Von der Wellblechhütte zur modernen Forschungsstation
| 23. April 2018Leben und Sterben der Regenwälder, Klimawandel, Vielfalt tropischer Pflanzen und Tierarten. Themen, denen in der wohl südlichsten Außenstelle der Uni Wien auf den Grund gegangen wird. Zum 25. Jubiläum der costa-ricanischen Tropenstation La Gamba spricht uni:view mit dem Biologen Florian Hofhansl.
Von Wien nach La Gamba und zurück: Mit Zahlen, Proben und neuen Erkenntnissen im Gepäck ist Florian Hofhansl gerade von einer Forschungsexkursion aus Costa Rica zurückgekehrt. "Costa Rica zählt zu den artenreichsten Ländern der Erde", schwärmt der Uni Wien-Biologe: "Allein der Esquinas-Wald rund um La Gamba beheimatet bis zu 2.700 Pflanzenspezies und 850 Vogelarten – perfekte Bedingungen zum Forschen."
Gekommen, um zu entdecken
Rund zehn Jahre ist es her, dass Hofhansl zum ersten Mal costa-ricanischen Boden betreten hat. Seitdem tauscht er seinen heimischen Arbeitsplatz an der Universität Wien regelmäßig mit der Tropenstation in La Gamba ein. "Zu Beginn beschäftigte ich mich mit der Artenvielfalt der Libellen im Esquinas-Wald. Bald schon hat sich mein Forschungsinteresse verschoben, in Richtung Bäume und deren Bedeutung im System Regenwald", berichtet er von den Anfängen seines langjährigen Forschungsprojekts.
Im Klimawandel-Labor
Über sieben Jahre lang haben Hofhansl und seine MitarbeiterInnen monatlich Daten über das Wachstum tropischer Baumarten erhoben. In diesen Untersuchungszeitraum fiel auch ein El Niño, ein Wetterphänomen, das alle vier bis fünf Jahre um Weihnachten herum auftritt und global für Klimaanomalien sorgt. Die dadurch veränderten Wetterbedingungen kamen einem möglichen zukünftigen Klimawandelszenario gleich: "Es war durchschnittlich drei Grad wärmer und regnete 30 Prozent mehr in der Untersuchungsregion rund um die Tropenstation La Gamba. Erstmals konnten wir Messdaten generieren, die für Klimawandelmodelle benötigt werden."
Die eigene CO2 Bilanz aufbessern und La Gamba helfen? Für 18 Euro einen Baum im "Regenwald der Österreicher" kaufen und durch die Speicherung des Treibhausgases CO2 einen Beitrag zum Klimaschutz leisten! Mit den lukrierten Geldern werden Regenwaldgebiete freigekauft, die Wiederbewaldung von Weideflächen finanziert und Sozialprojekte in der Region unterstützt. Mehr Informationen (© Florian Hofhansl)
Klimawandel beeinflusst Baumwuchs
Mithilfe der so generierten Daten konnte Hofhansl untersuchen, wie sich der bevorstehende Klimawandel auf den Baumwuchs im Regenwald auswirken könnte: "Die Bäume haben aufgehört zu wachsen, da sie sich durch die überdurchschnittliche Trockenheit und den damit verbundenen Wassermangel nicht ausreichend ernähren und daher keine Biomasse anreichern konnten. Das war vorherzusehen. Neu war jedoch, dass die Bäume je nach Standort unterschiedlich auf die Trockenheit reagierten. Vom Klimawandel sind besonders Wälder in der Hochebene betroffen. Die Bäume sind zwar kurzfristig besser an Trockenheit angepasst, doch wenn diese länger andauert, geht die Holzproduktion um bis zu 35 Prozent zurück" (Zur Open Access Publikation über die Forschungsarbeit von Florian Hofhansl)
Im Durchschnitt 28 Grad
Ob der Klimawandel in La Gamba bereits zu spüren ist und ob sich die Temperatur seit den Anfängen der Tropenstation vor 25 Jahren verändert hat, lässt sich aufgrund der starken saisonalen Klimaschwankungen statistisch nicht einwandfrei belegen, räumt Hofhansl ein: "In Costa Rica herrscht eine jährliche Durchschnittstemperatur von 28,3 Grad. Was sich aber durchaus quantitativ belegen lässt: Die globale Durchschnittstemperatur hat sich seit der Industrialisierung um ca. 1,1 Grad erhöht." (Durchschnittstemperaturen seit 1880)
"Wenn CO2 durch Wiederbewaldung ökologisch sinnvoll eingebaut wird, kann ein naturnahes Ökosystem geschaffen werden; in Monokulturen ist das nicht der Fall" – Florian Hofhansl hat konkrete Vorstellungen, wie wir unser Klima retten können. Zur aktuellen Semesterfrage
Zurück zu den Anfängen
Die Geschichte der Tropenstation La Gamba begann mit einem Wiener Musiker. Der Violinist Michael Schnitzler war auf der Suche nach dem Paradies, um sich in grüner Idylle niederzulassen. Was er fand: La Gamba, ein kleiner Ort mitten im fruchtbaren Gebiet rund um den Golfo Dulce im Süden Costa Ricas.
Geburtshilfe für den "Regenwald der Österreicher"
Die paradiesische Abgeschiedenheit wurde jedoch von Wilderern und illegaler Abholzung getrübt. "Als Reaktion darauf gründete Schnitzler den 'Regenwald der Österreicher': Mit Spendengeldern aus der Heimat kaufte er Landflächen an und übergab sie – unter der Bedingung des Schutzes – an die costa-ricanische Regierung", berichtet Hofhansl.
Startschuss für die Forschung im Regenwald
Bald schon gab es die Idee, den "Regenwald der Österreicher" für Forschungszwecke zu nutzen. Die damaligen Biologiestudenten Anton Weissenhofer und Werner Huber – Florian Hofhansls heutige Kollegen am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung – reisten erstmals 1993 nach Costa Rica, um Daten für ihre Diplomarbeit zu sammeln. Trotz Anfangsschwierigkeiten wie Dauerregen, fehlender Infrastruktur, Moskitos und Giftschlangen wurde La Gamba für die Forschungspioniere zur Herzensangelegenheit.
25 Jahre später
Seit der anfänglichen Feldforschung von Anton Weissenhofer und Werner Huber sind 25 Jahre vergangen: Die Wellblechhütte der frühen Stunde ist einer modernen Forschungsstation gewichen, die idealistischen Studierenden von damals sind heute ambitionierte Geschäftsführer von La Gamba. Derzeit sind drei Forschungsprojekte in Kooperation mit der Universität Wien (Leitung: Wolfgang Wanek) und der BOKU Wien (Leitung: Peter Hietz) sowie eine Baumschule (Finca Modelo), in der regionale Jungpflanzen gezogen werden, an der Tropenstation La Gamba angesiedelt.
Im Rahmen eines Sparkling Science Projekts forschen SchülerInnen der Sir Karl Popper Schule und des BRG 19 in La Gamba: Sie untersuchen, wieviel Kohlendioxid ein wachsender Baum aufnehmen kann und verdeutlichen so den Zusammenhang zwischen Waldschutz und globalem Klimawandel.
Von der Finca Modelo …
Die Finca Modelo befindet sich auf dem Gelände einer alten Volksschule: "Hier werden tropische Frucht- und Gemüsespezialitäten angebaut, Biodünger erzeugt und einheimische (Jung-)Bäume für die Wiederbewaldung kultiviert", berichtet Hofhansl. Im Versuchsgarten von La Gamba wird eng mit den ansässigen Bäuerinnen und Bauern zusammengearbeitet. "Wir wollen die lokale Landbevölkerung animieren, auf ihrem Grund heimische Bäume zu pflanzen, die sie nachhaltig nutzen können, und so Monokulturen vorbeugen."
In Zusammenarbeit mit dem Verein Regenwald der Österreicher, Regenwald Luxemburg und der lokalen Bevölkerung von La Gamba wird auf ausgesuchten Flächen Wiederbewaldung mit einheimischen Baumarten durchgeführt und von dem COBIGA (Corredor Biológico La Gamba) Projekt wissenschaftlich begleitet. Nähere Informationen (© Florian Hofhansl)
… in den Regenwald
Die Jungpflanzen aus der Finca Modelo werden zur Wiederbewaldung verwendet. "Unser Ziel ist es, Weide- und Brachland mit vorhandenen Waldflächen zu verbinden. Besonderes Augenmerk liegt hier auf der Bepflanzung von Waldlichtungen sowie der Wiederbewaldung von Viehweiden und Flächen entlang von Flussläufen", erklärt Hofhansl. Entstehen soll ein biologischer Korridor, der es den zahlreichen Wildtieren Costa Ricas, unter ihnen der Jaguar, ermöglicht zu wandern und stabile Populationen zu bilden. Bislang konnten 45 Hektar Weidefläche wiederbewaldet werden: 37.500 Bäume aus über 200 einheimischen Baumarten wurden gesetzt. "Wir haben noch einiges zu tun", so Hofhansls Bilanz. Die nächste Reise nach Costa Rica mit Studierenden der Universität Wien steht im Sommersemester 2019 an. (hm)
Selbst nach La Gamba: Forschen in La Gamba? Ein Praktikum in den Tropen? Freiwilligendienst im Regenwald? Die Tropenstation La Gamba freut sich über engagierte MitarbeiterInnen und interessierte BesucherInnen. Mehr Informationen (© Florian Hofhansl)
Florian Hofhansl forscht und lehrt am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Als Tropenforscher reist er regelmäßig nach Costa Rica, um im Regenwald rund um die Tropenstation La Gamba weitere Daten zu sammeln. Im Alter von neun Jahren hat er von seiner Mutter den ersten Quadratmeter Regenwald geschenkt bekommen.