Isabel Richter: Im 19. und 20. Jahrhundert zu Hause

Die Historikerin Isabel Richter hat im laufenden Wintersemester 2012 die Käthe-Leichter-Gastprofessur für Gender Studies der Universität Wien inne. Am Dienstag, 20. November, hält sie ihre Käthe-Leichter-Vorlesung zur völkischen Porträtfotografie von Erna Lendvai-Dircksens in der Aula am Campus.

Über ihren warmherzigen Empfang am Institut für Zeitgeschichte, wo die diesjährige Käthe-Leichter-Gastprofessur für Gender Studies angesiedelt ist, freut sich Isabel Richter sehr. Für die gebürtige Deutsche von der Universität Bremen ist die Gastprofessur eine große Ehre: "Die Frauen- und Geschlechterforschung hat in Wien eine lange und interessante Geschichte. Für mich ist es eine hervorragende Möglichkeit, den Standort und die Menschen vor Ort näher kennenzulernen. Zugleich kann ich die interdisziplinäre Seite meiner eigenen Arbeit stärker zeigen", so die Historikerin, die in letzter Zeit in der Wissenschaft einen gewissen "Rückzug in die einzelnen Disziplinen" beobachtet: "Deshalb finde ich es toll, dass diese interdisziplinär ausgerichtete Gastprofessur für Gender Studies an der Universität Wien eingerichtet wurde."

Einen "Plan B" haben

An ihrem Beruf begeistert die 43-jährige gerade die Kombination aus Forschung und Lehre. Am Institut für Zeitgeschichte bietet sie im Rahmen ihrer Gastprofessur drei Lehrveranstaltungen zu den Themenschwerpunkten Kultur- und Geschlechtergeschichte des Nationalsozialismus und Erinnerungskultur und Geschlecht an. "Der Ablauf eines Seminars basiert auf der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Studierenden. Davon können beide Seite profitieren. Mich freut es besonders, wenn mein Angebot von den StudentInnen kreativ umgesetzt wird", erklärt Isabel Richter. Jungen WissenschafterInnen rät sie vor allem, international mobil zu sein und stets einen "Plan B" zu haben: "Eine wissenschaftliche Karriere ist schwer planbar. Zielstrebigkeit ist die Voraussetzung, aber ich finde es auch vorteilhaft, eine Alternative zu kennen und sich nicht zu versteifen."

Vom 20. ins 19. Jahrhundert und retour

Die Geschlechtergeschichte begleitet Isabel Richter seit ihren Anfängen als Wissenschafterin. "Meine Promotion an der Technischen Universität Berlin drehte sich um die Geschlechter- und Widerstandsgeschichte im Nationalsozialismus, um Hochverratsprozesse am Volksgerichtshof zwischen 1934 und 1939", erzählt die Historikerin, die sich im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere vielseitig zeigt: "Im Rahmen meiner Habilitation habe ich dann den Zeitraum sowie die Methodik geändert und mich mit der Historischen Anthropologie und Kulturgeschichte des Todes auseinandergesetzt. Die Frage, die mich dabei interessierte, lautete: Wie sind die Menschen im späten 18. und 19. Jahrhundert mit der Vergänglichkeit, der Trauer und dem Tod umgegangen?"

Aktuell arbeitet sie an einem Forschungsprojekt zu transnationalen Jugendkulturen in den 1960er und 1970er Jahren und untersucht, welche Rolle das Reisen – und hier speziell die "Entdeckung" Indiens – für die Jugendlichen spielte.

Fotos als historische Quelle

Die "völkische Porträtfotografie" von Erna Lendvai-Dircksens steht im Mittelpunkt der am Dienstag, 20. November, stattfindenden Käthe-Leichter-Vorlesung der engagierten Wissenschafterin. "Die vor allem im 19. Jahrhundert üblichen Totenmasken, d.h. Gipsabdrücke von Gesichtern Verstorbener, erlebten in Fotobänden der 1920er Jahre in Deutschland eine Art Revival. Über die Beschäftigung mit der Porträtfotografie stieß ich auf Erna Lendvai-Dircksens, eine der erfolgreichsten Fotografinnen der NS-Zeit."


In ihrer Käthe-Leichter-Vorlesung am 20. November 2012 um 18 Uhr in der Aula am Campus der Universität Wien geht Isabel Richter der Frage nach, welche Bedeutung die Bilder von Erna Lendvai-Dircksens für die völkische Ikonographie hatten. Die Kernfrage dabei lautet: Waren die Aufnahmen tatsächlich völkisch, und wenn ja, warum?



Und die Leinwand als Vergnügen

In Wien hat sich Isabel Richter als erstes eine Yogaschule gesucht. "Das mache ich in jeder Stadt, in der ich arbeite", verrät sie und erzählt, dass sie zudem eine begeisterte Kinogängerin ist: "Kino finde ich ganz großartig. Dabei mag ich vor allem zwei Genres, die auf den ersten Blick weit auseinanderliegen. Ich schaue sehr gerne Dokumentarfilme, und ich liebe gute Science-Fiction-Filme." (mw)

Die Käthe-Leichter-Vorlesung "Visual History: Erna Lendvai-Dircksens völkische Porträtfotografie" von Dr. Isabel Richter, Privatdoz., die im laufenden Wintersemester die Käthe-Leichter-Gastprofessur für Gender Studies am Institut für Zeitgeschichte innehat, findet am Dienstag, 20. November 2012 um 18 Uhr in der Aula am Campus der Universität Wien statt.