"Molecular Drug Targets": Doktoratskolleg im Arzneistofflabor

Die Entwicklung neuer Arzneistoffe erfordert umfangreiche interdisziplinäre Fachkenntnisse. Das Doktoratskolleg "Molecular Drug Targets" (MolTag) bietet DissertantInnen neben hochkarätiger wissenschaftlicher Ausbildung auch eine intensive Betreuung und ein internationales Forschungsumfeld.

"Wer eine Ausbildung im Bereich der Arzneistoffentdeckung und -entwicklung anstrebt, den oder die erwartet spannendes Terrain", erklärt Steffen Hering, Leiter des MolTag-Doktoratskollegs. Dieses versteht sich als direkte Weiterführung des erfolgreichen gleichnamigen Initiativkollegs und bündelt insgesamt acht Arbeitsgruppen der Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Wien.

Die Grundidee ist die gleiche geblieben: "Wir wollen unseren KollegiatInnen ein umfassendes Betreuungsumfeld bieten, in dem sie die Möglichkeit haben, sich sowohl untereinander als auch mit renommierten internationalen ForscherInnen zu vernetzen. MolTag-AbsolventInnen verfügen über ein breites Fachwissen und vielseitige Jobmöglichkeiten", so der Pharmakologe.


Das Gruppenbild mit den versammelten MolTag-StudentInnen zeigt einen bunten Mix unterschiedlichster Nationalitäten. Steffen Hering: "Das Doktoratskolleg ist sehr international aufgestellt. Wir hatten sehr viele starke Bewerbungen aus der ganzen Welt, aus denen wir nur die besten ausgewählt haben." (Foto: Molecular Drug Targets, 2012)



Vielseitige Forschung

Denn um neue Arzneimittel entdecken und erforschen zu können, sind umfangreiche interdisziplinäre Kenntnisse in Molekularbiologie, Pharmazie, Medizin, Biophysik, Chemie und Informatik notwendig. Bei MolTag werden alle diese Bereiche abgedeckt. Hauptinhalte der hochkarätigen Ausbildung sind die Grundlagen der Interaktion von Arznei- und Naturstoffen mit Ionenkanälen und Transportproteinen. "Dieser inhaltliche Fokus ist in Österreich einmalig", ist Hering überzeugt.

Einen besonderen Stellenwert haben Sicherheitsaspekte, wie die Interaktion von Arzneistoffen mit sogenannten "Antitargets" – Angriffspunkte von Arzneimitteln, die unerwünschte Nebenwirkungen wie z.B. Herzrhythmusstörungen hervorrufen.


Die Abbildung zeigt ein Strukturmodel des hERG Kaliumkanals (blau), eines sehr prominenten Antitargets im Herzmuskel, eingebettet in eine Doppellipidmembran (grün). Wird dieser Kanal gehemmt – zum Beispiel unabsichtlich durch Medikamente – können schwerwiegende Herzrhythmusstörungen auftreten. (Foto: Anna Weinzinger und Tobias Linder)



Acht Arbeitsgruppen, acht Forschungsaspekte

Innerhalb dieses thematischen Rahmens widmen sich die insgesamt acht MolTag-Arbeitsgruppen unterschiedlichen Aspekten: Eine Gruppe beschäftigt sich beispielsweise mit Molekularem Modelling, wobei mittels Computersimulation die molekulare Interaktion von Arzneistoffen und Angriffspunkten untersucht wird. Ein anderes DissertantInnen-Team an der Technischen Universität Wien ist für die Synthese von Wirkstoffen, sogenannte Wirkstoffbibliotheken zuständig, die dann wiederum von der "Discovery-Gruppe" nach neuen Wirkstoffen ("Hits") durchforstet werden. Um die Strukturen von Arzneistoffen und daraus resultierende Wirkungsprognosen geht es hingegen in der Pharmainformatik-Gruppe. "Ich bin sehr froh, dass wir ein derart starkes Team von KollegiatInnen und ProfessorInnen rekrutieren konnten. Die Arbeit mit DissertantInnen ist einer der erfüllendsten Bereiche meines Berufs", meint Hering.

Hohe Betreuungs- und Ausbildungsqualität


Im Rahmen des Doktoratskollegs haben DissertantInnen nicht nur eine(n) einzelne(n) BetreuerIn, sondern gleich zwei oder drei, die noch dazu von Co-BetreuerInnen unterstützt werden. Die hohe Betreuungsqualität wird dabei von einem konsequent durchdachten Studienplan ergänzt. "Unsere StudentInnen müssen bestimmte Ausbildungsetappen absolvieren. Auf diese Weise wollen wir sicherstellen, dass Kompetenzen nicht nur oberflächlich vermittelt werden", erläutert Hering.

MolTag-Neulinge durchlaufen zunächst eine Eingangsphase, in der die sogenannte "Lab Rotation" einen fixen Bestandteil darstellt. Diese sieht vor, dass Studierende neben ihrem eigenen mindestens zwei weitere Labore besuchen, um kleinere wissenschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten und dabei die Methoden und KollegInnen kennenzulernen, mit denen sie in ihrem Dissertationsprojekt zusammenarbeiten. Weitere Fixpunkte sind zudem eine Ringvorlesung mit wechselnden Vortragenden und regelmäßige "Journal Clubs", bei denen sich die angehenden PharmazeutInnen bzw. PharmakologInnen mit brandaktuellen Publikationen aus ihrem eigenen Fachbereich auseinandersetzen und diese dann innerhalb von 20 Minuten der gesamten Gruppe darlegen. "Jeder einzelne Vortrag wird evaluiert, die KollegiatInnen erhalten sofort Feedback. Das kommt sehr gut an", betont Hering.

Enge Verbindung zur Industrie


Neben der internen Vernetzung durch "Lab Rotation "und "Journal Clubs" wird aber auch auf enge externe Verbindungen zur Industrie Wert gelegt. "Die Arzneistoffentwicklung ist primär industriegetrieben. Wenn die Universitäten vorne mit dabei sein wollen, müssen sie sich Nischen und Kooperationspartner suchen", stellt der MolTag-Leiter klar. Dieser Spagat zwischen akademischer und industrieller Forschung gelingt durch die Etablierung eines eigenen Scientific Advisory Boards (SAB), in dem gleich mehrere international renommierte ForscherInnen aus Industrie und Wissenschaft vertreten sind. "Die kollektive Expertise des SAB dient gewissermaßen als externe Qualitätskontrolle und sichert industrierelevante Forschungsprojekte und eine hohe Ausbildungsqualität", schließt Hering. (ms)


Die MolTag-StudentInnen dürfen in regelmäßigen Abständen Gastvorträge von renommierten internationalen ExpertInnen genießen. Am 5. Juni 2012 war beispielsweise Terrance P. Snutch (vorne stehend links) von der University of British Columbia zu Gast am Pharmaziezentrum in der Althanstraße und referierte über Ionenkanäle als Angriffspunkte für Arzneistoffe. Im Anschluss diskutierten die DissertantInnen mit dem SAB-Mitglied ihre Forschungsprojekte. (Foto: Daria Tsareva)



Das FWF-Doktoratskolleg "Molecular Drug Targets" (MolTag) unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Steffen Hering, Vorstand des Departments für Pharmakologie und Toxikologie der Fakultät für Lebenswissenschaften, ist eine Kooperation der Universität Wien, der Medizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Wien und läuft seit 1. Oktober 2011.

Weitere Informationen, Berichte und Interviews zu Doktoratsprogrammen an der Universität Wien finden Sie im Dossier "Doktoratsprogramme".
Über Unterstützungsangebote der Universität Wien für DoktorandInnen sowie über das Thema "Doktorat neu" informiert das DoktorandInnenzentrum der Unviersität Wien als zentrale Anlaufstelle für DoktorandInnen, Betreuende und Verwaltung.