Von der Sandkiste in den Untergrund

Vier Jahre – 14 Millionen Euro – 13 Länder – 28 Forschungspartner und die Hoffnung auf sauberes Grundwasser. So lauten die Eckdaten des Projekts NANOREM: das größte EU-Projekt zum Einsatz der Nanotechnologie in der Umweltsanierung. Mit an Bord sind ForscherInnen der Universität Wien.

"Die Zukunft liegt in der Nanotechnologie!" So pointiert spricht sich Vesna Micic, Postdoc am Department für Umweltgeowissenschaften, für das Projekt NANOREM aus. Ziel der UmweltgeowissenschafterInnen der Universität Wien ist die Entwicklung eines neuen, kostengünstigen Verfahrens, das mit Hilfe von Eisenpartikeln hoch kontaminiertes Grundwasser in situ – das heißt in diesem Fall im Untergrund – sanieren soll.

Kontaminiertes Grundwasser …

"Unser Trinkwasser setzt sich zu rund 50 Prozent aus Quell- und zu 50 Prozent aus Grundwasser zusammen", erklärt Thilo Hofmann, Dekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie. Doch das Grundwasser ist stellenweise massiv verunreinigt, etwa durch Lösungsmittel wie dem hochtoxischen Perchlorethylen (Tetrachlorethylen; C2Cl4), das in Industriebetrieben wie Putzereien oder metallverarbeitenden Betrieben eingesetzt wird und durch Versickerung in den Boden und in das Grundwasser gelangt.


Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter April 2013.
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Derart kontaminiertes Grundwasser ist auf Jahrzehnte hochgiftig und schwer zu reinigen, weil die betroffenen Regionen unter Gebäuden oft nicht zugänglich sind. Der Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Liter für die Summe von Trichlorethylen und Tetrachlorethylen, der in der Trinkwasserverordnung festgelegt ist, wird nicht selten bis zu 2.000-fach überschritten.

… natürlich sanieren

Hoffnungsträger für die Grundwassersanierung ist nullwertiges Eisen, das sich besonders durch seine hohe Reaktivität auszeichnet. Während seiner Umwandlung in Eisenoxid baut es Schadstoffe ab und überführt den organischen in einen mineralisierten Grundstoff. Statt des hochtoxischen Tetrachlorethylens bleiben nur geringe Mengen Kohlendioxid und Chlorid zurück. Diesen Effekt wollen sich die WissenschafterInnen zu Nutze machen und Eisen-Nanopartikel in betroffene Grundwasserareale einbringen, um eine Dekontaminierung und Sanierung vorzunehmen.

Hofmann, der sich in den vergangenen Jahren unter anderem intensiv mit möglichen negativen Auswirkungen von künstlichen Nanopartikeln in Lebensmitteln auseinandergesetzt hat, sieht immenses Potenzial in dem Verfahren: "Eisen ist ein natürliches Element – das vierthäufigste in der Erdkruste", betont er, "außerdem sind Eisenpartikel nicht mobil – sie verbreiten sich nur widerwillig im Boden." Er sieht daher kaum Gefahren für Gesundheit und Ökosystem.



Nullwertiges Eisen baut bei der Umwandlung in Eisenoxid Schadstoffe ab. "Was begünstigt den Transport von nullwertigem Eisen im Untergrund?" Dieser Frage widmet sich das Projekt NANOREM.



Turbobooster und Sandkiste für Eisenpartikel


Die Trägheit der Eisenpartikel ist eine Schlüsselfrage des Work-Packages, das Thilo Hofmann und Vesna Micic Batka vom Department für Umweltgeowissenschaften innerhalb des EU-Projekts, an dem neun Partner aus fünf Staaten beteiligt sind, leiten. Eisenpartikel bewegen sich im Boden sehr langsam und nur Zentimeter bis wenige Meter weit. Um größere kontaminierte Areale erreichen zu können, gilt es, den Prozess zu beschleunigen und den Bewegungsradius der Partikel auf bis zu 20 Meter auszuweiten.

Diesem Vorhaben folgt das Projekt in drei Schritten: Nach einer ersten Phase im Labor werden die Ergebnisse in einer großen "Sandkiste" in Stuttgart vertieft (Technikum VEGAS), in der das Verhalten des Grundwassers im Untergrund simuliert wird. Dann geht es in den Untergrund – an drei bis vier Standorten (etwa Polen, Spanien, Israel oder Taiwan) wird das Verfahren unter Realbedingungen evaluiert.

Kommunikation und Entwicklung

"Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts ist der Aufbau einer Plattform, die als Schnittstelle zwischen WissenschafterInnen und Interessenten wie staatlichen Organisationen, NGOs und GrundeigentümerInnen fungieren wird", so Vesna Micic Batka. Aufgabe dieser Plattform wird es zum einen sein, die Ergebnisse vergleichbar und verständlich zu kommunizieren. "Zum anderen soll etwaigen Ängsten und Vorurteilen begegnet und ein Bewusstsein für den Nutzen des Verfahrens gefördert werden", so die ForscherInnen abschließend. (sb)

Das Projekt NANOREM wird im Ausmaß von 14 Mio. Euro durch das FP7-Förderprogramm der Europäischen Union finanziert und ist damit das größte EU-Projekt in der Geschichte der Nanotechnologie. Univ.-Prof. Dr. Thilo Hofmann und Projektmitarbeiterin Dr. Vesna Micic Batka, Institut für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien, obliegt die wissenschaftliche Leitung des mit 600.000 Euro geförderten österreichischen Teilprojekts, das vier Jahre läuft.