Miloš Vec: Paragraphen Leben einhauchen

"Nicht an den Schwächen, sondern an den Stärken arbeiten" – mit dieser Einstellung hat es Miloš Vec weit gebracht. Seit 2012 ist er Professor an der Universität Wien und möchte seinen Studierenden nicht nur juristische Inhalte vermitteln, sondern den oft eingestaubten Paragraphen Leben einhauchen.

Miloš Vecs Professur beinhaltet Lehrveranstaltungen zur Verfassungs- und Privatrechtsgeschichte, aber auch die Geschichte der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts – "mein aktueller Forschungsschwerpunkt", so der Jurist. "In Wien habe ich das große Glück, Curriculum und Forschungsinteresse miteinander kombinieren zu können", strahlt er und erklärt, dass die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien aufgrund ihrer großen Anzahl an Studierenden viel Freiraum für Spezialisierungen einräume.

In der universitären Praxis herrsche ein vorwiegendes Interesse am geltenden Recht, in der Rechtsgeschichte läge daher der Fokus entsprechend auf dem neuzeitlich geprägten Rechts- und Verfassungsverständnis ab 1789. Sein Blick geht aber über das Gesetz als vorherrschende Normativität und den Nationalstaat hinaus. Derzeit arbeitet Miloš Vec an einer Monographie "Prinzipien internationaler Ordnung. Die Wissenschaft des europäischen Völkerrechts".

"Wien ist ein Genuss"

Bevor Vec dem Ruf der Universität Wien folgte, war er Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin (Institute for Advanced Studies). Für den Rechthistoriker steht Wien der deutschen Hauptstadt in nichts nach, und er schwärmt von Infrastruktur, Kultur- und Museumsszene seiner neuen Wahlheimat: "Ich genieße Wien jeden Tag aufs Neue."

Am Wochenende besucht er umliegende Museen und Ausstellungen, von der Kunsthalle in Krems bis zum Essl Museum in Klosterneuburg. Für den Professor ist es wichtig, sich einen offenen Blick zu erhalten. Dies möchte er auch seinen Studierenden vermitteln und zieht daher zur Darstellung von Rechtsproblemen gern mal Stanley Kubricks "Wege zum Ruhm" heran oder veranschaulicht die Folgen der Industrialisierung mit Zolas "Germinal". "Da lohnt sich das Nachdenken."

Ein Sprachentalent

Der vielinteressierte Rechtshistoriker ist seit langem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig und schreibt für verschiedene Ressorts: anfangs für Beruf und Chance, später die Tiefdruckbeilage Bilder und Zeiten und die Neuen Sachbücher oder aber das Reiseblatt. Mit Rucksack und journalistischer Neugier gewappnet erkundete er Lateinamerika, bereiste Afrika und Teile Asiens. Aus dieser journalistischen Prägung heraus hegt er eine kritische Leidenschaft für Sprache, so interessiert er sich für das kreative Schreiben in der Wissenschaft. "Gerade Juristen benutzen oftmals eine technische Sprache, die skurril, ja nahezu lebensfremd wirkt."


"Einen offenen Blick bewahren!" – unter diesem Motto lehrt Miloš Vec seit Oktober 2012 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.



Daher ist es Miloš Vec ein Anliegen, seinen Studierenden neben juristischen Inhalten auch ein stilistisches Handwerkszeug zu vermitteln und sie so für das MandatInnengespräch oder das Plädoyer im Gerichtssaal, aber vor allem auch auf schriftliche Ausarbeitungen vorzubereiten. Die StudentInnen sind in ihren Seminararbeiten dazu aufgefordert, kritisch über das Gelesene zu reflektieren und eigene Thesen pointiert zu formulieren. Sie werden auch in interaktiven Massenveranstaltungen zum freien Sprechen und kompetenten Auftreten ermutigt – gerade auch spontan. "Es geht nicht darum, den Manierenpapst oder Benimmlehrer zu mimen, sondern die Studierenden mit wichtigen Qualifikationen auszustatten."
 
Mehr Stärken, weniger Schwächen

Miloš Vec hat an Universitäten in Deutschland, Frankreich, Litauen und nun in Österreich gelehrt. Er arbeitete lang am Max-Planck-Institut und kam so über eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung zur Lehre – "da ist der Weg eben ein bisschen länger". Mit einem Rückgriff auf Kafka akzentuiert er jedoch, dass "Wege dadurch entstehen, dass man sie geht". Vec kann seinen Studierenden daher nur raten, stets ihren Leidenschaften zu folgen, und eben nicht immer nur an den Schwächen, sondern vor allem an den Stärken zu arbeiten: "Man kann nur richtig gut werden, wenn man das macht, was einem wirklich gefällt!" (il)

Univ.-Prof. Dr. Miloš Vec, Professor für Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, hält am 5. März 2014 um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Verrechtlichung, Entrechtlichung, Rechtsvermeidung: Ordnungsbildung jenseits des Nationalstaates als Herausforderung der Rechtsgeschichte". Er hält die Antrittsvorlesung gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Magdalena Pöschl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht.