Staci Gem Scheiwiller: "Der Iran lässt mich nicht mehr los"

Im Rahmen der Käthe-Leichter-Gastprofessur der Universität Wien, die heuer am Institut für Kunstgeschichte angesiedelt ist, bringt die kalifornische Kunsthistorikerin Staci Gem Scheiwiller den Mittleren Osten nach Wien: Fotografie aus dem Iran ist ihr Spezialgebiet.

In ihrer Forschung beschäftigt sich Staci Gem Scheiwiller mit Modernismus, Postkolonialismus, Gender Studies und Islamischer Kunst. Ihre große Leidenschaft gilt jedoch der iranischen Fotografie: "Der Iran lässt mich nicht mehr los", schwärmt die Wissenschafterin. Im Rahmen der Käthe-Leichter-Gastprofessur im laufenden Wintersemester gibt sie den Studierenden der Universität Wien einen historischen Überblick über ihr Forschungsfeld – vom Beginn der Fotografie im Jahr 1839 bis hin zur kontemporären Fotokunst im Iran.

Geschlechterkonstruktionen im Blick


"Ich gehe in meiner Forschung nicht nur kunsthistorisch, sondern auch anthropologisch vor", erzählt Scheiwiller. Sie analysiert die Fotos aus dem Iran vor allem in Hinblick auf die Konstruktion und Ausverhandlung von Geschlecht: "Mann-Sein oder Frau-Sein muss nicht zwangsläufig thematisiert werden, um Diskurse über Geschlecht anzuregen. Typische Geschlechtszuschreibungen, aber auch radikale Gegenpositionen, können die unterschiedlichsten Formen annehmen", erklärt die Kunsthistorikerin.


"Die Fotografie aus dem 19. Jahrhundert ist relativ gut aufgearbeitet, zur aktuellen iranischen Fotokunst gibt es jedoch kaum Forschung", so Stacie Gem Scheiwiller. Die kalifornische Kunsthistorikerin untersucht persönliche Websites und Blogs von KünstlerInnen, recherchiert in Katalogen und arbeitet eng mit FotografInnen aus dem Iran zusammen. Ihre aktuellen Ergebnisse erschienen kürzlich in dem Sammelband "Performing the Iranian State."



Eine diverse Kunstszene


"Von klassischen Ansätzen bis hin zu postmodernen Collagen – die Kunstszene Teherans ist divers", beschreibt Scheiwiller. "Die hochkarätigen Galerien im Land gehören zumeist Frauen, und viele der gewagten, teils provokanten Bilder, sind von Künstlerinnen", berichtet sie weiter. Das Kunstleben in der Islamischen Republik ist nicht so, wie es Medienberichte über restriktive Politik vermuten lassen: "Wir haben eine falsche Vorstellung vom Iran. Regierungskritisches Kunstschaffen ist zwar mit Vorsicht zu betreiben, aber das ist in vielen anderen Staaten ähnlich", gibt Scheiwiller zu bedenken.

Früher Feminismus und Iran-Begeisterung

Ihr Interesse am Mittleren Osten wurde bereits in den 90er Jahren geweckt. Als Studentin arbeitete sie in der Universitätsbibliothek und stieß auf einen Bildband der umstrittenen Künstlerin Shirin Neshat. "Das Bild, das mich am meisten beeindruckte, zeigt die iranische Fotografin mit einer Waffe in der Hand. Das herausfordernde Motiv appellierte an meinen frühen Feminismus", erinnert sich die sympathische Wissenschafterin zurück.



Der Ausschuss für Frauenforschung und Gender Studies vergibt regelmäßig Käthe-Leichter-Gastprofessuren an internationale Wissenschafterinnen aus dem Bereich Frauen- und Geschlechterforschung. Die Lehrveranstaltungen richten sich an ein breites Fachpublikum und HörerInnen aller Fakultäten, die an Diskussionen und Ergebnissen der women's and gender studies interessiert sind. (Foto: Universität Wien)



"Ich freue mich, hier zu sein"


Staci Gem Scheiwiller studierte an der University of California in Santa Barbara, lernte Persisch und verbrachte mehrere Monate im Rahmen von Stipendien in den USA, Iran und Tadschikistan, und lehrte zuletzt an der California State University, Stanislaus. Seit Ende Oktober ist sie nun in Wien, und auch wenn sie Partner, Sohn und Hund ein Semester lang in Kalifornien zurücklassen musste, blickt sie mit Vorfreude auf die kommenden Monate in Österreich: "Los Angeles hat zwar eine der größten Communities von IranerInnen. Die Top-Forschung über den Iran findet aber nicht in Kalifornien, sondern in Österreich und Deutschland statt – ich freue mich, hier zu sein."

"Mit Kunstgeschichte wird man weder reich noch berühmt", lacht Scheiwiller. Auch wenn FreundInnen oder Bekannte sie als "verrückt" bezeichnen mögen, die meiste Zeit verbringt sie mit ihrer Forschung: "Ich habe etwas zu sagen und muss es tun, solange ich noch Zeit dafür habe!" (hm)

Staci Gem Scheiwiller, PhD vom Institut für Kunstgeschichte hält am Dienstag, 25. November 2014, 16.30 Uhr in der Aula des Universitätscampus ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Queens, Scholars, and Revolutionaries:
Women, Power, and Representation in Nineteenth-Century Iran."