Ursula Kriebaum: Probleme erkennen und lösen

Als Professorin für Völkerrecht schlägt Ursula Kriebaum die Brücke zwischen zwei unterschiedlichen Bereichen: Menschenrechts- und Investitionsschutz. Dabei geht sie u.a. der Frage nach, wie veränderte politische und wirtschaftliche Positionen auf die juristischen Bedürfnisse von Staaten wirken.

Rechtswissenschaften hat Ursula Kriebaum eigentlich zum Ausgleich studiert: "Nachdem ich als Schülerin bei einer Mathematik-Olympiade Erfolg hatte, haben mir alle zum Mathematik-Studium geraten – und ich wollte mir nebenher einfach was 'Nettes' gönnen", schmunzelt die Professorin. "Die beiden Fächer haben – z.B. in Hinblick auf Logik und Abstraktionsvermögen – aber auch viel gemeinsam", erklärt Kriebaum und ergänzt: "Vor allem beim Investitionsrecht kann es nicht schaden, wenn man mit Zahlen und komplizierten Formeln umgehen kann."

Wissenschaft …

Einerseits an Investitionsrechtsfällen arbeiten und andererseits darüber forschen: "Da ergeben sich viele spannende Forschungsfragen von selbst – und als Wissenschafterin kann ich mir die Zeit nehmen, diese in einem größeren Zusammenhang zu betrachten", so Kriebaum, die auch die Größe der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien schätzt: "An einer kleineren Universität hätte ich nicht so viele FachkollegInnen gleich nebenan, mit denen ich unterschiedliche Forschungsfragen diskutieren kann." Die gebürtige Wienerin hat an der Alma Mater Rudolphina studiert und hier auch promoviert; 2008 erhielt sie eine außerordentliche Professur und ist seit 2011 Professorin für Völkerrecht am Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung. Dazwischen war Ursula Kriebaum viel "in der Praxis unterwegs".

… und Praxis

Wissenschaft und Praxis zu verbinden, war für die Völkerrechtlerin schon immer spannend und wichtig – vor allem in Hinblick auf ihren zweiten Forschungsschwerpunkt, die Menschenrechte: "Durch meine Tätigkeit im Österreichischen Menschenrechtsbeirat von 1999 bis 2002 habe ich gelernt, die eigene wissenschaftliche Arbeit – in diesem Fall war es meine Dissertation – in die Praxis umzusetzen."

Von 2000 bis 2001 war Kriebaum, die sich bereits als Schülerin für internationale Konfliktlösung und Menschenrechtsschutz interessiert hat, zusätzlich im Außenministerium in die Österreichischen Holocaust Restitutionsverhandlungen eingebunden. "Dadurch habe ich verstanden, wie das System wirklich funktioniert, wie in der Praxis gearbeitet wird und was möglich bzw. nicht möglich ist." Das will sie auch ihren Studierenden mitgeben: "Es gibt zwar rechtliche Möglichkeiten, regulativ einzugreifen – aber auch Bereiche, wo die Politik dominiert und damit dem Recht de facto Grenzen setzt."


"Ich habe oft an Moot Courts teilgenommen und diese später betreut – eine Chance, die ich heute nicht missen möchte", erzählt Kriebaum. Das Bild zeigt sie (3.v.l.) im Jahr 1993 in Straßburg. Ehemalige TeilnehmerInnen des International Law Moot Court arbeiten heute als DiplomatInnen, in renommierten Anwaltskanzleien, transnationalen Unternehmen, internationalen Organisationen und an Universitäten. Durch die Teilnahme lernen Studierende anwaltlich zu arbeiten und sammeln internationale Erfahrung.


 
Menschenrechte und Investitionsschutz

Heute forscht Ursula Kriebaum, die 2001 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet wurde, immer noch im Bereich der Menschenrechte – den sie um den Schwerpunkt Investitionsschutz erweitert hat. Vor allem jetzt, da öffentlich verstärkt über Investitionsschutz diskutiert wird, sei es wichtig, hier eine Brücke zu schlagen. "Man muss die Bedenken der Staaten ernst nehmen, auf der einen Seite regulativ einzugreifen und auf der anderen Seite die Investoren im Ausland zu schützen."

Die Erosion der "alten" Konstellation Kapital exportierender und importierender Staaten wirkt sich auf die bestehenden völkerrechtlichen Verträge – Investitionsschutzrecht ist Teil des Völkerrechts – aus. "In dieser Umbruchphase adäquate Antworten und Lösungen zu finden, um die Verträge nachzubessern, ist im Moment eine große Herausforderung und überaus spannend." Vor allem seit die EU als verhandelnder Akteur aktiv geworden ist und die Thematik in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dieses Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem Interesse und Investitionsschutz, bzw. die Rolle von öffentlichem Interesse im Investitionsschutz, ist Thema der Antrittsvorlesung von Ursula Kriebaum.

Auf internationalem Parkett üben

Sie ist eine der wenigen RechtsexpertInnen in Europa, die Investitionsschutz und Menschenrechte zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen. Wie man sich auf der internationalen Bühne richtig präsentiert und argumentiert, hat Kriebaum bereits als Studentin gelernt: "Ich habe oft an Moot Courts teilgenommen und diese später betreut – eine Chance, die ich heute nicht missen möchte", betont die Professorin. Die Jus-Studierenden der Universität Wien nehmen diese Möglichkeit, die ihnen das Institut bietet, immer noch gerne wahr und schneiden dabei im internationalen Vergleich stets sehr gut ab. "Die Teilnahme an International Law Moot Court Competitions ist der erste Schritt in Richtung internationale Karriere", so Kriebaum.

Neben der Empfehlung, an Moot Courts teilzunehmen und auf jeden Fall ein ERASMUS-Jahr einzuplanen – "es ist eine wertvolle Erfahrung, sich mit den Rechtssystemen anderer Länder auseinanderzusetzen" – gibt die Juristin und Mutter eines elfjährigen Sohnes den Studierenden vor allem eins mit auf den Weg: "Mit offenen Augen durchs Leben gehen, Gelerntes kritisch hinterfragen und mit viel Kreativität und Leidenschaft nach der jeweils bestmöglichen Lösung suchen. Denn es geht nicht darum, Wissen anzuhäufen, sondern Probleme zu erkennen und zu lösen – das ist das Wichtigste." (ps)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Ursula Kriebaum hält am Mittwoch, 11. Dezember 2013, um 18 Uhr im Großen Festsaal ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Investitionsschutz und öffentliches Interesse". Sie hält die Antrittsvorlesung gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Dr. Verica Trstenjak (zum Porträt) und Univ.-Prof. MMag. Dr. Klaus Hirschler (zum Porträt), die zu den Themen "Civiseuropeumsum – Die Unionsbürgerschaft: Vom Wirtschaftsbürger zum politischen Bürger" sowie "Grenzüberschreitende Umgründungen – Harmonisierung und deren Grenze" sprechen werden.