Vereint für die Krebsforschung

Die Zimbabwerin Anne Conibear entwickelt synthetische Antikörper gegen Krebs; Italienerin Laura Cimatti will ihn schon an der Wurzel packen und forscht auf RNA-Ebene zur Entstehung. Beide sind Fellows im internationalen Fellowship-Programm INDICAR an der Universität Wien.

Das Postdoctoral Fellowship-Programm "Interdisciplinary Cancer Research (INDICAR)" der Universität Wien wird im EU-Programm Marie Curie Actions gefördert. Damit stehen der Universität Wien rund 3,84 Mio. Euro zur Verfügung, um insgesamt zwölf internationale High Potentials für jeweils drei Jahre nach Wien zu holen. Die Biochemikerin Anne Conibear und die Biologin Laura Cimatti, seit 2014 INDICAR-Fellows an der Universität Wien, sprechen mit uni:view über ihre Arbeit, das Programm und den "noch langen Weg der Krebsforschung".

uni:view: Sie schauen sich die Krankheit Krebs aus unterschiedlichen Perspektiven an – worum geht es in Ihren aktuellen Projekten?
Anne Conibear: In meinem Projekt greife ich auf die chemische Synthese zurück, um synthetische Antikörper für die Krebstherapie zu erzeugen. Die Idee dahinter: Antikörper binden sich an die Rezeptoren erkrankter Zellen und aktivieren das körpereigene Immunsystem, sodass diese Zellen zerstört werden. Krebszellen werden so gezielt bekämpft und gesunde Zellen bleiben erhalten. Wir nehmen dieses Konzept und übersetzen es in einen chemischen Prozess, dafür hilft uns die Festphasen-Peptidsynthese. Diese ermöglicht es uns, die synthetischen Antikörper zu modifizieren und zu optimieren und sie so aktiver und stabiler zu machen.

Laura Cimatti: Als Biologin interessiere ich mich für die duale Rolle des Proteins Filamin A. In meinem Forschungsprojekt analysiere ich, wie sich dieses Protein durch die RNA-Editierung, also die Modifizierung einzelner Nukleinbasen der Messenger-RNA, verändert. Eine einzelne RNA-Editierung wurde noch nicht erforscht und viele Fragen sind offen, u.a. die nach der physiologischen Signifikanz der Umkodierung, der Identifikation von Regulierungsfaktoren und der möglichen Verwicklung in Krankheiten. Um Antworten zu finden, arbeiten wir hauptsächlich in-vitro mit Zellen, forschen aber auch mit Mausmodellen.      

Zwölf internationale Postdocs arbeiten im Rahmen von INDICAR daran, die Krankheit Krebs besser zu verstehen. Mehr über die INDICAR-Fellows

uni:view: Wie sieht der typische Arbeitstag einer Krebsforscherin aus?
Cimatti: Ich versuche, früh im Labor zu sein – ob das gelingt oder nicht, hängt auch immer davon ab, wie lange ich am Vortag im Labor war (lacht). Ich forsche an Zellen und Mäusen, am Abend habe ich dann eine Menge Daten, die es zu dokumentieren gilt. Seminare besuchen und aktuelle Publikationen lesen, also "up to date" bleiben, ist auch ein wichtiger Teil. Einmal pro Woche haben wir ein Labor-Treffen und ich berate mich regelmäßig mit meinem wissenschaftlichen Betreuer Franz-Michael Jantsch vom Department für Chromosomenbiologie.    

Conibear: Einen typischen Tag gibt es eigentlich nicht – und gerade diese Abwechslung gefällt mir an der Wissenschaft. Einige Tage bin ich im Labor, einige verbringe ich vor dem Computer. Dazwischen dokumentiere ich meine Ergebnisse, besuche Seminare und unterrichte Studierende. Im Labor habe ich viel Kontakt zu meinen KollegInnen, wir diskutieren unsere Projekte und geben einander Hilfestellung.

Die aus Zimbabwe stammende Biochemikerin Anne Conibear studierte in Südafrika und dissertierte in Australien. Als INDICAR-Fellow forscht sie nun erstmals in der nördlichen Hemisphäre und beschäftigt sie sich mit synthetischen Antikörpern für die Krebstherapie.

uni:view: Sie erwähnen das "Voneinander-Lernen" im Labor – arbeiten Sie als INDICAR-Fellows auch zusammen?    
Conibear:
Wir kommen aus verschiedenen Disziplinen: Chemie, Biologie, Physik. Details über die Projekte der KollegInnen erfahren wir in den gemeinsamen "Retreats". Da ergeben sich auch spannende Kollaborationen und oftmals komplementieren sich unsere Forschungsansätze.

Cimatti: Ich glaube, dass wir umso intensiver zusammenarbeiten werden, je weiter unsere Forschungen im Fellowship-Programm fortschreiten. Anne, irgendwann wirst du deine Proteine in der Zelle testen müssen und vielleicht kann ich dir dabei helfen. Und mich wiederum können die KollegInnen aus der computergestützten Materialphysik mit einem Rechenmodell unterstützen, um die Struktur von Filamin A besser zu verstehen.

Die Biologin Laura Cimatti kam von Italien nach Österreich und schaut sich an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Meduni Wien die duale Rolle des Proteins Filamin A genauer an.

uni:view: Warum wollten Sie an die Universität Wien und INDICAR-Fellow werden?
Cimatti: Ich habe mein Doktorat in Italien gemacht – das ist momentan nicht der beste Ort für Forschung. Und da schien die Universität Wien besonders attraktiv: Sie ist eine traditionsreiche, etablierte Universität, die zugleich Ansehen für innovative Zugänge genießt.

Conibear: Ich habe vorher in der südlichen Hemisphäre gelebt und wollte neue Perspektiven in einer neuen Umgebung erleben. Wien ist eine schöne Stadt mit zentraler Lage, ich kann viele Konferenzen besuchen und so an die europäische Forschung anknüpfen. Außerdem hat mich die Interdisziplinarität des Fellowship-Programms gereizt.

uni:view: Und haben sich Ihre Erwartungen an das Programm bestätigt?
Conibear: Ja, auf jeden Fall. INDICAR ist meiner Meinung nach einzigartig und es sollte mehr davon geben. Wir beide sind geradewegs vom Doktoratsstudium in das Fellowship-Programm gekommen, wo man uns von Anfang an sehr viel Eigenverantwortung und Forschungsfreiheit übertragen hat. Wir können unsere eigenen Ideen umsetzen, erleben einen Perspektivenaustausch und werden unterstützt.

Cimatti: Dazu kommt, dass uns Jürgen Grafenender und Helmut Schaschl vom Forschungsservice und Nachwuchsförderung der Universität Wien regelrecht "verwöhnen" (lacht). Es gibt spezielle Workshops, in denen wir unsere Soft-Skills trainieren, und wir bekommen Hilfestellung beim Antragsschreiben – sozusagen als "Kick-off" für unsere eigene Karriere.

uni:view: Sie forschen in verschiedenen Bereichen, was Sie verbindet ist aber der Kampf gegen die Krankheit Krebs. Was ist Ihre Prognose für die Krebstherapie?
Cimatti:
Die Behandlungen in der Krebstherapie sind sehr viel besser geworden, aber es ist noch immer ein langer Weg. Langsam realisieren wir, dass es nicht die eine Krebstherapie geben kann. Jeder Krebs ist anders, je nach Mensch, Ausbreitung im Körper, externen Einflussfaktoren etc. – wir brauchen für jede Krebsprognose eine individuelle, personalisierte Therapie.

Conibear: Wir wissen heute auch, dass Krebs mit vielen anderen Krankheiten verschränkt ist. Ich bin zwar an der Krebstherapie interessiert, aber wenn ich ein Protein entdecke, das eine andere Krankheit heilen kann – umso besser. Ich hoffe, dass unsere Forschung generell zu besseren Therapien führt – für KrebspatientInnen, aber auch für Betroffene anderer Krankheiten. (hm)