Wie der Apfel vom Stamm fällt

Kein Ei gleicht dem anderen: Jede Zelle beherbergt zwei elterliche Anteile als Genome, die durch Meiose neu verteilt werden. Im Rahmen eines einzigartigen Doktoratsprogramms an der Universität Wien forschen 17 internationale PhD-Studierende zu Zellkernteilung und Chromosomendynamik.

Jasmin Bassler ist eine von 17 DoktorandInnen, die das dreiteilige und äußerst anspruchsvolle Bewerbungsverfahren für das Doktoratskolleg "Chromosomendynamik" erfolgreich hinter sich gebracht und sich gegen KonkurrentInnen aus aller Welt durchgesetzt hat: "Das Doktoratskolleg bringt StudentInnen mit unterschiedlichem wissenschaftlichem Background an die Universität Wien, die hier zusammen grundlegende Mechanismen der Chromosomendynamik aus verschiedenen Perspektiven untersuchen und das bestehende Wissen ausbauen", sagt die junge Wiener Pflanzengenetikerin.

Seit September 2012 forscht und lernt Jasmin Bassler gemeinsam mit ihren 16 KollegInnen an den Max F. Perutz Laboratories – wobei ihr zwölf etablierte WissenschafterInnen der Universität Wien, des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und des Gregor-Mendel-Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie über die Schulter schauen. "Das international renommierte Doktoratsprogramm bringt exzellente Leute nach Österreich und positioniert die Universität Wien weltweit stärker", freut sich auch der Sprecher des Doktoratskollegs, Peter Schlögelhofer vom Department für Chromosomenbiologie der Universität Wien.


Dieser Artikel erschien im
Forschungsnewsletter Dezember 2013.

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Renommierte MentorInnen


"Jeder und jede Studierende hat einen Wissenschafter bzw. eine Wissenschafterin zur direkten Betreuung der praktischen und theoretischen Arbeit zur Seite. Zusätzlich gibt das wissenschaftliche Komitee einmal jährlich Feedback und evaluiert die Arbeit der NachwuchswissenschafterInnen", betont Peter Schlögelhofer. Ist die Forschungsarbeit sinnvoll und machbar oder etwa zu riskant? Ist sie im Rahmen des Doktoratskollegs (DK) karrierefördernd? "Der wissenschaftliche Weg der JungforscherInnen wird damit gefördert aber auch kontrolliert", erklärt Schlögelhofer und ergänzt: "Das hat auch für unser Department einen wichtigen Mehrwert – immerhin sind in die einzelnen Projekte renommierte internationale ForscherInnen eingebunden."


"The main topic of my research is regulation of gene expression, for me one of the most interesting topics in the field of biology. To understand how the expression of genes is regulated is to understand how organisms work. This means to understand the deepest secret of nature! To be part of the DK gives me a lot of advantages, such as the participation in the recent workshop on advanced light microscopy, where I had the possibility to talk with experts in the field. Moreover, I got to know all the other students involved in the program, coming from many different countries, with whom I can socialize and exchange points of view also in a less official environment", so die italienische PhD-Studentin Jessica Ferrari über ihre Teilnahme am DK Chromosomendynamik.



Wissenschaft und Ausbildung


Das DK als erste spezialisierte Ausbildung im Bereich Chromosomendynamik ergänzt den gleichnamigen, ebenfalls vom FWF finanzierten, Spezialforschungsbereich an der Universität Wien: "Durch die thematische Überschneidung von Forschung und Ausbildung werden wichtige Synergien geschaffen", freut sich Schlögelhofer.

"Der Austausch ist groß und es gibt viele Ansprechpersonen direkt am Campus Vienna Biocenter, zu denen die Studierenden einfach und unbürokratisch hingehen können", ergänzt DK-Koordinatorin Marie-Therese Kurzbauer, die den KollegiatInnen u.a. "Lebenshilfe" bietet: Sie unterstützt bei der Beschaffung der nötigen Visa und hilft beim Steuerausgleich. "Besonders spannend ist, dass die Studierenden aus so vielen verschiedenen Nationen kommen." Kurzbauer vergleicht das DK mit einer Klassengemeinschaft, wo man sich auch privat um die anderen kümmert – und sich beim regelmäßigen Stammtisch besser kennenlernt.


"Ich untersuche die Auswirkungen von Hitzestress auf die Organisation und Dynamik von pflanzlicher DNA im Zellkern. Das ist von größter Bedeutung, denn je nach Grad der Verpackung der DNA können darin enthaltene Gene abgelesen und aktiv werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von 'epigenetischer Regulation': Sie steuert die Aktivität von Genen, ohne dabei die eigentliche DNA-Sequenz zu verändern, und ermöglicht einem Organismus, sich an verändernde Umweltbedingungen anzupassen", erklärt PhD-Studentin Jasmin Bassler ihre Forschungsarbeit. 



Chromosomenbiologie im Fokus


Da die DK-Managerin Therese Kurzbauer den JungwissenschafterInnen auch bei der Bewältigung ihrer Alltagsprobleme hilft, können sich diese umso besser auf ihre Forschung konzentrieren. Unter anderem geht es darum, in verschiedenen Modellorganismen die Meiose – eine besondere Form der Zellkernteilung – zu untersuchen. Die Meiose beschreibt den Entstehungsprozess generativer Zellen: Diese Zellen sorgen dafür, dass ein Organismus eine Generation weiter kommt. Beim Menschen sind das die Ei- und Spermienzellen – bei den Pflanzen die Pollen und der Embryosack. Durch die Meiose werden die zwei elterlichen Erbgutanteile, die in jeder Zelle als Genom vorliegen, neu verteilt. Die Chromosomen wandern nicht nur frei umher – es werden auch Chromosomenabschnitte aufgebrochen und neu zusammengefügt. Schlussendlich hat jedes Spermium und jede Eizelle ein einzigartiges Setup.

Weitere Forschungsthemen beschäftigen sich mit der Frage, wie Chromosomen organisiert und geformt werden, wie ihre Information kontrolliert umgesetzt wird, wie sie "gerecht" auf Tochterzellen aufgeteilt werden und wie in verschiedenen Stadien des Zellzyklus die DNA – das Molekül, das die genetische Information trägt – repariert wird. "In diesem Rahmen beforschen wir DNA-Reparatur, Chromosomenverteilung, Funktionsweise der Chromosomenenden sowie Epigenetik – also wie Chromosomen im Ganzen reguliert werden", so Peter Schlögelhofer über das zentrale Forschungsthema des Programms.
 


Peter Schlögelhofer begleitet die JungforscherInnen dabei, der Natur "ein Stück Wissen" abzuringen. "Ein besseres Verständnis dieser biologischen Vorgänge kann schnell in medizinisches Wissen umgesetzt werden", so der Chromosomenbiologe. Z.B. untersucht eine Kollegiatin die Ursachen, die zu Chromosomenfehlverteilungen – wie zum Beispiel Trisomien – führen können: Eine bekannte Fehlverteilung, die das Embryostadium überlebt, ist die Trisomie 21 – auch als Down-Syndrom bekannt.



Harte und softe Skills


Neben dem wissenschaftlichen Verständnis ist die fachliche Ausbildung das Hauptziel des DK: Welche Technik kann eingesetzt und wie kann sie für andere Bereiche angewandt werden? "Wir statten die Studierenden – u.a. über Workshops und Vorträge – mit einem breiten Wissen aus", erklärt Schlögelhofer. Das DK zeichnet sich durch ein ambitioniertes Rahmenprogramm aus. Datenpräsentation, wissenschaftliches Englisch aber auch Ethik werden vermittelt: Was ist erforschbar und wo liegen die Grenzen im ethischen Sinn? "Unsere Karriereworkshops zeigen den Studierenden auch Wege außerhalb der 'Hardcore-Wissenschaft' auf", erklärt Schlögelhofer und fügt schmunzelnd hinzu: "Sie sollen alle Möglichkeiten kennen – wir wünschen uns natürlich, dass sie in der Wissenschaft bleiben." (ps)


Die internationalen PhD-Studierenden des FWF-Doktoratskolleg "Chromosomendynamik" forschen und lernen an den Max F. Perutz Laboratories.



Das FWF-Doktoratskolleg "Chromosomendynamik" läuft seit März 2012 und ist für vier Jahre angesetzt. Neben dem Sprecher, Assoz. Prof. Dr. Peter Schlögelhofer vom Department für Chromosomenbiologie, besteht die Faculty des DK aus elf WissenschafterInnen der Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien, des Instituts für Molekulare Biotechnologie und des Gregor-Mendel-Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie, die gemeinsam 17 PhD-StudentInnen betreuen.