ist jedoch nicht vor ungünstigen Wetterverhältnissen gefeit. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100%, sprich Nebel, betrug die Sichtweite nur knapp 80 bis 100 m. Die Temperatur lag bei ca. zehn Grad Celsius, was sich bei einer Windgeschwindigkeit von bis zu zehn Meter pro Sekunde wie minus zwei Grad Celsius (Windchill) anfühlte.

Bei der Wanderung entlang des Kraterrands fiel uns auf, dass der schwarze vulkanische Boden eine angenehme Temperatur hatte und wir sogar unsere Hände daran wärmen konnten. Das Infrarotthermometer zeigte 35,8 Grad Celsius. Da das Lavagestein viele Lufteinschlüsse und somit eine geringe Dichte besitzt, reicht die diffuse Strahlung aus, um den Boden derart zu erwärmen. Auf dem kurzen Anstieg zum höchsten Punkt konnten wir die Auswirkungen des geringen Luftdrucks von 685,2 Hektopascal (hPa)  deutlich spüren – nach wenigen Metern waren wir bereits außer Atem.

Cartago

Ein ungewollter Reisestopp – unser Bus hatte eine Panne – in der alten Hauptstadt Cartago bot uns die Möglichkeit, die Basilika De Nuestra Señora De Los Angeles zu besichtigen. Diese ist der berühmteste Wallfahrtsort in Costa Rica und vergleichbar mit dem österreichischen Mariazell. Seit einer Marienerscheinung eines jungen Mädchens pilgern viele Gläubige (Costa Rica ist ein sehr religiöses Land) zur Basilika, um dort um Vergebung zu bitten und sich heiliges Wasser mitzunehmen.

Interamericana

Nach der Reparatur führte unser weiterer Weg über die Interamericana, eine Straße, die sich mit Ausnahme einer Unterbrechung zwischen Panama und Kolumbien  von Alaska den Kontinent entlang bis Feuerland erstreckt. Wie wir selbst feststellen konnten, handelt es sich dabei um die meistbefahrene Straße Mittelamerikas. Die Interamericana führte uns auf den Cerro de la Muerte, den "Todespass". Diesen Namen verdankt er den unzähligen auf dem beschwerlichen Weg ins Valle Central verendeten Rindern, die dort verkauft werden sollten.  

Unsere Busreise war die ideale Gelegenheit, von unserem Reiseleiter, dem Biologen Werner Huber, mehr über die Flora und Fauna des Landes zu erfahren. Nebenbei bot uns dieser noch diverse Köstlichkeiten des Landes zum Probieren an:  queso blanco, queso palmito, pan casero, einheimische Äpfel, Toffee aus Zuckerrohr und einen Schluck zwälf Jahre gelagerten Rums – natürlich nur zu medizinischen Zwecken.

Die Route führte uns in immer größere Höhen, und so begegneten wir einer besonderen Vegetationsform der Tropen: dem Páramo. In feuchten Gebieten tritt diese über der Waldgrenze auf, die in den Tropen bei ca. 3200 m Seehöhe liegt (zum Vergleich: ca. 1800 m in Österreich). Die Bezeichnung Páramo kommt aus dem Castellano der spanischen Eroberer und bedeutet "ödes Land". In diesen Regionen wachsen vor allem Zwergpalmen und niedrige Bambussträucher – vergleichbar mit den Latschengebieten in den Bergen Österreichs.

Wetterstationen aufstellen, ein Brockengespenst und Kakao mit Rum

Kurz bevor wir unsere Unterkunft La Georgina erreichten, machten wir in einer Kurve Halt, um die ersten zwei Kestrel-Messstationen im Gelände aufzustellen. Die Erste wurde in einer flachen Senke platziert, die zweite 58 Meter höher auf einer Kuppe. (Senke: 9° 34' 24,77'' N – 83° 45' 24,28'' W, 3330 m; Kuppe: 9° 34'' 29,34'' N – 83° 45' 25,85'' W, 3388 m)

Beim Aufstellen der zweiten Station bot sich uns ein meteorologisches Naturschauspiel – ein Brockengespenst. Dieses Phänomen entsteht, wenn die Sonne im Rücken des Beobachters einen Schatten auf die gegenüberliegende Wolkendecke wirft. Erfreut über das Brockengespenst und getrieben von den hohen Windgeschwindigkeiten, die zu einer gefühlten Temperatur von minus drei Grad Celsius führten, machten wir uns auf den Abstieg zurück zum Bus, um das letzte Ziel des Tages, unser Nachtlager, anzusteuern.

Nachdem die Zimmer bezogen waren, wurden noch die restlichen Kestrels im Garten aufgestellt, um weitere Vergleichsmessungen zu erzielen. Gestärkt von gegrillter Lachsforelle und Kakao mit Rum suchten wir alle recht zeitig unsere "warmen" Betten auf. Wer hätte sich erwartet, dass es in Costa Rica Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt geben kann? Natürlich wir MeteorologInnen ...