Start der Wiener Schulstudie mit "Gurgelmethode"

Kind beim Schreiben.

Vor elf Wiener Schulen wird ab 15. Juni munter gegurgelt. Mit der von Forscher*innen rund um Michael Wagner von der Uni Wien entwickelten Methode zur Probenentnahme für PCR-Tests werden insgesamt 3.000 Schüler*innen und Pädagog*innen getestet. Die Studie soll kurz vor der Zeugnisverteilung wiederholt werden.

Die Frage, welche Rolle Kinder und Jugendliche bei der Ausbreitung des neuen Coronavirus spielen, ist eine der zentralsten im Verlauf der Pandemie. Vor allem für Kinder kann die Entnahme eines Nasen-Rachen-Abstriches für den PCR-Test zum Nachweis des Erbguts des Virus mittels Wattestäbchen über die Nase eine unangenehme bis schmerzhafte Angelegenheit sein. Forscher*innen um  den Molekularbiologen Michael Wagner von der Universität Wien und Johannes Zuber vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) verfolgen mit der "Gurgelmethode" eine Alternative, die sie im Rahmen der "Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative" (VCDI) – einem Zusammenschluss von 21 Wiener Forschungsinstituten – vorantreiben.

Der Mikrobiologe Michael Wagner antwortet in der Videoreihe auf Fragen rund um das Coronavirus. Im aktuellen Video geht er Frage nach, ob es zu einer zweiten Welle kommen wird und was wir tun können, um eine solche zu verhindern. Zur Videoreihe "COVID-19: Faktencheck mit Michael Wagner"

An der freiwilligen und anonymisierten Prävalenzstudie sind u.a. Bildungswissenschafter*innen, Ärztinnen und Ärzte, Schuldirektor*innen, Epidemiolog*innen und biomedizinische Analytiker*innen beteiligt. Um eine gültige Probe zu erhalten, muss rund eine Minute gegurgelt werden. Die zentrale Frage der mit zwei Mal rund 3.000 Tests groß angelegten Untersuchung ist es herauszufinden, "wie verbreitet das Virus in der Gruppe momentan noch ist – gerade unter Kindern, die ja oft einen asymptomatischen Verlauf zeigen, daher nicht auffallen und auch nicht getestet werden", erklärt Michael Wagner, Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft an der Universität Wien.

Gegurgelt wird nun in offenen Zelten vor den ausgewählten Wiener Schulen. Proben mehrerer Schüler werden zu sogenannten Pools zusammengefasst. Die einzelnen Proben werden nur dann durchanalysiert, wenn der zusammengefasste Test positiv ausfällt. Zu dieser raschen Methode habe man sich entschlossen "da wir mit sehr wenigen Positiven rechnen", so Wagner. 

Oberflächen-Proteine des Virus (rot) können an Proteine auf der Oberfläche menschlicher Zellen (blau) andocken. Durch dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip dringt der Virus in eine Zelle ein und infiziert sie.

20 Wiener Forschungsinstitute wollten Verantwortung in der Krise übernehmen und haben sich zur Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative (VCDI) zusammengeschlossen. Koordiniert wird sie von Alwin Köhler vom Department für Biochemie und Zellbiologie der Uni Wien. Im Rahmen dieser Initiative wurde die "Gurgelmethode" entwickelt. Mehr Informationen zur Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative (VCDI)  (© buero bauer)

Erleichterte Probenahme durch Gurgeln

Bei der von der Stadt Wien und dem Bildungsministerium unterstützten Pilotstudie sehe man auch, ob es etwa Altersgruppen gibt, bei denen die Gurgelmethode nicht so gut funktioniert. Denn prinzipiell könne mit dem Ansatz jedermann selbstständig seine Proben nehmen. Mit der dann erprobten Logistik könne im Hinblick auf eine etwaige zweite Welle nach Schulbeginn im Herbst rasch und günstig der Status an Bildungseinrichtungen analysiert werden, so der Wissenschafter und Mitinitiator der Studie: "Mit dem Ansatz könnte man natürlich genauso gut zum Beispiel in Obdachlosenheimen, Asylunterkünften, Alters- und Pflegeheimen niederschwellig testen."

Auch wenn es aktuell wenige COVID-19-Fälle in Österreich gebe, müsse weiter verstärkt getestet werden, um ein erneutes Aufflammen der Ausbreitung rechtzeitig zu erkennen, betonte Wagner. "Es hat keinen Sinn jetzt weniger zu tun, nur weil die Prävalenz niedriger ist. Wir müssen ja eine zweite Welle rechtzeitig erkennen und dann verhindern." (APA/red)

Michael Wagner ist seit 2003 Professor an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und seit 1. März 2019 Leiter des neuen Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft. Geboren 1965 in München, studierte und promovierte er an der TU München und arbeitete anschließend als Postdoc an der Northwestern University, Evanston, USA. Danach kehrte er an die TU München zurück, wo er sich 2000 habilitierte und bis 2002 die Arbeitsgruppe "Mikrobielle Ökologie" leitete. 2019 wurde er mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet.