"Meine Forschung": Bühnenästhetik in der Historienmalerei

Umberto Eco bezeichnet ihn als "miserablen Maler", im 19. Jahrhundert war er ein Star: Der Historienmaler Francesco Hayez und der Einfluss seiner Werke auf die Opernbühne (und umgekehrt) stehen im Zentrum des Dissertationsprojekts von Elisabeth Braunshier.

Historienmalerei wird in der breiten Öffentlichkeit häufig mit schwülstig überladenen Bildern dramatischer Heldendarstellungen assoziiert – und vielleicht trifft eine solche Beschreibung auch auf die Werke des italienischen Malers Francesco Hayez zu. Zumindest aus heutiger Sicht: Im 19. Jahrhundert war Hayez ein gefeierter Star unter den Historienmalern – in Italien und darüber hinaus. "Mit seinen romantischen Geschichtsbildern prägte er mehrere Generationen von Künstlern und nahm großen Einfluss auf die Bühnengestaltung seiner Zeit", erklärt Elisabeth Braunshier, die das Werk des Historienmalers zum Thema ihrer Dissertation an der Universität Wien erkoren hat.

Francesco Hayez Gemälde sind geprägt von der bühnenhaften Darstellung historischer Episoden – Bildmotive, die der Künstler in der romantischen Literatur fand. Eine umfassende kunsthistorische Untersuchung dieser speziellen Thematik liegt bisher noch nicht vor und soll einen neuen Aspekt innerhalb der Kunst der Romantik aufzeigen.

Vom "gefeierten Star" …

In den 1840er Jahren gründete Hayez gemeinsam mit anderen Professoren der Akademie der Schönen Künste in Mailand eine "Künstlerische Kommission", die die Bühnenbilder und Kostümentwürfe von Operninszenierungen des berühmten Theaters "La Scala" begutachtete. Als Hobbyhistoriker und Experte für historische Kostüme kommentierte Hayez die Entwürfe der Theatergewänder mit Verbesserungsvorschlägen.

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.


Darüber hinaus war der in Venedig geborene und in Rom ausgebildete Maler schon als junger Student ein geschickter "Networker". Zu seinen Freunden zählten Aristokraten gleichermaßen wie Berühmtheiten aus der Literatur- und Musikbranche, darunter der Schriftsteller Alessandro Manzoni und der Komponist Giuseppe Verdi.

… zum "verpönten Künstler"

Francesco Hayez' Spezialisierung auf Historiengemälde mit theaterhafter Ästhetik basierte insbesondere auf der Auftragslage, die bis zum kaiserlichen Hof nach Wien reichte. Eines seiner berühmtesten Historiengemälde "Der Doge Foscari lässt seinen Sohn in die Verbannung führen" entstand für Kaiser Ferdinand I. und zeigt eine Episode aus George Byrons Drama "Die beiden Foscari". Byron wurde von den Habsburgern der "Spitzelei" bezichtigt und verfolgt, was Hayez nicht von seiner Motivwahl abbringen ließ. Auch sein Freund Giuseppe Verdi komponierte kurze Zeit später eine Oper, die auf Byrons Schauspiel basierte.

Die Darstellung von Hayez war ursprünglich für die Sammlung des kaiserlichen Hofmuseums bestimmt und wurde 1921 von der Österreichische Galerie Belvedere übernommen. Aber bereits 1928 entschied sich die Galerie, das Bild infolge seiner "ausgesprochenen künstlerischen Minderwertigkeit" zu verkaufen.

Hayez Kunst neu beurteilen

Der Kunsthistorikerin Elisabeth Braunshier geht es nun darum, die Gemälde von Francesco Hayez sozialgeschichtlich zu untersuchen. Im Rahmen ihrer Dissertation will sie die Diskrepanz in der Popularität des einst so geschätzten und kurz darauf verpönten Künstlers darlegen, den Umberto Eco als "miserablen Maler" bezeichnet, dessen Gemälde lediglich ein "Kommentar zur Literatur und zum Theater" seien. Diese Kritik an Hayez Historiengemälden begründet sich der Dissertantin zufolge in der Beurteilung nach ästhetischen Vorstellungen, die nicht mit der Geisteshaltung der Romantik korrespondieren.

Konnex zwischen Oper und Historienmalerei

Im Vordergrund ihrer Forschung steht bei Elisabeth Braunshier aber die wechselseitige Beeinflussung von Historienmalerei und Opernbühne. Dass sich die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts an den Tragödien von Opernstücken orientierte, folgt einer Tradition, die zum Teil im 17. Jahrhundert, aber vor allem im ausgehenden 18. Jahrhundert einsetzte. Die Bühnenhaftigkeit wird vorwiegend durch die Verhaltensweisen der Akteure auf den Bildern hervorgerufen, die der Aufführungspraxis nachempfunden wurden.

"Im Oeuvre von Francesco Hayez treten diese Merkmale besonders häufig in Erscheinung und bieten den idealen Rahmen dieser interdisziplinären Untersuchung", so Elisabeth Braunshier. Die Untersuchung seiner Gemälde nach einer rezeptionsästhetischen Methode, indem seine Bilder mit zeitgleich entstandenen Bühnenbildern verglichen werden, ist ein innovativer Ansatz und soll neue Facetten in der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts offenlegen.

Mag. Elisabeth Braunshier, geb. 1981 in Eisenstadt, Burgenland, studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und der Università degli Studi di Roma "La Sapienza". Seit 2011 ist sie Dissertantin bei Doz. Dr. Werner Kitlitschka am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien. Der Arbeitstitel ihrer Doktorarbeit lautet "Die Oper als Bildprogramm. Studien zum Oeuvre von Francesco Hayez".

Buchtipps zum Thema:
Guy Cogeval und Beatrice Avanzi (Hg.): "Drama and desire – art and theatre from the French Revolution to the First World War", Ontario und Rovereto 2010.Umberto Eco: "Über schlechte Malerei", in: Über Spiegel und andere Phänomene, München und Wien 1988, S. 104–110.