Molekül als kleines Helferlein

Wie hilfreich Naturstoffe oder deren Derivate sein können, um biologische Prozesse und Zusammenhänge besser zu verstehen, zeigen WissenschafterInnen des Departments für Pharmakognosie der Universität Wien. Sie publizieren dazu im Journal "The Journal of Biological Chemistry".

Ein Team um Verena Dirsch, Leiterin des Departments für Pharmakognosie an der Universität Wien, ist seit langem auf der Suche nach Naturstoffen, die der Verengung von Blutgefäßen, z.B. bei Arteriosklerose, entgegenwirken können. Dabei fanden die WissenschafterInnen heraus, dass ein Derivat von Indirubin, dem roten Strukturverwandten des blauen Indigos, das ungewollte Wachstum von glatten Gefäßmuskelzellen effizient unterbindet.

Indirubin-3-monoxim (I3MO), so der Name des Stoffs, verhindert die Zellteilung von glatten Gefäßmuskelzellen sowohl im Zellkulturgefäß als auch im Tiermodell und stoppte somit die Gefäßverengung. Dabei hemmte I3MO selektiv die Aktivität eines Proteins, nämlich die des Transkriptionsfaktors STAT3 (Signal Transducer and Activator of Transcription 3), die nötig ist, damit sich glatte Gefäßmuskelzellen teilen können.

Hemmung auf molekularer Ebene

Die jüngste Studie sollte nun klären, wie diese selektive Hemmung von STAT3 durch I3MO auf molekularer Ebene vonstatten geht. Zusammen mit KollegInnen in Wien und der Universität Jena zeigten Tina Blažević und Projektleiterin Elke Heiss von der Universität Wien, dass reaktive Sauerstoffspezies und 12/15-Lipoxygenase dabei eine wichtige Rolle spielen.

Lipoxygenasen sind Enzyme, d.h. katalytisch aktive Eiweißmoleküle, die spezifisch ein Sauerstoffatom an bestimmte Positionen in Fettsäuren einfügen. So katalysiert die 12/15-Lipoxygenase eine Oxygenierung am 12. oder 15. Kohlenstoff-Atom einer ungesättigten Fettsäure (Arachidonsäure). In einer Reihe von Experimenten beobachteten die ForscherInnen, dass die Aktivität von 12/15-Lipoxygenase und der Gehalt an reaktiven Sauerstoffspezies in mit Wachstumsfaktor aktivierten Gefäßmuskelzellen ansteigen. Es zeigte sich, dass I3MO dies signifikant unterbindet, und dass sowohl direkte Hemmer als auch genetische Reduktion der 12/15- Lipoxygenase selektiv STAT3- Aktivierung hemmen können.

Großes Potenzial von Naturstoffen

"Das legt den Schluss nahe, dass die Aktivierung von 12/15-Lipoxygenase essenziell ist, um das Signal, das der Wachstumsfaktor an die glatten Muskelzellen sendet, auf das redox-sensitive STAT3 weiterzuleiten und letzten Endes die Zellteilung zu initiieren", erklärt Elke Heiss: "Ohne I3MO, seine selektive Wirkung auf STAT3 und unseren Ehrgeiz, den detaillierten molekularen Mechanismus aufzuklären, hätten wir die 12/15-Lipoxygenasen ganz bestimmt nicht so schnell als wichtigen Schalter in der Signaltransduktion vom Wachstumsfaktor zur STAT3-Aktivierung identifiziert". 

Bisher galt nämlich eine andere Enzymklasse, die der NADPH-Oxidasen, als Hauptvermittler von redox-abhängigen Wachstumsfaktorsignalen. "Unsere Arbeit unterstreicht das große Potenzial von Naturstoffen und deren Derivaten für die chemische Biologie, also das bessere Verständnis biologischer Prozesse mittels Manipulation durch niedermolekulare synthetische oder eben natürliche Stoffe", so Elke Heiss abschließend. (af)

Das Paper "12/15-Lipoxygenase Contributes to Platelet-derived Growth Factor-induced Activation of Signal Transducer and Activator of Transcription" (AutonInnen: Tina Blažević, Andrea V. Schwaiberger, Cornelia E. Schreiner, Daniel Schachner, Christoph S. Grojer, Anja M. Schaible, Atanas G. Atanasov, Oliver Werz, Verena M. Dirsch, Elke H. Heiss) erschien am 28. Oktober 2013 in "The Journal of Biological Chemistry", 3. Vol. 288, pp: 35592-35603 (2013).