Wachhunde im Riff: Fische verteidigen "ihre" Korallen

Jedes Haus ist einzigartig und sogar lebendig: Die Rede ist von Steinkorallen, die Meergrundeln ein nahezu ideales Zuhause bieten. Welchen Einfluss die marinen Bewohner nun auf ihr Heim haben und welche ökologischen Effekte daraus resultieren, untersuchen ForscherInnen der Universität Wien.

"My home is my castle" – so könnte das Motto der Grundeln lauten, die ihre Steinkorallen, die sie permanent bewohnen, gegen Feinde vehement verteidigen. Ihre Strategie hat der Meereszoologe Markus Dirnwöber von der Universität Wien im Rahmen des FWF-Projekts "Anpassungen und Mutualismen zwischen Korallen und Fischen" vor Ort im nördlichen Roten Meer untersucht. Die ersten Ergebnisse veröffentliche Dirnwöber gemeinsam mit FWF-Projektleiter Jürgen Herler vom Department für Integrative Zoologie in der Fachzeitschrift "Coral Reefs".


Korallenriffe bilden das vielfältigste und artenreichste Ökosystem unserer Meere. Mit einer Gesamtfläche von rund 250.000 Quadratkilometern repräsentieren Korallenriffe zwar nur einen kleinen Teil der 362 Millionen Quadratkilometer an Meeresoberfläche, beherbergen aber dennoch geschätzte 400.000 Arten von Meeresbewohnern, darunter etwa 25 Prozent aller marinen Fische. (Foto: Markus Dirnwöber)



In einer Serie von Experimenten konnten die Zoologen zeigen, dass die Korallengrundeln ihr Heim verteidigen. Ziel der Feindabwehr sind die für die Grundeln eigentlich vollkommen harmlosen Falterfische (Chaetodontidae). Diese sind allerdings darauf spezialisiert, im Korallenriff das hauchdünne Korallengewebe samt Korallenpolypen vom Kalkskelett der Kolonie und daher vom lebensnotwendigen Heim abzuweiden. Wenig Chance haben sie allerdings bei den "Häusern" der Grundeln: Bewohnte Korallenkolonien können gegenüber unbewohnten Kolonien bis zu 98 Prozent des Fraßes durch Falterfische vermeiden – auf Kosten der unbewohnten Korallen.


Feindabwehr durch chemische Keule

Videoanalysen der Interaktionen zwischen Falterfisch und Grundel zeigten dabei, dass sich manche der Grundelarten gegenüber dem Falterfisch kaum aggressiv verhielten, sondern mit Flossenschlägen und Schwimmbewegungen zwischen den Korallenästen auf sie reagierten. Da die hochangepassten Grundeln statt Schuppen eine giftige Haut besitzen, gingen die Meeresbiologen davon aus, dass bei der Körper- und Flossenbewegung bestimmte Substanzen freigesetzt werden, die ähnlich einem Moskitospray als chemische Keule fungieren. In einem zweiten Experiment konnte schließlich gezeigt werden, dass Falterfische tatsächlich Wasserbereiche meiden, in denen der von der Haut der Grundeln abgesonderte Schleim in einer Verdünnung von 1:200.000 gelöst ist.

Profitieren die Steinkorallen von ihren Bewohnern?

"Obwohl es aus evolutionärer Sicht sehr vorteilhaft für die Grundeln wäre, ihr Eigenheim zu pflegen, bleibt es vorerst offen, ob die Korallen tatsächlich vom Ausbleiben der Falterfische z.B in ihrem Wachstum profitieren", erklärt Jungwissenschafter Dirnwöber. Einerseits ist dies noch umstritten, da so feine Wachstumsmessungen bisher nicht stattgefunden haben. Andererseits ist es möglich, dass die Grundeln selbst auch einen negativen Effekt auf die Koralle haben und diesen durch ihren Schutz vor Falterfischen oder das Entfernen von schädlichen Algen kompensieren.


FWF-Projektleiter und Meereszoologe Jürgen Herler widmet sich seit Jahren der Ökologie und Morphologie mariner Fische. Im Roten Meer an Ägyptens Küstensaumriffen betreibt er nicht nur seine eigene Forschung, sondern bietet für Studierende der Universität Wien ein zweiwöchiges Projektpraktikum zum Thema Korallenriffökologie an. Sowohl österreichische als auch ägyptische StudentInnen können so ihren akademischen Abschluss in diesem hochinteressanten, aber in Österreich kaum vertretenen Forschungsgebiet der Riffökologie erlangen. Darunter ist auch Markus Dirnwöber vom Department für Integrative Zoologie, der seine Forschungen auf die Grundelgattung Gobiodon fokussiert hat.



Mithilfe eigens entwickelter Methoden kann das Forscherteam der Universität Wien nun die Wachstumsraten von ganzen Korallenkolonien messen und damit erstmals die Einflüsse der Korallenbeweidung beziehungsweise jene der Grundeln auf Kolonieebene erfassen. Hierbei kommt auch ein eigens entworfenes Unterwasser-Videoüberwachungssystem zum Einsatz, das Langzeitbeobachtungen ermöglicht und wertvolle Informationen über die Bissraten pro Korallenkolonie liefert. "Die aufwendigen Freilandarbeiten haben sich gelohnt, die Messungen waren erfolgreich, die Videoauswertung ist abgeschlossen und die gewonnenen Daten sehen sehr vielversprechend aus", freut sich Markus Dirnwöber.  

Bedeutende Rolle der Korallengrundeln


Obwohl Falterfische typischerweise nur bestimmte Korallengattungen und -arten beweiden und die Forschungen zu ihrem Verhalten sehr umfangreich sind, hat bisher niemand die Möglichkeit einbezogen, dass den Korallengrundeln hierbei eine bedeutende Rolle zukommen könnte. Eine Rolle, die in Zukunft vermutlich noch tragender wird, da vor allem die Korallengattung Acropora durch die Klimaerwärmung und dem daraus resultierenden Korallensterben durch Korallenbleiche stark betroffen ist. Eine der vielen Folgen hieraus ist, dass die durchschnittliche Korallenkoloniegröße sinken wird. Einerseits sind besonders die kleinen Kolonien stärker durch die Beweidung von Falterfischen betroffen, andererseits lassen sie sich aber aufgrund ihrer kleinen Größe auch besonders gut verteidigen.

"Die noch auszuwertenden Ergebnisse sämtlicher ProjektmitarbeiterInnen lassen aufschlussreiche Informationen hinsichtlich dieser Entwicklungen erwarten", so Projektleiter Jürgen Herler abschließend. (red)

Das FWF-Projekt "Anpassungen und Mutualismen zwischen Korallen und Fischen" unter der Leitung von Mag. Dr. Jürgen Herler vom Department für Integrative Zoologie läuft noch bis Ende April 2013. Projektmitarbeiter Mag. Markus Dirnwöber verfasst im Rahmen des Projekts seine Dissertation und erforscht die Symbiose zwischen Steinkorallen und Grundelfischen.