Michael Potacs: "Mein Weg liegt in der Wissenschaft"

Wie das österreichische und das EU-Recht zusammenwirken können, ist einer der Schwerpunkte des neuen Professors für Öffentliches Recht an der Universität Wien, Michael Potacs. Nach unterschiedlichen Karrierestationen ist er nun als Professor an seine Alma Mater zurückgekehrt.

Eine Frage, die Michael Potacs schon zu Schulzeiten faszinierend fand, war: Gibt es Objektivität? Kein Wunder, dass ihn das Studium der Philosophie reizte. Auf Wunsch der Eltern inskribierte er dennoch Rechtswissenschaften; gleichzeitig entschied er sich für ein Doppelstudium in Kombination mit Philosophie. "Darüber bin ich bis heute froh. Denn als ich realisierte, dass bei der Lösung von Rechtsfragen die existentiellen Grundfragen stets eine Rolle spielen, habe ich einen Zugang zu den Rechtswissenschaften gefunden, der mich bis heute begeistert", sagt der neue Professor für Öffentliches Recht.

Vielfältige Karrierestationen

Nach seinem Abschluss an der Universität Wien und dem Gerichtsjahr wechselte Potacs an das Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht der Wirtschaftsuniversität Wien. Neben seiner dortigen Assistentenstelle arbeitete er an seiner Dissertation in Philosophie, in der er sich mit Existentialismus, Erkenntnistheorie und Sozialphilosophie beschäftigte. Nach seiner Habilitation für Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien im Jahr 1991 nahm der Jurist eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Freiburg an.

"Ich habe mich eigentlich immer in der Wissenschaft gesehen", so Potacs: "Aber da in Österreich keine akademischen Stellen frei waren, wechselte ich in den Verfassungsdienst. Dort begegnete mir ein vollkommen anderer – praktischer – Zugang zur Rechtsprechung, der enorm wichtig für mich war." Michael Potacs arbeitete für die Abteilung Europarecht, deren Aufgabe es war, das "österreichische Recht EU-fit zu gestalten", also die österreichische Rechtsordnung in die europäische zu integrieren. "Das war damals rund um den EU-Beitritt Österreichs eine wirklich spannende Zeit und eine entsprechend interessante Arbeit. Dennoch wusste ich, dass mein Weg in der Wissenschaft liegt."

Zurück an die Universität Wien

Mehrere Jahre war Potacs anschließend Professor für Öffentliches Recht an der Universität Klagenfurt, es folgte eine weitere Professur an der Wirtschaftsuniversität Wien für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht. "Schließlich wollte ich dorthin zurück, wo für mich alles begann", resümiert der Rechtswissenschafter: "Die juristische Fakultät der Uni Wien ist einzigartig, hier haben meine Vorbilder gewirkt. Ich fühle mich am Juridicum sehr wohl und auch sehr geehrt, die Professur für Öffentliches Recht erhalten zu haben."

Erfolg Europas von Banken abhängig

In seiner Forschung beschäftigt sich Michael Potacs mit aktuellen Fragen rund um das Gewerbe-, Energie- oder Telekommunikationsrecht. "Da geht es zum Beispiel um die Verpflichtung zu Leitungsrechten auf privatem Grund oder die Aufstellung von Masten." Ein weiterer großer Schwerpunkt des neuen Professors ist die rechtliche Situation rund um die Bankenunion. "Europapolitisch halte ich diese für enorm wichtig. Meiner Meinung nach hängt der Erfolg Europas maßgeblich vom Erfolg der Banken ab", erklärt Potacs: "Die Bankenaufsicht ist ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel von staatlichem und EU-Recht. Staaten sollten bei einem Fehlverhalten von Banken in Zukunft nicht mehr einspringen. Das wirft natürlich viele spannende Rechtsfragen auf, mit denen ich mich intensiv beschäftige."

Ein dritter Schwerpunkt dreht sich um Rechtstheorie und Methodenlehre. Hier hat Michael Potacs gemeinsam mit Alexander Somek vom Institut für Rechtsphilosophie und Christoph Bezemek von der Universität Graz einen Gesprächskreis für junge WissenschafterInnen gegründet sowie die Vortragsreihe "Vienna Lectures on Legal Philosophy" ins Leben gerufen. In einer laufenden Kooperation mit der Karlsuniversität in Prag arbeitet Potacs an Publikationen zu Grundfragen der Rechtsordnungen wie "Effet Utile", "Abuse of Law" oder derzeit "Public Interests". "Heute reflektieren wir viel stärker im internationalen Kontext. Die rechtliche internationale Vernetzung ist dichter geworden."

Fragen provozieren

Die Lehre und das Arbeiten mit seinen Studierenden ist dem Juristen ein Anliegen: "Besonders wichtig ist es mir, Diskussionsbereitschaft hervorzurufen. Ich mag es, wenn sie es schaffen, Fragen zu provozieren, die ich nicht sofort beantworten kann und ich ihnen sage: 'Das muss ich mir näher anschauen'". (td)

Michael Potacs ist seit September 2017 Professor für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftsverwaltungsrechts an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Am Mittwoch, 10. Oktober 2018, hält er um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Umgehung im Wirtschaftsverwaltungsrecht". Gemeinsam mit ihm halten auch die RechtswissenschafterInnen Bettina Spilker und Florian Schuhmacher ihre Antrittsvorlesung. Einladung zur Antrittsvorlesung (PDF)