Bettina Spilker: Wissensvermittlung mit Praxisbezug
| 25. September 2018Steuerbetrug durch Karussellgeschäfte: 150 Milliarden Euro gehen der EU dadurch jährlich an Steuereinnahmen verloren. Und Bettina Spilker geht mit (dem) Recht dagegen vor. Seit August 2017 ist die Steuerrechtsexpertin Professorin für Finanzrecht an der Universität Wien.
"Durch das anspruchsvolle Jus-Studium muss man durch. Dafür ist der Beruf dann deutlich schöner", schmunzelt Bettina Spilker rückblickend. Dennoch erinnert sie sich gern an ihre Studienzeit: "Ein Highlight war das Studium und die Arbeit an einem Lehrstuhl an der Universität Lausanne. Damals wurde auch mein Interesse an einer Uni-Karriere geweckt", erinnert sich Spilker, seit einem Jahr Professorin für Finanzrecht an der Universität Wien.
Die Wahl für die Rechtswissenschaft wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. "Meine Mutter ist ebenfalls Juristin und ihr Job hat mich schon als Kind fasziniert. Relativ früh stand fest, dass es mich in dieselbe Richtung zieht." Ihr Ziel war jedoch der akademische Weg, vor allem die Lehre – und dieses Ziel hat sie im letzten Jahr mit der Professur an der Uni Wien erreicht.
Die gebürtige Münchnerin Bettina Spilker studierte in Köln, Regensburg und in Lausanne (Bild) Rechtswissenschaften. (© privat)
Die Freiheit der Wissenschaft
Vor ihrem Ruf nach Wien war die gebürtige Münchnerin an verschiedenen Universitäten in Deutschland tätig – zuletzt an der Uni Münster. Da ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte in Rechtsbereichen liegen, die in Deutschland und Österreich ähnlich sind, war die Umstellung auf das hiesige Rechtssystem gut zu meistern. "Das gilt vor allem für die Umsatzsteuer, die europaweit harmonisiert ist. Und wo es in den Rechtssystemen Unterschiede gibt, ist Rechtsvergleichung ein interessantes Feld für die Wissenschaft", ergänzt Spilker.
Eine Arbeit, wie sie als Rechtsanwältin nicht möglich wäre: "Die Wissenschaft gibt einem Freiheiten, die man sonst nicht hat", betont Spilker, die nebenbei auch in einer Kanzlei tätig ist. "An der Uni kann ich neutral rechtliche Fragen analysieren und Standpunkte vertreten. Das ist ein besonderes Privileg der Wissenschaft." Dennoch sieht Spilker den Praxisbezug als Bereicherung für sie als Forschende und Lehrende: "Die Kombination von wissenschaftlicher und anwaltlicher Tätigkeit (in Maßen) sind in meinen Rechtsbereichen ideal."
Mission Betrugsbekämpfung
Einer ihrer aktuellen Schwerpunkte ist die Bekämpfung von Mehrwertsteuermissbrauch, der in Europa zu einem immensen Steuerschaden führt. "Wir reden immerhin von 150 Milliarden Euro an Steuerausfällen jährlich", so Spilker. Stichwort: Karussellgeschäfte.
Bei dieser weit verbreiteten Form des Steuerbetrugs wirken Unternehmen, meist aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten, zusammen. Sie nutzen die Schwachstellen des Mehrwertsteuersystems aus und bereichern sich in hohem Ausmaß zu Lasten des Fiskus. Spilker will Wege aufzeigen, diese Form des Steuerbetrugs zu bekämpfen: "Meine Aufgabe ist es zu analysieren, wie es zu diesen Steuerausfällen kommt bzw. wo die Schwachstellen im europäischen Mehrwertsteuersystem liegen. Die große Schwierigkeit wird es jedoch sein, eine einstimmige Gesetzesänderung auf Unionsebene zur Beseitigung dieser Schwachstellen zu erreichen." Steuerbetrug könne nur dann effizient bekämpft werden, wenn alle Mitgliedstaaten einer Änderung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie zustimmen.
Erlerntes reproduzieren
"In meinen Lehrveranstaltungen lege ich besonderen Wert auf eine strukturierte Wissensvermittlung und unmittelbare Wissensreproduzierung der Studierenden", so Spilker, die an der Uni Wien Crashkurse im Umsatzsteuer- und Verfahrensrecht eingeführt hat. Außerdem hält sie sich an ein spezielles didaktisches Konzept: Mit sogenannten "One Minute Papers" sollen die HörerInnen unmittelbar im Anschluss an die Wissensvermittlung das Erlernte reproduzieren.
"Dabei schildere ich beispielsweise einen kurzen Sachverhalt und bitte um steuerliche Würdigung – in einer Minute. Danach bespreche ich die Falllösung. So kann jede und jeder selbst überprüfen, ob der Vorlesungsstoff so verinnerlicht wurde, dass Prüfungsfälle gelöst werden können." Mit dieser Methode, die sich bereits seit einigen Jahren bewährt, gewinnt die Professorin die Aufmerksamkeit der Studierenden.
Dranbleiben im Studium zahlt sich aus
Keine Selbstverständlichkeit – denn das Jus Studium bezeichnet selbst die erfahrene Rechtsexpertin als "streckenweise zäh", doch Fleiß zahle sich aus. Deshalb will Spilker ihre Studierenden möglichst gut begleiten und motivieren, am Ball zu bleiben. "Wer die harte Zeit der rechtswissenschaftlichen Ausbildung gut hinter sich bringt, hat an der juristischen Tätigkeit auch wirklich Freude", betont sie.
Früh übt sich: Ihren Ausgleich findet Spilker auch heute noch beim Sport – wobei es sie nach wie vor auf die Berge zieht. (© privat)
Dafür sei es natürlich wichtig, im Studium möglichst viel zu lernen und stets das Ziel im Auge zu behalten. "Mir gab ein namhafter Professor den Rat, zur Examensvorbereitung mindestens ein halbes Jahr an sechs Tagen pro Woche acht Stunden konzentriert zu lernen. Erst hielt ich das für übertrieben – doch relativ schnell habe ich realisiert, dass er wohl recht haben könnte." Heute gibt Spilker diesen Tipp an ihre Studierenden weiter – mit dem Zusatz: "Einen Tag in der Woche sollte man sich eine Auszeit nehmen. Sprich: Möglichst nichts Juristisches machen, sondern etwas, das Spaß macht und auf das man sich an den Lerntagen freuen kann."
Ihren Ausgleich findet Spilker am Berg – ob beim Wandern oder Skifahren, auf den bayrischen oder österreichischen Gipfeln. Und obwohl Steuerrecht ihr "Steckenpferd" ist, schiebt sie die private Steuer eher auf die lange Bank. "Formalitäten sind nicht meins, mir macht das dahinterstehende materielle Recht Spaß – die Steuererklärung an sich finde ich sogar eher lästig", schmunzelt sie. (ps)
Bettina Spilker ist seit Oktober 2017 Professorin am Institut für Steuerrecht. Ihre Antrittsvorlesung hält sie am 10. Oktober 2018 um 17 Uhr Antrittsvorlesung zum Thema "Mehrwertsteuerbetrug – kein Ausweg?" im Kleinen Festsaal der Universität Wien. Im Anschluss halten Florian Schuhmacher und Michael Potacs ihre Antrittsvorlesungen zu den Themen "Zum Wettbewerbsverständnis im österreichischen Recht" und "Umgehung im Wirtschaftsverwaltungsrecht". Einladung zur Antrittsvorlesung (PDF)