Libretti im Dienste des Kaisers

Apostolo Zeno gilt als Reformer des italienischen Opernlibrettos. In der Forschung sind seine Werke bislang allerdings kaum untersucht worden. Alfred Noe vom Institut für Romanistik und Musikwissenschafterin Adriana De Feo schließen diese Lücke mit ihrem aktuellen FWF-Projekt.

Das italienische Libretto, die sprachliche Grundlage einer Oper, hat auch in Wien eine lange Tradition. Etwa 150 Jahre lang waren die bedeutendsten italienischen Künstler als Hofdichter am Wiener Kaiserhof beschäftigt. Einer von ihnen war Apostolo Zeno, der von 1719 bis 1729 am Hof von Karl VI. wirkte.

Verbindung von Musik und Literatur

"Österreich ist im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts außerhalb Italiens das Land, wo die meisten italienischen Texte geschrieben wurden", erzählt Alfred Noe vom Institut für Romanistik. Gemeinsam mit Musikwissenschafterin Adriana De Feo erforscht er in einem aktuellen FWF-Projekt Zenos Leben und Wirken in Wien. Als Librettist schrieb Zeno Texte, die vielfach vertont wurden.

Nicht zuletzt deshalb ist das Projekt sowohl für die Literatur- als auch für die Musikgeschichte relevant. "Ein Text wird immer für eine bestimmte Produktion geschrieben und bei jeder musikalischen Neuauflage ändert sich etwas", schildert Adriana De Feo. Diese Veränderungen in der Musik, aber auch die Entstehung der Texte Zenos in Österreich und Italien stehen im Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Forschung.

Vom Las Vegas des Barock an den Wiener Kaiserhof

Zenos Schaffen als Librettist beginnt im Venedig des 18. Jahrhunderts, das Alfred Noe mit dem heutigen Las Vegas vergleicht. "Das war ein Ort, wo man zum Vergnügen hingegangen ist. Das Theater war eine Show." Im Hoftheater dagegen ging es eher um die Tugenden und den moralischen Zweck der Dichtung. Während in Venedig die Konkurrenz groß war, bot der Wiener Kaiserhof eine sichere Anstellung mit guter Bezahlung. So auch für Apostolo Zeno, der 1719 nach Wien ging.

Apostolo Zeno, 1668 in Venedig geboren, war von 1719 bis 1729 als Hofdichter am Wiener Kaiserhof beschäftigt und schrieb hier vor allem Libretti für die Feste der kaiserlichen Familie. (Foto: Alfred Noe)

Moralischer Spiegel für den Kaiser

Grundlage für Zenos Texte waren oft historische Stoffe aus der Antike, die er an die aktuelle Situation in Wien anpasste. Als Hofdichter lieferte Zeno die Textgrundlagen, aus denen Komponisten, Bühnenbildner und Choreographen ein Gesamtkunstwerk schufen. Aufgeführt wurden diese Stücke nicht nur bei Kirchenfesten, Geburtstagen und Hochzeiten, sondern auch bei diplomatischen Ereignissen.

"Das Hoftheater hatte auch eine politische Funktion, vergleichbar mit einem politischen Gipfeltreffen in der heutigen Zeit. Man will zeigen, was man kann", erklärt Noe. Außerdem diente das Theater als eine Art moralischer Spiegel für den Hof. In der Handlung und den Helden fanden sich oft Bezüge und Parallelen zu anwesenden Personen wie dem Kaiser wieder.

Reform des Opernlibrettos

Am Wiener Hof arbeitete Zeno eng mit dem Dichter und Librettisten Pietro Pariati zusammen, den er bereits aus seiner Heimatstadt Venedig kannte. Dadurch entstanden 15 Libretti – ein Kernstück für De Feo und Noe. "Zeno wollte keine Komödien schreiben, also kümmerte sich Pariati darum", erzählt De Feo. Im Gegenzug übernahm Zeno die Produktion von ernsten Stoffen wie der drammi per musica – den ernsten Opern – und den Oratorien.

"Während die venezianische Libretto-Tradition eine Parallelhandlung zwischen tragischer und komischer Ebene vorsieht, wird die Oper bei Zeno zu einer musikalischen Tragödie", schildert Noe. Zeno stand dabei stark unter dem Einfluss der französischen Tragödie, die für eine strikte Trennung von tragischen und komischen Elementen steht.

Geschichte ans Licht bringen

Warum Apostolo Zeno und die italienische Libretto-Tradition in Wien bislang wenig Beachtung fand, sieht Noe vor allem im Nationalismus der Literaturgeschichte begründet: "Dinge, die außerhalb des eigenen Landes stattgefunden haben, werden nicht wirklich wahrgenommen." Zudem seien Librettisten, die Auftragswerke schrieben, oft nicht als Künstler gesehen worden, sondern "eher als Diener, die im Sold eines Tyrannen stehen."

Im ersten Schritt des Projekts geht es darum, die erhaltenen Dokumente zu sichten. Vieles ist noch nicht katalogisiert. Von Zeno selbst sind hunderte Briefe erhalten, durch die das Forschungsteam einen Einblick in sein Leben am Wiener Hof gewinnen kann. Obwohl die Anstellung in Wien lukrativ war, waren die Lebensumstände oft nicht optimal. Viele ItalienerInnen klagten über das kalte Wiener Klima. Auch Zeno kehrte 1729, nach zehn Jahren in Wien, in seine Heimatstadt Venedig zurück.  

Damals und heute

Für Noe steht fest, dass das musikalische Wien ohne den italienischen Einfluss dieser Zeit nicht das wäre, was es heute ist. "Sowohl Gluck als auch Mozart wären ohne die italienische Vorarbeit nicht möglich gewesen", ist der Romanist überzeugt. Bis heute sind die Spuren der damaligen Zeit präsent: "In den Wiener Konzertsälen hört man wieder vermehrt Barockmusik. Das gibt es in keiner anderen europäischen Stadt in diesem Ausmaß." (pp)

Das Projekt "Apostolo Zeno: Die kritische Ausgabe der drammi per musica und die Entwicklung seiner Poetik am Wiener Kaiserhof" wird unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alfred Noe vom Institut für Romanistik und der Mitarbeit von Dott. Adriana De Feo, PhD von 9.1.2017 bis 9.1.2020 durchgeführt und vom FWF gefördert.