Ein "Austrian-Australian Classroom" an der Universität Wien
| 23. November 2016Jedes Jahr organisieren Susanne Reindl-Krauskopf und Andreas Schloenhardt ein internationales Seminar im Bereich Strafrecht und Kriminologie, das Studierende aus Wien und Australien zusammen bringt. Im Interview erklären die beiden den Mehrwert eines solchen Austauschs.
Im September 2016 fand das mittlerweile dritte gemeinsame Seminar der Universität Wien und der University of Queensland, Australien, statt. Was war der Fokus?
Andreas Schloenhardt: Der Schwerpunkt des diesjährigen Seminars lag auf Schlepperei und Menschenhandel – das ist ein Thema, das alle Länder der Welt betrifft. Die Studierenden der Universität Wien und der University of Queensland haben sich mit internationalem Recht, nationalen Regeln und den kriminologischen Ausprägungen organisierter Kriminalität beschäftigt. Dabei werden nicht nur Studierende aus den verschiedenen Ländern zusammengeführt, sondern auch verschiedene Rechtssysteme. Österreich steht da repräsentativ für Kontinentaleuropa und die deutschsprachige Welt, Australien stellvertretend für die Common Law-Systeme.
Susanne Reindl-Krauskopf: Das Seminar findet seit 2014 statt, jeweils abwechselnd in Australien und in Österreich. Die insgesamt 15 TeilnehmerInnen sind Studierende der Rechtswissenschaft, die am Ende des Grundstudiums oder bereits im Doktorat sind. Es gibt eine Vorbereitungsphase im jeweiligen Heimatland und als Abschluss das einwöchige Seminar.
Susanne Reindl-Krauskopf ist Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien und leitet die Forschungsstelle "Austrian Center for Law Enforcement Sciences" (ALES) an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Sie ist Honorarprofessorin an der School of Law der University of Queensland. (Foto: Universität Wien)
Was ist der Mehrwert so einer internationalen Lehrveranstaltung?
Schloenhardt: Das Seminar bietet die einzigartige Möglichkeit, von unterschiedlichen nationalen Zugängen und Problemlösungsansätzen zu lernen und dabei rechtsvergleichend zu arbeiten, d.h. die Common Law- und Civil Law Systems zu vergleichen, sowie Auslandserfahrung zu sammeln. Darüber hinaus bekommen die Studierenden Zugang zum Berufsfeld, zu den Stakeholdern und Playern in diesem Bereich: Sie treten in Kontakt mit internationalen Organisationen und nationalen Behörden und erhalten dabei auch Informationen über mögliche Beschäftigungsfelder.
Der dritte Punkt ist die Forschungsarbeit. Das Seminar soll Leuten, die am Ende ihres Studiums sind, Forschung schmackhaft und als mögliche Laufbahn bewusst machen – man kann es als Sprungbrett zur Dissertation sehen.
Andreas Schloenhardt ist Professor an der TC Beirne School of Law der University of Queensland und Professorial Research Fellow der Universität Wien. Er ist als Consultant für das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) tätig und lehrt als Gastprofessor an den Universitäten von Zürich und St. Gallen. (Foto: privat)
Reindl-Krauskopf: Die australischen Studierenden sind es durchaus gewohnt, die Dinge international zu betrachten. Und in diese Richtung wollen wir die Wiener Studierenden auch motivieren, dass sie bei internationalen Vorgaben nicht nur bei der EU und beim Europarat hängen zu bleiben, sondern auch schauen, was sagt beispielsweise eine UNO zu einem Problem.
Wie fördern Sie den Austausch zwischen den Studierenden der beiden Universitäten?
Reindl-Krauskopf: Eine gewisse Hilfestellung geschieht dadurch, dass wir in dem Seminar das System des "Discussant" haben, d.h. dass jedem Referent / jeder Referentin jeweils eine Person von der anderen Universität zugeteilt wird. Wir raten dazu, dass Referent bzw. Referentin und Discussant bereits frühzeitig in Kontakt treten und sich über das Thema austauschen, vielleicht auch Entwürfe für den Vortrag austauschen und der jeweils andere gibt Feedback dazu. Das ist natürlich auch etwas, was man zur Sprachunterstützung nutzen kann.
Bringt die Organisation einer solchen internationalen Lehrveranstaltung auch Hürden mit sich?
Schloenhardt: Die Terminfindung ist eine Herausforderung. In Australien ist das Studium etwas durchstrukturierter als es in Wien der Fall ist; die Prüfungswochen sind sehr strikt. Die Terminfindung ist durch die Fristenänderung zur Noteneintragung an der Universität Wien nicht einfacher geworden. Eine gewisse Herausforderung sind natürlich die Distanzen: Die Reise von Wien nach Australien und umgekehrt ist sehr kostenintensiv. Ein weiteres Problem ist die Online-Vernetzung: Wir können den Wiener Studierenden keinen Zugang zu australischen Lernplattformen ermöglichen und umgekehrt.
Worauf sollten Lehrende achten, die ein Seminar in Vernetzung mit einer anderen Universität planen?
Schloenhardt: Wichtig ist, dass es zwei LehrveranstaltungsleiterInnen gibt, die bis zum letzten Ende die Verantwortung übernehmen, die sich mit den bürokratischen, formellen Sachen auseinandersetzen und Antworten darauf finden, und auch eine gewisse Flexibilität mitbringen.
Welcher Support wäre für eine derartige internationale Lehrveranstaltung noch wünschenswert?
Reindl-Krauskopf: Erstens eine Flexibilisierung in den formellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, was Fristen angeht; zweitens Unterstützung dabei, dauerhaft ein Funding für die Studierenden zu bekommen. Die Betonung liegt aber nicht auf einer Kostendeckung, so ein Kurs soll auch finanziell etwas wert sein. Eine Kostenbeteiligung für die Studierenden wäre schön.
Der dritte Punkt wäre, dass man die LV in ihren Erfolgen und die Ergebnisse der Forschungsarbeit festhält, dass man die Vernetzung des Kontaktes zwischen den Studierenden und den wissenschaftliche Output, der entstanden ist, längerfristig nutzbar und verfügbar machen kann.
Schloenhardt: Sei es, dass ein File-Sharing-System entwickelt wird, um Dokumente austauschen können. Oder dass man wirklich eine vernünftige Lernplattform herstellt, wo wir auch dokumentieren, was in den Vorjahren passiert ist und worauf Studierende zugreifen können. Das könnte auch die Vernetzung zwischen den Studierenden aus verschiedenen Jahren verstärken und eine Gemeinschaft herstellen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Michaela Fiska vom International Office der Universität Wien.
Infos für interessierte LV-LeiterInnen
Die Universität Wien begrüßt im Zuge ihrer Bestrebungen zur "Internationalisierung zu Hause" Initiativen zu Lehrveranstaltungen in Vernetzung mit einer Partneruniversität. Interessierte LehrveranstaltungsleiterInnen werden gebeten, sich im International Office an Mag. Michaela Fiska, michaela.fiska@univie.ac.at, DW 18241, zu wenden.