Sommerpost: Völker- und Verfassungsrecht in Jerusalem und Tel Aviv

"Status Quo, Compromise and Parity in Politics, Law and Society." So lautet das Schwerpunkthema der "11. Sommerakademie zur Geschichte der Juden im Hl. Röm. Reich und seinen Nachfolgestaaten". Stephan Wendehorst war mit seinen Studierenden vor Ort und berichtet aus Jerusalem und Tel Aviv.


uni:view: Warum ist diese Sommerakademie wichtig? Was ist das Ziel?

Stephan Wendehorst: Wir untersuchen Denkfiguren, Institute und Praktiken des Völker- und Verfassungsrechts, die zwar nicht zum klassischen Repertoire des Völker- und Verfassungsrechts zählen, aber in hochgradig segmentierten Gesellschaften in Geschichte und Gegenwart mit einer gewissen Regelmäßigkeit anzutreffen sind.

Neben den Konfliktlösungsstrategien des Westfälischen Friedens zur Beruhigung der Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten sowie den Einhegungsversuchen des Nationalitätenkonflikts durch das österreichische Verfassungs- und Verwaltungsrecht vor 1918 stehen die Lösungsansätze für die Konflikte zwischen orthodoxen und säkularen Juden sowie zwischen Juden und Arabern im Staat Israel und den besetzten Gebieten in unserem Fokus.      

uni:view: Welcher Gegenstand darf im Reisegepäck nach Israel nicht fehlen?
Wendehorst: Neben Arbeitsmaterialien zum Völker- und Verfassungsrecht ist die Rav-Kav, die Guthabenkarte für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Israel unverzichtbar. Wie bei den vergangenen Sommerakademien nutzen wir für Exkursionen nach Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel, um die Lebensverhältnisse vor Ort unmittelbarer kennenzulernen.

uni:view: Wie sieht ein typischer Tag an der Akademie aus?

Wendehorst: Zu Beginn steht eine Doppelstunde Handschriftenkurs im idyllischen Garten des Österreichischen Hospizes in der Jerusalemer Altstadt, wo das Gros der Studierenden untergebracht ist, auf dem Plan. Bereits in den vergangenen Jahren konnten die Studierenden zwischen Handschriften- und Sprachkursen in deutscher Sprache und in jüdischen Sprachen (Hebräisch, Jiddisch und Judendeutsch) wählen. Heuer wurde das Angebot um Kurse in Tschechisch und Latein erweitert.

Dann stehen Museumsbesuche sowie Seminareinheiten und Exkursionen zum Schwerpunktthema an. Neben Klassikern wie dem Israel Museum, dem Museum für Islamische Kunst, der Jerusalemer Altstadt und dem Diaspora Museum werden mit Givat Haviva, Chafetz Chaim, Gush Etzion und Neve Shalom bewusst Orte jenseits der ausgetretenen Touristenpfade besucht. Diese vermitteln den Studierenden ein anschauliches Bild des historischen wie des aktuellen Spektrums rechter und linker, arabischer und jüdischer, religiöser und säkularer Positionen.

uni:view: Was waren besondere Momente?
Wendehorst: Zu den Highlights der Sommerakademie zählten der Besuch des Finales des Joint Historical Moot Court, bei dem auch Wiener Studierende dabei waren, an der Buchmann Faculty of Law der Universität Tel Aviv,  die Verkostung von koscherem Heringssalat und palästinensischem Taybeh Bier im "Cooperative Café Fulda" in Jerusalem und vor allem der Vortrag von Ifat Finkelman, einer der KuratorInnen der Ausstellung "In Statu Quo. Structures of Negotiaton" des Tel Aviv Museum of Modern Art. Dieser Vortrag beleuchtete das Schwerpunktthema der Sommerakaemie nicht aus gewohnter historischer bzw. juristischer Perspektive, sondern aus dem Blickwinkel einer Architektin und Lektorin an der Bezalel Hochschule für Kunst und Design.

Stephan Wendehorst leitete im Sommersemester den Joint Historical Moot Court (Ius Commune MC - The Imperial Aulic Council und Jewish Historical Law MC - The Rabbinic Tribunal of Prague), gemeinsam mit Prof. Dr. Arye Edrei, Tel Aviv, Prof. Dr. Gayane Davidyan, Moskau und Prof. Dr. Suzanne Stone, New York, sowie die 11. Sommerakademie zur Geschichte der Juden im Hl. Röm. Reich und seinen Nachfolgestaaten, die vom 28. Juli bis 9. August 2019 zu dem Schwepunktthema "Status Quo, Ausgleich und Parität in Recht, Politik und Gesellschaft" in Jerusalem und Tel Aviv stattfand.