Studierende bringen Recht in Schulen

Man sieht die Schülerinnen und Schüler, die am Rechts-Workshop teilgenommen haben.

Asyl- und Fremdenrecht, Datenschutzrecht, Europarecht und Grundrechte sind nur einige der Workshop-Themen, die Studierende der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an Wiener Schulen halten. Die Idee stammt von Studierenden selbst und ist mittlerweile ins Lehrveranstaltungsangebot der Universität Wien fix aufgenommen.

"Die Einfuhr von Zaubertrank ist unter Umständen aus Gründen der Volksgesundheit zu verbieten!", so der aufgeweckte Schüler einer sechsten Klasse eines Wiener Gymnasiums. Julia Wagner und Martina Riess, beide Studentinnen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, besuchten im Dezember 2015 die AHS Friesgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk und hielten einen zweistündigen Workshop zum Thema Europarecht.

Um für ihr Fach zu begeistern, erstellten die beiden einen Fall, indem Asterix und Obelix Zaubertrank nach Großbritannien importieren wollen. In kleine Gruppen aufgeteilt, kamen die Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung europäischer Grundfreiheiten zum Ergebnis, dass der Zaubertrank nicht nach Großbritannien importiert werden könne.

Rechtlicher Alphabetismus


Studierende der rechtswissenschaftlichen Fakultät initiierten das Projekt und gründeten im Februar 2014 den Verein "Vienna Legal Literacy Project" (VLLP). Inspiriert durch ähnliche Projekte in der anglo-amerikanischen Universitätslandschaft wollen die engagierten Studierenden für "rechtlichen Alphabetismus" sorgen und elementares Wissen über das Rechtssystem an Nicht-JuristInnen weitergeben.

Für ihre Idee wurden die Studierenden bereits im Mai 2014 mit dem Social Impact Award ausgezeichnet und riefen dadurch mediales Interesse hervor. Auch der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, Paul Oberhammer und die Vizedekanin und Studienprogrammleiterin, Bettina Perthold, wurden auf die Studierenden und ihr Projekt aufmerksam.

Vom Projekt zur Lehrveranstaltung


Im März 2015 startete die Rechtswissenschaftliche Fakultät gemeinsam mit dem Verein VLLP die neue Lehrveranstaltung. Die beiden LehrveranstaltungsleiterInnen Iris Eisenberger und Konrad Lachmayer betreuten die Studierenden und bereiteten sie didaktisch und inhaltlich auf die jeweiligen Workshops vor. Für den Besuch der Lehrveranstaltung und die Abhaltung der Workshops erhalten die Studierenden mittlerweile vier ECTS-Punkte.

"Positives Feedback zu bekommen – einmalig"

"Wie schwer es ist, einem Laien gewisse juristische Selbstverständlichkeiten verständlich zu erklären, merkte ich erst in der Vorbereitung eines eigenen Workshops. Das Gefühl, von einer Klasse positives Feedback zu bekommen – einmalig!" so Jasmin Ziegelbecker, Teilnehmerin der Lehrveranstaltung. Im Bild: TeilnehmerInnen Tobias Ertl und Antonia Meran tragen zum Thema Europarecht vor. (Foto: Universität Wien)

Das nunmehr seit zwei Semestern durchgeführte Pilotprojekt ist sowohl bei den Studierenden als auch in den besuchten Schulen ein voller Erfolg. Clara Büsel, Lehrveranstaltungsteilnehmerin war begeistert vom Lehrpraktikum: "Für mich ist das VLLP eine ganz neue Herausforderung – in den Prüfungen am Juridicum werden durchaus Detailwissen und Kenntnis der Ausnahmen von den Ausnahmen verlangt. Im Rahmen des VLLP liegt der Fokus jedoch auf den Basics und das Ziel ist, Recht so zu vermitteln, dass es einfach zu verstehen ist. Es gefällt mir, dadurch jungen Menschen den Respekt vor komplexen Rechtsgebieten zu nehmen und ihnen zu zeigen, dass Jus und Spaß sich nicht ausschließen!"

In der Tradition von Hans Kelsen


"Bemerkenswert", "exzellent" und "großartig" finden SchülerInnen und LehrerInnen das Engagement der Studierenden, theoretisch erlerntes Wissen in Wiener Schulen zu tragen und damit Demokratie zu fördern.

Der Gedanke hat Tradition an der Universität Wien: bereits vor rund 100 Jahren wurde Wissensvermittlung außerhalb der Universitäten betrieben. UniversitätslehrerInnen trugen in Kursen vor interessierten HörerInnen vor und unterrichteten diese in ganz unterschiedlichen Gebieten. Auch Hans Kelsen war als Vortragender im Rahmen dieser Bildungsvereine tätig und lehrte Erwachsene vorwiegend Österreichisches Verfassungsrecht sowie die Geschichte politischer Theorien.

Didaktisches Repertoire


Neben dieser Kontextualisierung und der Wissensvermittlung war es den LehrveranstaltungsleiterInnen und dem Verein VLLP ein besonderes Anliegen den Studierenden ein didaktisches Repertoire an die Hand zu geben. Die Unterschiede zwischen Lehr- und Lernzielen und unterschiedliche Lehrmethoden, um diese zu erreichen, standen im Zentrum der Lehrveranstaltung.

Die Lehrenden haben "wissenschaftliches Lego" besorgt und animierten die Studierenden dazu, aus Legosteinen Grundrechte zu bauen. Mit dieser an der Universität Arizona entwickelten Methode sollen Kommunikationsbarrieren zwischen unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen abgebaut und komplizierte Sachverhalte auf das Wesentliche heruntergebrochen werden. (Foto: Universität Wien)

Ziel: flächendeckendes Workshopangebot

Als Pilotprojekt gestartet und mittlerweile im Lehrveranstaltungsangebot der Rechtswissenschaftlichen Fakultät fest verankert, soll die Lehrveranstaltung nun weiter ausgebaut werden. Neben TutorInnen, die die Studierenden auf ihre Workshops vorbereiten und in die Schulen begleiten, konnten mit Daniel Ennöckl, Experte im Datenschutzrecht und Menschenenrechtsschutz, mit Katharina Beclin eine Kriminologin und mit Farsam Salimi ein Strafrechtler für die Lehrveranstaltung gewonnen werden. Langfristiges Ziel ist es, ein flächendeckendes Workshopangebot in unterschiedlichen rechtlichen Themengebieten für Schulen zu entwickeln und im Sinne der im Entwicklungsplan der Universität Wien angesprochenen "Third Mission" der Universitäten sozialen Mehrwert zu schaffen.

Dr. Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE) ist Professorin am Institut für Rechtswissenschaften an der BOKU und hält Lehrveranstaltungen am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, Dr. Konrad Lachmayer ist Privatdozent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht und Lisa Müllner ist Studienassistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht und VLLP-Präsidentin.

Ein besonderer Dank gilt Richard Franz, Mitverantwortlicher der Lehrveranstaltung seitens VLLP, sowie den beiden Tutoren, Lukas Wieser und Maximilian Wiesner.