Kohlenstoffumsatz in Zeiten von Dürre und Starkregen

Starker Regen oder Hitze bringen nicht nur uns Menschen aus dem Gleichgewicht – hydrologische Extreme beeinflussen auch den Kohlenstoffzyklus von Bächen. Das untersucht Jakob Schelker vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien in seinem aktuellen Projekt "EXCARB".

Auch Bäche brauchen Nahrung – diese besteht größtenteils aus Kohlenstoff aus dem terrestrischen Ökosystem. Aus den Böden gelangt der Kohlenstoff in das Gewässer und wird dort "veratmet", sodass CO² entsteht. Um dieses System, den Kohlenstoffzyklus, dreht sich das aktuelle Projekt "EXCARB" der Limnologen Jakob Schelker und Tom Battin. Sie untersuchen, wie durch den Klimawandel hervorgerufene hydrologische Extreme, so wie Dürre und Überflutung, den Kohlenstoffumsatz von Gewässern beeinflussen.

Klima im Wandel?

"Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass Dürre-Perioden zum einen und Überflutungen zum anderen im Zuge des Klimawandels zunehmen. Ganz sicher wissen kann man das nicht, denn die meisten hydrologischen Messungen reichen gerade mal 100 Jahre zurück", so Schelker. Was allerdings gewiss ist: Die hydrologischen Extreme haben einen großen Einfluss auf die CO²-Ausgasung von Gewässern.

In der Nähe vom WasserCluster Lunz, eine interuniversitäre Forschungseinrichtung am Lunzer See, gibt es ein altes Bauernhaus, auf dessen Mauer der Hochwasserstand in Folge eines nächtlichen Wolkenbruchs am Dürrenstein im Jahre 1861 markiert ist. "Hydrologische Extreme gab es schon immer. Wissenschaftliche Aussagen über veränderte Wahrscheinlichkeiten sind nur schwer möglich, da es an weit zurückreichenden Messdaten fehlt", gibt Limnologe Schelker zu bedenken. (Foto: Lukas Thuile Bistarelli)

Ob Schneeschmelze oder Dürre

"Bei der Schneeschmelze im alpinen Raum zum Beispiel gelangt viel Kohlenstoff in den Bach, der Anteil kann gut 30 Prozent des gesamten jährlichen Eintrags ausmachen", erklärt der Wissenschafter. Im umgekehrten Fall, bei extremer Trockenheit, ist der Einfluss auf den Kohlenstoffzyklus noch wenig untersucht: Wird der Kohlenstoff "veratmet" oder entsteht beim Eintrocknen der Biomasse Methan – ein Gas mit hohem Treibhauspotenzial –, das zur globalen Erwärmung beiträgt?

"Wir wollen die Rolle von Bächen in möglichen selbstverstärkenden Mechanismen des Klimasystems der Erde frühzeitig erkennen. Beispielsweise für Gewässer, die bereits durch den Menschen reguliert werden, ergeben sich auch praktische Handlungsmöglichkeiten: Falls sich die Hypothese der Methanbildung bestätigt, könnte der Abfluss im Gewässer erhöht und so die Bildung des Treibhausgases eingedämmt werden", sagt Schelker.

Drei Universitäten, eine Forschungseinrichtung

Diesen Zusammenhängen gehen Schelker und sein Team an der Forschungsstation am Lunzer See auf den Grund. Der WasserCluster Lunz (WCL) wird von der Universität Wien gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien, der Donau-Universität Krems und dem Land Niederösterreich betrieben. Forschungsschwerpunkte des WCL sind die mikrobielle Ökologie, Nahrungskettenforschung, Biogeochemie, Ökotoxikologie, Restorationsökologie und Fließgewässerstudien. Der WasserCluster Lunz spielt eine wichtige Rolle in der aktuellen Forschung, ist aber auch Standort für universitäre Lehre, postgraduale und internationale Ausbildung.

Extreme simulieren

Schelker und seine KollegInnen arbeiten auch mit Modellsystemen, genauer gesagt mit den Lunzer Fließrinnen: "In der Natur gibt es keine sechs identischen Bäche, die man variieren und mit denen man experimentieren kann. Mit den Rinnen können wir Bachläufe nachbauen, den Wasserdurchfluss ändern und so hydrologische Extreme simulieren", erklärt Schelker. Mit Wasserproben, die anschließend im Labor ausgewertet werden, können die ForscherInnen so Aussagen über den Kohlenstoffumsatz machen.

Die sechs Rinnen à 40 Meter in Lunz ähneln Bachläufen und ermöglichen experimentelle Forschung. Das Wasser wird aus dem Bach gepumpt und zwei Wochen später entsteht ein natürlicher Biofilm. In drei Rinnen kann Trockenheit simuliert werden, die anderen drei Rinnen dienen als Kontrolle. "Die Rinnen sind wasserdicht, sodass ein Austausch mit Grundwasser verhindert wird und störende Einflussfaktoren ausgeschlossen werden können", so der Limnologe über die Vorteile der experimentellen Simulation. (Foto: Jakob Schelker)

Synergieeffekte nutzen

Unterstützt wird das Team der Universität Wien von ExpertInnen für Hochwasser-Frequenzanalysen der TU Wien, MetereologInnen der Universität Innsbruck und ForscherInnen des WCL, die Sedimente analysieren. Die interdisziplinäre Herangehensweise hat schon einige Erkenntnisse geliefert: "Die größten gelösten Kohlenstoffflüsse, die braun gefärbt sichtbar sind, werden bei Starkregen oder Schneeschmelze aus den Böden in den Bach gewaschen. Bei Trockenheit unterliegt der Kohlenstoffgehalt im Gewässer täglichen Schwankungen. Wir gehen daher davon aus, dass der Kohlenstoff im Bach selbst produziert wird. Das zumeist heterotrophe Ökosystem Bach wird dann überwiegend autotroph und vorübergehend durch Photosynthese zum 'Selbstversorger'", erzählt Schelker.

Zwischen Labor- und Feldarbeit


Mindestens einmal in der Woche tauscht Jakob Schelker sein Büro am Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie am Standort Althanstraße der Universität Wien mit dem Lunzer See: "Ich versuche nach wie vor, so oft wie möglich im Feld zu sein. Das Risiko in unserer Disziplin ist, am PC oder im Labor die Realität aus den Augen zu verlieren. Ich halte viel von einem 'Realitätsabgleich' draußen – und da gehört es dann auch mal dazu, die Regenjacke anzuziehen", schmunzelt der Limnologe. (hm)

Das Projekt "EXCARB - Influence of climate extremes on carbon dynamics across the boundaries of aquatic ecosystems" unter der Leitung von Dr. Jakob Schelker vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien läuft von 2015 - 2017 und wird von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gefördert.