Wenn arktischen Mikroben heiß wird
| 29. April 2015In arktischen Torfböden lebende Mikroorganismen passen sich an unterschiedliche Temperaturen an. Auch bei Wärme können sie das Treibhausgas Methan mit hoher Effizienz produzieren, berichtet ein internationales Team unter Beteiligung von ForscherInnen der Universität Wien im Fachjournal "PNAS".
"Mikroorganismen spielen eine Schlüsselrolle bei den Emissionen des Treibhausgases Methan aus den anoxischen kohlenstoffreichen Torfböden der arktischen Permafrostregion", sagt Tim Urich vom Department für Ökogenomik und Systembiologie der Universität Wien, einer der Co-Autoren der aktuellen Studie. In den Torfböden der Arktis sind mehrere hundert Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert, rund die Hälfte des Kohlenstoffs, der sich derzeit in Form von Kohlendioxid in der Atmosphäre befindet.
Die Permafrostböden tauen im Frühjahr und Sommer auf und beherbergen komplexe Mikroorganismengemeinschaften aus Bakterien, Archaeen, Pilzen und anderen Mikroorganismen, die den gespeicherten Kohlenstoff gemeinsam abbauen und dabei die Klimagase Kohlendioxid und Methan produzieren.
Steigt die Temperatur, steigen auch die Methanemissionen
Diese Böden tragen mit rund drei bis zehn Prozent zu den globalen Methan-Emissionen bei. Da Vorhersagen davon ausgehen, dass durch die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts die Oberflächentemperaturen in der Arktis um zwei bis elf Grad Celsius im Winter und ein bis sechs Grad im Sommer steigen, erwartet man eine Erwärmung dieser Böden – die dadurch früher im Jahr und bis in tiefere Schichten auftauen könnten. Demzufolge ist auch mit einem Anstieg der Methanemissionen aus diesen Böden zu rechnen.
Mit Torfproben und Methodenkombination
Allerdings war bisher unklar, wie sich die komplexe Mikroorganismengemeinschaft (Mikrobiota) und deren Kohlenstoffabbauwege den veränderten Temperaturen anpassen und die erhöhte Methanproduktion bewerkstelligt. Die ForscherInnen sammelten deshalb Torfproben auf der arktischen Insel Spitzbergen und inkubierten diese systematisch im Labor bei Temperaturen von bis zu 30°C, während sie die Aktivitäten und Zusammensetzung der Mikrobiota mit einer innovativen Methodenkombination verfolgten.
Schwellenwert sieben Grad Celsius
"Dies ermöglichte ein hoch-auflösendes Bild der dynamischen strukturellen und funktionellen Anpassungen auf verschiedenen Ebenen der Kohlenstoffabbaukaskade innerhalb der Mikrobiota", berichtet Alexander Tveit vom Department für Arktische und Marine Biologie der Universität Tromsø (Norwegen), Erstautor der Studie.
Diese Anpassungen ermöglichten es der Mikrobiota, eine hohe Kohlenstoff-Abbaurate und Methanproduktion bei allen Temperaturen zu gewährleisten. So waren bei höheren Temperaturen andere Mikroorganismen an bestimmten Abbauschritten beteiligt als bei tieferen Temperaturen.
Als Schwellenwert stellte sich dabei eine Temperatur von ca. sieben Grad Celsius heraus: Beipsielsweise tauchte bei höheren Temperaturen eine weitere Gruppe von Methanproduzenten auf, die unter sieben Grad kaum aktiv war.
Jahr des Bodens Die UNO hat das Jahr 2015 zum "Internationalen Jahr des Bodens" erklärt. Damit steht der Lebensraum zu unseren Füßen ein Jahr lang im Fokus der Aufmerksamkeit. Artikel rund um den Boden können nun im uni:view-Dossier nachgelesen werden. |
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Arktische Böden besser verstehen
Sehr überrascht hat die ForscherInnen, wie schnell sich die Mikrobiota auch an sehr hohe Temperaturen adaptierten: Das geschah innerhalb von 30 Tagen.
Die neuen Ergebnisse illustrieren erstmals, wie die Mikrobiota in arktischen Torfböden ihre metabolischen Interaktionen moduliert, um hohe Kohlenstoffabbau- und Methanproduktionsraten auch bei drastisch erhöhten Temperaturen zu gewährleisten. Tim Urich von der Universität Wien und seine internationalen KollegInnen tragen mit ihrer aktuellen Arbeit zu einem besseren Verständnis der bisher wenig erforschten Mikroorganismengemeinschaften in arktischen Permafrostböden bei. (APA/red)
Die Publikation "Metabolic and trophic interactions modulate methane production by Arctic peat microbiota in response to warming" (AutorInnen: Alexander Tøsdal Tveit, Tim Urich, Peter Frenzel, Mette Marianne Svenning) erschien am 27. April 2015 im Journal "PNAS".