Was die Schleimschicht auf Korallen kann

Korallen produzieren einen mikrobiellen Biofilm, der vielfältige Aufgaben hat. Welche, versucht der Meeresbiologe Pedro Frade vom Department für Limnologie und Ozeanographie der Universität Wien zu enträtseln.

Eine Feldstation in der Karibik in Curaçao: Pedro Frade begibt sich ins Wasser, taucht ab und beginnt, seine Proben einzusammeln. Alles interessiert ihn – vom Flachwasser bis zu 60 Meter Tiefe. Worauf er es abgesehen hat? "Korallen", sagt er. Und relativiert dann gleich. Eigentlich interessiert ihn der Biofilm, den die Korallen produzieren, um sich vor Infektionen zu schützen. "Wir wollen mehr darüber wissen, woraus er sich zusammensetzt, welche Aufgaben er hat, warum es verschiedene Arten gibt." Besonders interessiert ihn der Zusammenhang zwischen dem Aufbau des mikrobiellen Biofilms und jener Mikroben, die darin leben.

Schleim als dynamische Grenzschicht

In seinem Lise-Meitner-Projekt-Antrag "Der Korallenoberflächen-Schleim als Mikro-nische" schreibt der Forscher vom Department für Limnologie und Ozeanografie: "Mikrobielle Biofilme, die auf Schleimhäuten gedeihen, spielen eine entscheidende Rolle für das Ökosystem. Der Korallen-Oberflächen-Schleim bildet eine dynamische Grenzschicht zwischen den Korallen selbst und dem umgebenden Meerwasser. Korallen-Schleim ist vielfältig aufgebaut und wirkt als erste Barriere gegen eine breite Palette von Umweltstörungen und trägt so zur Korallen-Gesundheit bei. Überraschenderweise ist nur wenig über die physikalischen und chemischen Eigenschaften dieser Schleimschicht bekannt. Das Hauptziel dieses Projekts ist es, den Aufbau und die Freisetzung auf der Korallenoberfläche zu enträtseln und herauszufinden, wie die Korallen den Schleim einsetzen, um mit den sie umgebenden Mikroben zu interagieren."



Korallen-Schleim ist vielfältig aufgebaut und wirkt als erste Barriere gegen eine breite Palette von Umweltstörungen, trägt so zur Korallen-Gesundheit bei und schützt die Koralle vor den umgebenden Sedimenten.



Dafür ist der gebürtige Portugiese Frade bereits zweimal in die Karibik gereist – 2012 und 2013. "Einige Wochen im Jahr bin ich glücklich auf Exkursion zu gehen", erzählt er. Da organisiert er sich die Proben, macht diverse Experimente im Aquarium und legt den Grundstein für jene Daten, die ihn den Rest des Jahres beschäftigen. Korallenriffe, so viel ist bekannt, sind weltweit bedroht. Was weniger bekannt ist: Mikroben spielen bei vielen Bedrohungsszenarien eine Rolle. Sie verbessern oder verschlechtern den Zustand der Riffe. Ein Beispiel hierfür ist das Auftreten von Korallenkrankheiten. Diese sind oft die Folge einer Infektion mit einem pathogenen Mikroorganismus, der aktiv wird, wenn Verschmutzung oder höhere Temperaturen den Korallen zusetzen. "Es ist daher wichtig, die besondere Rolle der Mikroben bei der Beibehaltung des natürlichen Gesundheitsstatus der Korallenriffe zu verstehen", sagt Frade.

Multidisziplinärer Ansatz

Um das herauszufinden, verfolgt er einen multidisziplinären Ansatz: Er misst die Stärke des mikrobiellen Biofilms, organische Stoffe, die darin vorkommen, Kohlenhydrat-und Lipidzusammensetzung des Korallenschleims, kombiniert das Ganze mit molekularen und phylogenetischen Analysen, Metagenom-Profiling und, und, und. "Wir versuchen natürlich auch, die Lebewesen zu identifizieren – das passiert über die DNA."
In den Experimenten setzt er die Korallen unterschiedlichen Bedingungen aus: Geringe oder größere Tiefe, mehr oder weniger Licht, erzählt er. Am Ende der Experimente bringt er die intakten Korallen zurück, damit sie dort weiterleben können.

Erste Barriere: Biofilm

Studien über die Korallenoberfläche und die damit verbundenen mikrobiellen Gemeinschaften, wie Frade sie macht, können dazu beitragen, die Auswirkungen von Umwelteinflüssen und Klimawandel auf die Korallenriffe zu verstehen und vorherzusagen.


Im Aquarium führt der Meeresbiologe Pedro Frade Experimente mit gesammelten Hirnkorallen durch. Am Ende der Experimente bringt er die intakten Korallen zurück ins Meer.



Darüber hinaus kann der Korallenschleim-Biofilm als Modell dienen, um die Dynamik anderer mikrobieller (Verteidigungs-)Systeme zu verstehen: Der Wissenschafter erinnert daran, dass auch in den Eingeweiden des Menschen ein Biofilm produziert wird, der ähnlich wie der der Korallen eine vielfältige mikrobielle Zusammensetzung hat und als erste Barriere der Verteidigung gegen eine breite Palette von Umweltstörungen wirkt.

Erfolgreich im Habitat

Mittlerweile ist Frades Lise-Meitner-Projekt abgeschlossen, und er arbeitet an einer Folgestudie. Das Marie-Curie-Projekt hat sich aus ersterem entwickelt. Dazu versucht der Forscher die Korallen genau zu beobachten, von Tag zu Tag, um herauszufinden, wie sich der Biofilm verändert. "Was wir wissen wollen: Wie stellt es eine gesunde Koralle an, ihre Mikroben zu kontrollieren. Es geht um diese mikrobielle Lebensgemeinschaft, denn noch ist nicht klar, warum diese Mikroben überhaupt da sind und wie sie sich zusammensetzen. Sind sie gut für ihre Wirte? Und was geben sie ihrem Wirt zurück? Gibt es gute Mikroben, die die Koralle vor Krankheitserregern schützen? Gibt es schlechte? Welche Aufgaben haben sie noch? Etwas, das die Koralle selbst nicht kann?"
Fragen über Fragen, die dafür sorgen, dass dem Meeresbiologen sicher nicht fad wird. Sein vorläufiges Fazit: "Wie Korallen mit ihrer mikrobiellen Gemeinschaft interagieren, könnte darüber bestimmen, wie erfolgreich sie in ihrem Habitat sind. Vielleicht helfen sie den Korallen sogar dabei, das Riff aufzubauen." (red)

Das FWF-Projekt "Die Korallenoberfläche als Mikronische" von Pedro Rodrigues Frade, PhD, lief im Rahmen des Lise-Meitner-Programms von Jänner 2012 bis August 2013.