Marie von Ebner-Eschenbach – eine Biographie zum 100. Todestag

Vor 100 Jahren starb mit Marie von Ebner-Eschenbach nicht nur eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen, sondern auch die erste Ehrendoktorin der Universität Wien. Am Frauentag, dem 8. März 2016, präsentiert Germanistin Daniela Strigl ihre soeben fertiggestellte Biographie.

Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) ist die weibliche Ikone der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Und wer jetzt etwa an quälend lange Deutschstunden oder eingestaubte Pflichtlektüre denkt, der täuscht sich gewaltig: "Sie gilt als harmlose Menschenfreundin, als Dichterin der Güte und des Mitleids. Das stimmt zwar, aber sie hatte auch eine kämpferische, witzige und durchaus boshafte Seite", schmunzelt Daniela Strigl vom Institut für Germanistik der Universität Wien, die in ihrer Ende Februar erschienenen Biographie Ebner-Eschenbachs die weniger bekannten Seiten der Schriftstellerin aufzeigt.

In Österreich ist Ebner-Eschenbach heute vor allem dank ihres Klassikers "Das Gemeindekind" sowie der mehrfach verfilmten Novelle "Krambambuli" ein Begriff. Aber wer weiß schon, dass die adlige Schriftstellerin zum Ärger ihrer Familie Standesdünkel in bissiger Satire kritisierte und sich für Frauenrechte, die Bekämpfung des Antisemitismus und die Rechte Armer stark machte?

Ebner-Eschenbach neu kennenlernen


Erstaunlich ist auch, dass es zwar eine neuere englischsprachige Biographie über die Grande Dame der österreichischen Literatur gibt, bis dato aber keine aktuelle deutschsprachige. "Denn die letzte Biographie in deutscher Sprache erschien bereits 1920, wenige Jahre nach dem Tod der Schriftstellerin am 12. März 1916 im Alter von 86 Jahren", so Daniela Strigl.

Die Lektorin an der Universität Wien und bekannte Literaturkritikerin hat nun ein neues Werk vorgelegt, in das sie erst kürzlich entdeckte Quellen einbezieht und damit überraschende Einblicke in das Leben der Schriftstellerin geben kann. Das im Residenz Verlag erschienene Buch richtet sich auch an ein nicht-literaturwissenschaftliches Publikum – Daniela Strigl hat vor, es zu ihrer Habilitationsschrift auszubauen.

Die Wissenschafterin, die bisher schwerpunktmäßig über Literatur des 20. Jahrhunderts geforscht hat, erweitert ihre Expertise damit auf das 19. Jahrhundert. Im Sommersemester wird sie ein Proseminar zu Marie von Ebner-Eschenbach anbieten.


Gewinnspiel: BEREITS VERLOST!
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Baronesse Dubský entdeckt ihr Talent

Marie von Ebner-Eschenbach wuchs als Freiin von Dubský im mährischen Zdislawitz, heute Tschechien, auf. Ihr Vater Baron von Dubský wurde später in den Grafenstand erhoben. "Schon als Kind entdeckte Marie ihre Liebe zur Literatur und ihr schriftstellerisches Talent." Vor allem Schiller hatte es ihr angetan, dem sie im eigenen Schreiben noch über lange Jahre nacheiferte. "Sie hatte einen riesigen Anspruch an sich selbst", beschreibt Daniela Strigl ihre Persönlichkeit.

Mit 18 Jahren heiratete sie ihren um 15 Jahre älteren Cousin Moritz von Ebner-Eschenbach, der die literarischen Ambitionen seiner Frau einerseits unterstützte. "Ihm imponierte ihr schon in jungen Jahren ausgeprägter Wille zur Größe", charakterisiert ihn die Forscherin. Andererseits waren deren Resultate ihm, ebenso wie dem Rest der Familie, ein Dorn im Auge.

Kritik und Skandal


Denn "ihre Schriften waren immer wieder mit Skandalen verbunden", erklärt Strigl. Marie von Ebner-Eschenbach forderte die Literatur- und Theaterwelt heraus – sei es, dass sie sich als Mann ("M. von Eschenbach") ausgab, um eines ihrer Theaterstücke zur Aufführung zu bringen, sei es durch ihre scharfe Kritik am Adel und der Frauendiskriminierung oder durch ihre Stellungnahme zur sozialen Frage. "Zudem ernteten ihre Werke zunächst hämische Verrisse, die sich auch über das Schreiben adliger Frauen lustig machten."

Veranstaltungstipps:

Anfang März präsentiert Daniela Strigl ihre Werke zu Marie von Ebner-Eschenbach der Öffentlichkeit:

8. März 2016: Buchpräsentation und Lesung
Daniela Strigl: "Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach. Eine Biographie"
19.30 Uhr, Buchhandlung Leporello – Sala terrena, Singerstraße 7, 1010 Wien
Einladung (PDF)

9. März 2016: Buchpräsentation und Lesung
Marie von Ebner-Eschenbach – vierbändige Leseausgabe, herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzl, Daniela Strigl und Ulrike Tanzer
19 Uhr, Lesesaal der Wienbibliothek, Rathaus, Stiege 8, 1. Stock, Eingang Lichtenfelsgasse, 1010 Wien
Einladung (PDF)

10. und 11. März 2016: Internationale Tagung
"Schriftstellerin zwischen den Welten: Marie von Ebner-Eschenbach zum 100. Todestag"
10. März, 9 Uhr bis 17 Uhr und
11. März, 9 Uhr bis 12.30 Uhr: Musiksammlung der Wienbibliothek, Loos-Räume, Bartensteingasse 9, 1. Stock, 1010 Wien.
11. März, 14.30 Uhr bis 16 Uhr: Uhrenmuseum, Schulhof 2, 1010 Wien
Programm (PDF)


28. April: Vortrag von Ruth Klüger

Im Rahmen der Reihe "Schriftstellerinnen über Schriftstellerinnen" wird außerdem Ruth Klüger, Ehrendoktorin der Universität Wien, über Marie von Ebner-Eschenbach sprechen.
19 Uhr, Rathaus Wien, Stadtsenatssitzungssaal, Eingang Felderstraße, Feststiege I, 1010 Wien
Einladung (PDF)

Später Ruhm

Berühmt wurde Marie von Ebner-Eschenbach erst spät. "Die erste allgemeine Anerkennung erhielt sie mit ungefähr 50 Jahren, mit 60 war sie eine gefeierte Dichterin und mit 70 nicht mehr von ihrem Thron zu stürzen."

Auch Kaiser Franz Josef war ihr Ruhm nicht entgangen. Im Jahr 1898 – Marie Ebner-Eschenbach war 68 Jahre alt – verlieh er ihr das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft. "Damit spielte sie etwa mit Brahms in einer Liga", bringt Strigl die Bedeutung dieser Auszeichnung auf den Punkt. Etwa zur selben Zeit war Ebner-Eschenbach auch für den Literaturnobelpreis im Gespräch.

Ehrendoktorin der Universität Wien


Diese Auszeichnung, ihre Berühmtheit und ihre guten Kontakte zu Wiener Wissenschaftern machten es möglich, dass ihr im Jahr 1900 als erster Frau an der Universität Wien das Ehrendoktorat verliehen wurde. Ein revolutionärer Schritt, denn Frauen waren erst 1897 und zunächst beschränkt auf die Philosophische Fakultät zum Studium an der Universität Wien zugelassen worden.

Veranstaltungstipp:

Führungen durch die Geschichte des "Frauenstudiums"


Nächste Termine:

5. März 2016, 12 Uhr
5. März 2016, 14 Uhr
8. März 2016, 16.30 Uhr


Treffpunkt:
Beim Portier in der Aula beim Haupteingang (Universität Wien, Universitätsring 1)
(Dauer: ca. 60 min.)

Weitere Informationen und Anmeldung

Eine große Frau zwischen lauter Männern

Ein ähnliches Novum war ihre Ehrung mit einer Gedenktafel im Arkadenhof der Universität Wien. Bis heute finden sich hier nur Denkmäler für männliche Wissenschafter, die überdies über zahlungskräftige Angehörige oder AnhängerInnen verfügten. "Denn für die Büsten und Tafeln gab es keinerlei Zuschüsse seitens der Universität oder des Ministeriums", berichtet Daniela Strigl.

Ebner-Eschenbach kam hier wieder ihr Ruhm zu Gute, denn die Gedenktafel wurde über eine öffentliche Sammlung finanziert. Im Sommer 2016 erhält die Schriftstellerin mit der Enthüllung der neuen Denkmäler für Wissenschafterinnen erstmalig weibliche Gesellschaft im Arkadenhof. (jr)

Mag. Dr.  Daniela Strigl lehrt und forscht am Institut für Germanistik der Universität Wien. Derzeit verfasst sie ihre Habilitationsschrift zur Biographie Marie von Ebner-Eschenbachs.

*Teilnahmebedingungen für Online-Gewinnspiele der Universität Wien